„Rede gefälligst Deutsch“, wird dem in England lebenden Iraner Mahan Esfahani in der Kölner Philharmonie am 28. Februar zugerufen, als er in englischer Sprache in das vorzutragende Werk einführte. Dann muss der Cembalist das Konzert wegen des aufkommenden Tumults unterbrechen. Erschreckend, beschämend! Erst recht angesichts der fremdenfeindlichen Übergriffe auf Flüchtlinge und Attacken auf Journalist_innen in Sachsen und andernorts, zunehmender Hasstiraden und rassistischer Hetze im Netz frage ich mich: Was geht ab in diesem Land „auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“?
Eines ist inzwischen offensichtlich: Jenen, die „Lügenpresse“ schreien, geht es weniger um die Wahrheit. Sie wollen selbst nicht zuhören, verharren in ihren Ansichten, sind nicht bereit für Neues, für Veränderung, die es in einer offenen demokratischen Welt unweigerlich gibt! Sich hinter vermeintlicher Sorge um unsere Gesellschaft versteckend, geht es den einen offenbar in erster Linie um die Verteidigung von Besitzständen, anderen um politische Macht!
Aber wie kommt man dagegen an? Neben Tausenden, die mit eigenen Händen bei der Flüchtlingsbetreuung helfen, beziehen viele Journalist_innen klar Position. Sie lassen nicht nach in der Berichterstattung über Willkommen und Integration, über kritikwürdige politische Entscheidungen oder sträfliches Nichtstun, über Menschenverachtung, Brandstiftung und Gewalt, die sich in den letzten Wochen zunehmend auch gegen sie selbst richtete.
Zeitungsredaktionen schränken ihre Kommentarfunktionen im Internet ein. Auch, weil sie die Flut rechter, mutmaßlich strafrechtlich relevanter Kommentare rein personell nicht bewältigen können. Zugleich ist das ein – wohl unzureichender – Versuch, dieser dunklen Schwemme Einhalt zu gebieten. Facebook macht sich nun ernsthaft an die Löschung von Hetzbotschaften auf seinen Seiten. Zuckerberg hat in Berlin versprochen, 200 zusätzliche Mitarbeiter_innen in Deutschland darauf anzusetzen.
Die dju in ver.di ist unermüdlich im Kampf um Presse- und Meinungsfreiheit. Sie mischt sich ein und unterstützt Kolleginnen und Kollegen, die vor Ort recherchieren, Informationen sammeln und fotografieren, seit neuestem mit einer „Demo Watch“: „Hier können sich Journalistinnen und Journalisten eintragen, die einen Vorfall öffentlich machen wollen und/oder Unterstützung benötigen, heißt es unter https://dju.verdi.de/ueber-uns/pressefreiheit/
Organisationen wie „Gesicht zeigen“ arbeiten seit vielen Jahren gegen Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit – und sie tun das stetig! Auch Journalist_ innen müssen solche Phänomene öffentlich machen, nicht nur wenn eine „Flüchtlingswelle“ über uns „hereinschwappt“. Sie schwappt eben nicht, ist keine Naturgewalt. Reichlich falsche Begrifflichkeiten in der Berichterstattung der letzten Monate gereichten der Profession nicht zur Ehre. Das Flüchtlingsdrama ist von Menschen verursacht – global, politisch, wirtschaftlich. Es ist ebenso real wie ein latenter Rassismus in Teilen der deutschen Bevölkerung. Viel Stoff für tägliche journalistische Auseinandersetzung!