Ohrenschmaus nur für Kinder

Ein Traum wird wahr: „RadiJojo!“ ist auf Sendung

Es war ein Traum, unerfüllbar, aber schön: ein Radioprogramm nur für Kinder. Unmöglich zu realisieren, hieß es: Keine Frequenzen, keine Finanzen. Doch nun ist der Traum tatsächlich wahr: Zur Internationalen Funkausstellung ist in Berlin Ende August auch das Kinderprogramm „RadiJojo!“ auf Sendung gegangen.

Bloß über den Namen ist vermutlich kaum jemand glücklich. Ursprünglich sollte der Sender analog zum Kinderkanal KiKa „KiRa“ heißen. Die ARD, sonst stets darauf bedacht, dass niemand ihr die „1“ streitig macht, sah auch hier eine Verwechslungsgefahr und erwirkte eine einstweilige Verfügung. Thomas Röhlinger, KiRas geistiger Vater und Geschäftsführer des jungen Senders, macht gut Miene zum bösen Spiel: Er hofft, in Zukunft mit der ARD kooperieren zu können.

Kein Wunder: Der Senderverbund hat in Sachen Kinderradio bislang praktisch ein Monopol. Streng genommen hätte die ARD längst selbst ein „KiRa“ ins Leben rufen müssen. Ihre Hörfunkangebote für Kinder, kritisiert zum Beispiel die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), seien der Mehrheit der Zielgruppe gar nicht bekannt. Tatsächlich geben laut einer GMK-Studie bloß rund 10 Prozent der Kinder an, sie wüssten, dass es im Radio Sendungen nur für sie gibt. 5 Prozent nutzen dieses Angebot auch regelmäßig. Obwohl die Sender der ARD insgesamt 23 Stunden pro Woche Radio für Kinder ausstrahlen, macht der Anteil der Kindersendungen am Gesamtangebot nicht mal ein Prozent aus.

Kinder mögen Radio vor allem dann, wenn Witze oder Sketche vorkommen und kindgerechte Geschichten erzählt oder Lieder gesungen werden. All das bietet „RadiJojo“. GMK-Mitglied Röhlinger (33), Soziologe, Journalist (Deutsche Welle), Produzent und Musiker, will seinen Sender trotzdem keinesfalls als Konkurrenz zu den ARD-Angeboten verstehen. Ohnehin ist das Programm zunächst nur für wenige Kinder zugänglich, denn das Problem mit den Frequenzen konnte auch Röhlinger nicht völlig lösen. In Berlin wird „RadiJojo“ zunächst digital via DAB verbreitet, im Rest der Republik ist es bloß übers Internet zu hören (www.radijojo.de). Röhlinger hofft allerdings, sich möglichst bald mit Kabelnetz- und Satellitenbetreibern einig zu werden, damit das Programm direkt in die Haushalte eingespeist werden kann.

Auch am Geld sollte das Unternehmen nicht scheitern. Mit 5 Millionen Euro pro Jahr bewegt sich der Etat in einem überschaubaren Rahmen (zum Vergleich: Kika kostet das Zehnfache). Da „RadiJojo“ selbstredend werbefrei bleiben soll, ist man auf Spenden, Subventionen und Länderförderungen angewiesen. Daher sitzt zum Beispiel auch DaimerChrysler tv.media mit im Boot. Ein weiterer Gesellschafter neben Thomas Röhlinger, der 35 Prozent der Anteile hält, ist unter anderem sein Vater Peter, der Oberbürgermeister der Stadt Jena.

Tägliches Regelprogramm spätestens ab 2005

Natürlich hätte Röhlinger am liebsten auch einen Anteil an der Rundfunkgebühr, und auch eine Kooperation mit der ARD wäre sehr in seinem Sinn, doch derzeit „bewegt sich sehr wenig“. Viele Redakteure, sagt er, würden sich allerdings lieber heute als morgen am Programm beteiligen. Das wäre auch gut so, denn zunächst gibt es nicht besonders viel zu hören. Oder richtiger gesagt: immer wieder das gleiche. Zum Start hat das „RadiJojo“-Team ein vier bis fünf Stunden langes Programm produziert, das um Zulieferungen ergänzt und als Schleife regelmäßig wiederholt wird. Dieses Angebot wird nach und nach ausgebaut. Die Schleife beginnt mit dem Angebot für Drei- bis Sechsjährige: Kinderlieder, ein Besuch in der Oper, Lesegeschichten, Tipps für das Verhalten bei Gewitter und eine Reportage aus dem Legoland.

Im zweiten Teil wird die Musik schon deutlich abwechslungsreicher: Auf Hip Hop und Pop folgt auch mal Joseph Haydns „Sinfonie mit dem Paukenschlag“. Es gibt ein Interview mit MTV-Moderatorin Anastasia, eine Reportage aus einem Planetarium, ein Porträt der Uno und Geschichten, die die Zielgruppe (7 bis 13 Jahre) selbst geschrieben hat. Richtig neu aber ist der halbstündige dritte Teil, der sich mit Themen wie Schrei-Babys, Übergewicht bei Kindern oder Elterntausch an die Erzeuger der Zielgruppe richtet.

Spätestens ab dem Jahr 2005 soll „RadiJojo“ als Regelprogramm auf Sendung gehen, je nach Lage der Finanzen auch schon früher: Von 6.00 bis 21.00 Uhr gibt es dann Hörspiele, Magazine, Talkshows und Musik, vormittags eher für Vorschulkinder, nachmittags für alle. Dann wird auch live gesendet, schließlich ist Interaktivität einer der Schlüsselbegriffe im Medienalltag der acht bis neun Millionen Kinder umfassenden Zielgruppe.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Erneute Streiks bei NDR, WDR, BR, SWR 

Voraussichtlich bis Freitag werden Streiks in mehreren ARD-Sendern zu Programmänderungen, Ausfällen und einem deutlich veränderten Erscheinungsbild von Radio- und TV-Sendungen auch im Ersten Programm führen. Der Grund für den erneuten Streik bei den großen ARD-Rundfunkanstalten ist ein bereits im siebten Monat nach Ende des vorhergehenden Tarifabschlusses immer noch andauernder Tarifkonflikt.
mehr »

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »

Für eine Handvoll Dollar

Jahrzehntelang konnten sich Produktionsfirmen auf die Bereitschaft der Filmschaffenden zur Selbstausbeutung verlassen. Doch der Glanz ist verblasst. Die Arbeitsbedingungen am Set sind mit dem Wunsch vieler Menschen nach einer gesunden Work-Life-Balance nicht vereinbar. Nachwuchsmangel ist die Folge. Unternehmen wollen dieses Problem nun mit Hilfe verschiedener Initiativen lösen.
mehr »

Tarifverhandlungen für Zeitungsjournalist*innen

Bereits Ende Mai haben die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di und dem Zeitungsverlegerverband BDZV begonnen. Darin kommen neben Gehalts- und Honorarforderungen erstmals auch Regelungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Sprache.
mehr »