Riesenerfolg mit bitterem Rest

Urteil: Geheimdienstliche Überwachung nicht gerechtfertigt

Kai Budler erhielt am 6. November 2013 vor dem Göttinger Verwaltungsgericht weitgehend gegen den Niedersächsischen Verfassungsschutz Recht. Budler, seit dem Jahr 2000 Journalist beim Göttinger Stadtradio, wurde seit 1997 geheimdienstlich überwacht, wie er 2011 auf entsprechende Anfragen erfuhr.


In den Geheimdienst-Akten war unter anderem vermerkt, dass der Reporter an Demonstrationen „teilgenommen“ habe. Er machte stattdessen geltend, auch auf seinem Spezialgebiet Rechtextremismus journalistisch berichtet zu haben und klagte auf vollständige Löschung der über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten (siehe M12/2011 und 7/2013).
Das Verwaltungsgericht stellte nun fest, dass Arbeit bei einem Stadtradio und die Berichterstattung von Protestaktionen eine geheimdienstliche Überwachung nicht rechtfertigen. Erforderliche Nachweise für verfassungsfeindliche Bestrebungen des Journalisten konnten auch in der mündlichen Verhandlung nicht erbracht werden. Es erging deshalb das Urteil, sämtliche zugängliche Einträge in den Verfassungsschutz-Dateien zu löschen und in den Papierakten zu sperren. Kai Budler äußerte sich sehr erleichtert, sein Anwalt sieht das als „Riesenerfolg“.
„Nicht zufrieden“ sind beide über dem Umgang mit gesperrten Akten. Die Geheimhaltung eines Teils der über Budler gesammelten Daten – üblicherweise wird das mit Quellenschutz für V-Leute oder Überwachungsmaßnahmen begründet – hatte auch in zwei speziellen Vorverfahren nicht erschüttert werden können. Deshalb, so gestand der Göttinger Richter jetzt zu, befinde sich der Kläger in einem „Dilemma“. Er wisse zwar, dass es weitere Akten gebe, könne sie jedoch nicht spezifizieren und sich deshalb nicht gegen sie wehren. Das gebe der Gesetzgeber so vor. Anwalt Sven Adam hält das für eine „unbefriedigende Lösung“: „Herr Budler hat sich nichts vorzuwerfen, aber es bleibt etwas an ihm haften.“ Dieses Problem sei erstmals in einem juristischen Verfahren zutage getreten. Man prüfe deshalb, weiter dagegen vorzugehen. Abzuwarten bleibt auch, ob die Behörde die Zulassung der Berufung beantragt. Insgesamt, so Adam, sei zu hoffen, dass Innenministerium und Verfassungsschutz Niedersachsens das „Signal der Justiz“ gehört hätten und das „Umdenken dort fortgesetzt wird“.

nop

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Rechtes Rauschen im Blätterwald

Ob Neuerscheinungen, Zusammenlegungen, Relaunches oder altgediente rechte Verlage: Was die Periodika der Neuen Rechten, ihrer Parteien, Organisationen oder auch einflussreicher kleinerer Kreise anbetrifft, lässt sich gerade angesichts des rechtspopulistischen Aufschwungs der letzten etwa 20 Jahre viel Bewegung ausmachen.
mehr »

Rundfunkfinanzierung in der Sackgasse

Bisher war Einstimmigkeit gefordert, wenn es um rundfunkpolitische Fragen ging. Die Ministerpräsident*innen der Länder sollen gemeinsam agieren, zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um das Thema Rundfunkfinanzierung geht. Dass diese Praxis nun überarbeitet wird, ist Ausdruck einer Krise – wenn nicht der Demokratie, dann doch zumindest der Rundfunkpolitik der Länder.
mehr »

Kriminalität nicht mit Migration verknüpfen

Kriminelle Migranten bedrohen die Sicherheit in Deutschland“ – dieses alte rechte Narrativ wird von der AfD neu belebt und verfestigt sich in der Mitte von Gesellschaft und Politik. Medien, die diese realitätsverzerrende Erzählung bedienen, weil sie meinen, die laute Minderheit repräsentiere ein öffentliches Interesse, spielen mit dem Feuer.
mehr »