Fernsehen für Auswanderer: Seit 1. September ist Channel D auf Sendung
Deutsches Fernsehen in alle Welt: Unter anderen Umständen hätte Harald Schmidt darüber wohl seine bekannt bösen Scherze gemacht. Nun kann er das nicht mehr, denn er sitzt mit im Boot: Schmidt ist Gesellschafter bei der Channel D Television und Radio GmbH.
Seit dem 1. September erfreut Channel D den Rest der Welt mit dem Besten von gestern: „Tatorte“ mit Hansjörg Felmy, „Liebling Kreuzberg“ mit Manfred Krug oder betagte Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen vom ZDF – und alles auf deutsch. Die dicke Staubschicht auf den entsprechenden Kassetten wird dabei von Programmdirektor Karl-Otto Saur nicht etwa zähneknirschend in Kauf genommen, sie ist Teil der Strategie: Das Publikum des Auslandssenders bestehe zu einem großen Teil aus Menschen, die vor Jahrzehnten nach Amerika oder Australien ausgewandert sind. Über Klassiker mit Felmy, vermutet Saur, freuten sie sich mehr als über aktuelle Krimis.
Die Zielgruppe von Channel D entspricht altersmäßig also in etwa jener des ZDF. Mit seinen 57 Jahren wäre Saur ein typischer Zuschauer seines Programms. Da er sich in den Senderarchiven weitgehend nach Lust und Laune bedienen durfte, konnte er sich ein Programm ganz nach seinem Geschmack zusammenstellen. Trotz Pilcher oder dem „Bullen von Tölz“ (Sat 1) betont Saur: „Da ist nichts dabei, wofür ich mich genieren müsste“. Allein bei „Fliege“ hätte er gegen eigene Vorlieben verstoßen, doch den wollte die ARD nicht rausrücken.
Das hat seine Gründe: Für „Fliege“ gibt es eigene Pläne. Denn Saur und seine fünf Mitgesellschafter sind ARD, ZDF und Deutscher Welle (DW) mit ihrem Channel D keck zuvorgekommen. Das Programm des öffentlich-rechtlichen „German Channel“, wie er vorläufig genannt wird, soll im Gegensatz zu Channel D aus aktuellen Sendungen bestehen; doch es steckt immer noch in den Startlöchern. German Channel dürfte erst in einem halben Jahr auf Sendung gehen – wenn überhaupt. Zuvor muss der Bundestag erst mal den Etat verabschieden, und das wird nicht vor November passieren. Die Gesamtkosten liegen bei geschätzten 140 Millionen Mark; der Bund soll 60 bis 70 Millionen als „Anschubfinanzierung“ beisteuern.
Von solchen Zahlen kann Saur nur träumen. In bar soll Channel D im ersten Jahr die lächerlich niedrige Summe von 2 Millionen Mark kosten. Das klappt natürlich nur, weil die Sender bei den Lizenzgebühren äußerst entgegenkommend waren und weil die Sendungen in mehrfachen Schleifen ausgestrahlt werden. Entscheidender aber ist das Know-how der sechs Gründungsgesellschafter. Wie Saur, einst Medienredakteur bei der „Süddeutschen Zeitung“, der Experte fürs Programm ist, so haben auch seine fünf Mitstreiter ihre Spezialgebiete: Einer schmeißt die Technik, ein anderer regelt das Marketing, ein dritter ist für Grafik und Internetauftritte zuständig, und die zwei restlichen sind Satellitenexperten. Alle betreiben eigene Firmen, in denen die Logistik für Channel D quasi mitläuft, Gewinne gibts erst später. Nun müssen nur noch die potenziellen Abonnenten mitspielen. Ab 20.000, hofft Saur, sind die laufenden Unkosten gedeckt; 2 Millionen könnten es werden. Allerdings müssen sie sich für Channel D eine eigene Satellitenschüssel samt Receiver anschaffen. Die Abo-Gebühr wird bei 15 Dollar pro Monat liegen.
Bleiben noch zwei Fragen: Was wird aus dem German Channel? Und wird Harald Schmidt seine Show zuliefern? Zumindest die zweite Frage beantworten beide, Schmidt wie Saur, mit einem eindeutigen „nein“, denn das Publikum würde Schmidts Gags gar nicht kapieren; nicht, weil es zu alt ist, sondern weil sie sich größtenteils auf tagesaktuelle Ereignisse beziehen. Und ginge es nach Saur, könnten die Pläne für den Konkurrenzsender in der Schublade verschwinden. Deutsches Auslandsfernsehen wird zwar allseits befürwortet, doch das gibt es ja nun bereits; und es kostet die Steuerzahler keinen Pfennig.