Reporter an der Front reichen nicht

Medienwissenschaftler: Zensur im Krieg ist normal

Die „herkömmliche Kriegsberichterstattung“ laufe immer noch nach dem „Modell des Krieges von 1870/71“ und wird den Möglichkeiten der modernen Technologien nicht gerecht, so Dr. Friedrich Krotz vom Hans-Bredow-Institut in Hamburg.

Was meinen Sie damit, wenn sie sagen, die Berichterstattung über den Krieg in Jugoslawien laufe „nach dem Modell des Krieges von 1870/71“ ab?

Krotz: Damit möchte ich deutlich machen, daß die derzeitige Kriegsberichterstattung den modernen technischen Möglichkeiten nicht gerecht wird. Ich habe den Eindruck, die Redaktionen schicken Reporter an die Front, werten das serbische Fernsehen aus und besuchen die NATO-Pressekonferenzen. Das scheint im wesentlichen alles zu sein. Darüber hinaus wundert man sich, daß die Kriegsparteien Informationen zurückhalten, Fernsehbilder zensieren und versuchen, die Medien zu kontrollieren. Darüber muß man nicht erst seit dem Golfkrieg erstaunt sein, das war schon immer so.

In ihrer Antwort steckt ein wenig der Vorwurf, die Medien mogeln sich dilettantisch durch diesen Krieg.

Nein, ich unterstelle keinen bösen Willen. Die Medien bemühen sich schon, richtig zu informieren, doch es könnte alles ein wenig besser sein. Um ganzheitlich zu informieren, reicht meines Erachtens das Mittel der persönlichen Beobachtung nicht aus. Journalisten sollten sich nicht nur auf ihre subjektive Wahrnehmung und die Kriegsparteien verlassen.

Was schlagen sie vor?

Beispielsweise eine stärkeren Nutzung des Internets, oder anderer moderner Kommunikationsmedien, die auf beiden Seiten der Front existieren. Wobei mir klar ist, daß das Internet nur bedingt tauglich ist. Da wird auch viel herumspekuliert, Verschwörungstheorien entwickelt und dergleichen. Durch eine saubere Gegenrecherche kann man aber durchaus Licht ins Dunkle bringen. Viel wichtiger ist mir ein sozialer Aspekt: Die Kooperation unter Journalisten über Kulturen und Grenzen hinweg. Da lasse ich mich von dem Grundgedanken leiten, daß man die Verhüllungsstrategien der Militärs gemeinsam viel besser aufdecken könnte. Wenn sich alle Welt vernetzt, müssen sich auch Journalisten vernetzen.

Medien stehen aber auch in Konkurrenz zueinander.

Aber nicht, wenn es sich um Rundfunksender in Rußland oder Deutschland handelt oder nur um serbische, deutsche, griechische Journalisten. Sie haben unterschiedliche Informationen und unterschiedliche Auffassungen – sie können kooperieren. Im Vordergrund sollte die journalistische Ethik und nicht Konkurrenz- oder Blockdenken stehen. Als Vorstufe sind zunächst vertrauensbildende Maßnahmen notwendig. Das betrifft die einzelnen Journalisten untereinander. Weiter denke ich auch an eine Technikkooperation. Der Militärapparat verfügt über ein riesiges technisches Reservoir. Da frage ich mich, warum die mächtigen Medien – zum Beispiel der Zusammenschluß der öffentlich-rechtlichen Anstalten in der EBU (European Broadcasting Union) – nicht auch über entsprechende Technologien verfügen – zum Beispiel Beobachtungssatelliten. Ich will damit sagen, daß man sich nicht nur auf einzelne Reporter verlassen sollte, sondern auch moderne Beobachtungs- und Informationstechnologien einsetzen sollte.


  • Interview: Günter Frech
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