Von Bärbel Röben | Am 8. März wollen Gewerkschaftsfrauen wieder „Zeichen setzen für morgen“. Zentrales Thema des diesjährigen Kampftages für Gleichberechtigung ist „Arbeitszeit“. In Medien, Kunst und Kultur sind lange, flexible Arbeitszeiten nicht nur Bedingung für Karriere, sondern oft Kennzeichen der Erwerbstätigkeit an sich: die Deadline, die Vernissage, der Drehschluss bestimmen den Schaffensrhythmus. Was bedeutet das für uns Frauen?
Je unregelmäßiger die Arbeitszeiten, je prekärer die Erwerbsverhältnisse, desto mehr Frauen? Im Journalismus machen sie gut ein Drittel der Beschäftigten aus, wobei die Zahl der Freien unter ihnen relativ größer ist als bei Männern. In der Filmwirtschaft hält sich der Männer- und Frauenanteil die Waage. Hier gibt es besonders prekäre Jobs, die auf die Dauer der Produktion, d. h. etwa sechs Wochen befristet werden. Die täglichen Arbeitszeiten sind mit 13 Stunden und mehr zumeist überlang.
Lange Arbeitszeiten festigen traditionelle Rollenverteilung
Die Medien- und Genderforscherin Elisabeth Klaus hat zwei Diskriminierungen von Journalistinnen analysiert, die mit den Arbeitszeiten zusammenhängen. Zunächst würden Frauen benachteiligt, weil die Beschäftigungsstrukturen oft an traditionell männlichen Lebenszusammenhängen ausgerichtet sind – mit langen, unregelmäßigen Arbeitszeiten, am Abend und am Wochenende. Journalistinnen haben seltener Kinder als ihre männlichen Kollegen, da immer noch zumeist von Frauen erwartet wird, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.
Auch bei Filmschaffenden mit Kindern wächst das Vereinbarkeitsproblem, so Ute Opritescu, Projektmanagerin des ver.di-Netzwerks connexx.av in München. Denn die Drehzeiten werden immer kürzer angesetzt (z.B. für den „Tatort“ mehr als ein Viertel weniger) und dadurch verlängern sich die täglichen Arbeitszeiten. Auf die höchste Stundenzahl kämen die zumeist männlichen Beleuchter und die Beschäftigten in Maske, Kostümbild und Requisite – überwiegend Frauen.
Während Väter sich inzwischen an der Kinderbetreuung beteiligen, bleiben Waschen und Bügeln weiterhin Frauensache. 2011 sagte die Journalistin Lisa Ortgies in einem Interview: „Die Frauen machen 75 Prozent der Hausarbeit, auch wenn beide in einer Partnerschaft arbeiten! Das war ein eher überraschendes Ergebnis meiner Recherchen. Ich kenne Art-Direktorinnen, Wirtschaftsberaterinnen, die nach einem 10 Stunden-Tag nach Hause kommen, und da steht noch das Frühstücksgeschirr auf dem Tisch.“
Um diesen Stress zu vermeiden, sind es zumeist Frauen, die zugunsten von Sorge- und Hausarbeit ihre Erwerbstätigkeit reduzieren. 2013 arbeiteten Männer 9,3 Stunden pro Woche länger gegen Entgelt als Frauen. „Teilzeitarbeit ist heute zu einem der wichtigsten Instrumente der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geworden – allerdings fast ausschließlich für Frauen. Fast drei Viertel der westdeutschen Mütter mit Kind zwischen 3 und 9 Jahren arbeitet mit reduzierter Stundenzahl, dagegen nur knapp 6 Prozent der Väter“, stellt Christina Klenner im WSI Gender-Daten-Portal 2015 fest.
Die Chancen von Frauen auf ein gegen Armut und im Alter gesichertes Leben werden nicht nur durch den geringeren Umfang der Arbeitszeit reduziert, sondern auch durch die Flexibilisierung derselben. Da Männer die Sorgeverantwortung in der Regel seltener tragen, haben sie auch die Möglichkeit flexibel länger zu arbeiten. Ihre Überstunden festigen wiederum die traditionelle Rollenverteilung, denn die Frauen daheim müssen nun noch mehr unbezahlte Hausarbeit schultern.
Zeitlich unbegrenzte Arbeitszeiten fördern Karriere
Längere Arbeitszeiten hängen mit der Betriebskultur zusammen. Vorgesetzte erwarten von Beschäftigten, dass sie private Verpflichtungen hinten anstellen und flexibel zur Verfügung stehen. Nur dann gelten sie als „ideale Arbeitskräfte“ und machen Karriere. Das sind zumeist Männer. Die „Männerdominanz in der betrieblichen Öffentlichkeit“ hat Elisabeth Klaus denn auch als zweite Ursache für die Benachteiligung von Journalistinnen herausgearbeitet. Dazu zählt sie die „Konkurrenzkultur“ mit einer Selbstinszenierung, „die eine lückenlose Biographie und gezielte Karriereplanung zur Vorbedingung eines Aufstiegs macht.“ Eine Forderung, die genauso wie zeitlich unbegrenzte Arbeitszeiten, schwerer zu vereinbaren ist mit den Lebenswürfen, die in der bundesdeutschen Gesellschaft von Frauen erwartet werden.
Auf die Frage, ob es auch in der Filmbranche zumeist Männer sind, die Karriere machen, antwortet Opritescu mit „Jein“, das hänge davon ab, wer sich um die Kinder kümmert. „Häufiger Frauen“, vermutet ihre Frankfurter connexx-Kollegin Anja Willmann mit Verweis auf die Studie „Entgrenzte Arbeit – Entgrenzte Familie“ von 2009. Dort wird festgestellt, dass junge Eltern – häufig wider Willen – wegen der Arbeitsbedingungen zu einer traditionellen Rollenverteilung zurückkehren. Da Teilzeitarbeit während eines Drehs unmöglich ist, bleibt Müttern im Zweifel nur ein Jobwechsel. Notwendig sei „eine familienfreundlichere Karriere-Kultur“, heißt es in der Studie. Beispielsweise sollten die „extensive Anwesenheitskultur“ sowie die steigenden Mobilitätserwartungen kritisch hinterfragt werden.
Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Einkommenssicherung und Gesundheitsschutz zu verbessern, gilt es gerade in der Kreativwirtschaft, verbindliche Zeit- und Zielvorgaben zu vereinbaren. So fordert die ver.di-FilmUnion in den Tarifverhandlungen für die rund 25.000 Film- und Fernsehschaffenden seit Jahren auch eine Begrenzung der überlangen täglichen Arbeitszeiten von 13 auf maximal 12 Stunden. Und mit dem jüngsten Abschluss vom 1. März ist es erneut gelungen, eine weitere Absenkung der täglichen Höchstarbeitszeiten zu vereinbaren.
Die feministische Philosophin Frigga Haug hat ein Ideal entworfen, wie Arbeitszeiten in einer anderen geschlechtergerechten Gesellschaft aussehen könnten – mit einem „16-Stunden-Tag für alle“: Vier Stunden Lohnarbeit, vier Stunden für Reproduktion und Familienarbeit, vier Stunden für Bildung und Kulturarbeit sowie vier Stunden für politische Partizipation. Die Frauentagsforderung „Kurze Vollzeit für alle“ ist da ein erster Schritt!