Pro & Contra: Autorisierung

Pro: Autorisierung in Maßen

Um es deutlich zu sagen: Maßvoll eingesetzt ist der Autorisierungsvorbehalt unerlässlich und notwendig. Wortlaut-Interviews sollten auf jeden Fall dieser Praxis unterliegen, nicht unbedingt jedes einzelne Zitat.

In einer immer komplexer werdenden Medienlandschaft muss es Möglichkeiten der Abstimmung geben. Nicht aus Misstrauen dem Journalisten gegenüber. Sondern deshalb, um Missverständnisse, Verkürzungen oder auch Falschaussagen vorzubeugen. Falsche, missverständliche oder sinnentstellend verkürzte Zitate können enorme Schäden anrichten – für das eigene Unternehmen oder den eigenen Verband bzw. für den jeweiligen Präsidenten oder Vorsitzenden. Anschließende Korrekturen oder Dementis können Schäden höchsten eingrenzen, sie aber nicht mehr ungeschehen werden lassen oder neutralisieren.

Natürlich sollte die Autorisierung Grenzen kennen und in Absprache mit dem Journalisten eingesetzt werden. Eine Grenze ist beispielsweise dann erreicht, wenn Pressesprecher sogar Interviewfragen verändern wollen. Entscheidend sind letztlich Faktoren wie die Komplexität des Themas, die politische Bedeutung der Aussagen sowie – ganz wesentlich – das Vertrauensverhältnis zum Journalisten. Viele Redakteure bieten übrigens von sich aus an, die zu veröffentlichenden Aussagen zu autorisieren. Das ist ein Zeichen von Vertrauen, das letztlich beiden Seiten zugute kommt. Denn auch Journalisten wollen, gerade bei schwierigen Themen, in denen sie nicht unbedingt in jedem Detail sattelfest sind, im Sinne einer seriösen Berichterstattung für Korrektheit und somit für eine gute Qualität ihrer Arbeit stehen.

Die Autorisierungspraxis dient nicht dazu, wesentliche Inhalte von Interviews umzuschreiben oder zu entstellen. Letztlich gilt der Grundsatz: Je besser das Vertrauensverhältnis ist, umso selbstverständlicher ist die rasche und schnelle Abstimmungspraxis von Interviews. Eine Blitzumfrage des Bundesverbands deutscher Pressesprecher zeigte, dass auch auf Seiten der Pressesprecher ein maßvoller Umgang mit diesem Instrument die Regel ist. So gaben 85 Prozent von 350 Befragten an, es sei für sie ein Tabu, Fragen im Rahmen der Autorisierung durch den Interviewten nachträglich zu verändern. Allerdings sagten fast 90 Prozent der Teilnehmer, auch schon mal falsch zitiert worden zu sein. Allein dies zeigt: Autorisierung muss sein. Nicht aus Misstrauen, sondern aus Sorgfalt!

Roland Stahl
Der Autor ist Kommunikationschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und Sprecher des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher

Contra: Gesagt ist gesagt

Von den Beobachtern des hauptstädtischen Politzirkus ist zu hören, dass sich Pressesprecher immer häufiger melden, um sich zu beschweren, weil ein abgedruckter O-Ton nicht mit ihnen „abgestimmt“ sei. Dabei sollte allen Beteiligten klar sein, dass alles, was zum Beispiel auf einer Pressekonferenz – und selbst „am Rande“ – gesagt wird, auch gedruckt und gesendet werden kann. Ohne wenn und aber und ohne nochmalige Rücksprache. Und wenn es für die Informationspflicht von Bedeutung ist, darf der in einer Pause der Fraktions- oder Ausschusssitzung beiläufig dahingesagte Satz verwendet werden. Solche O-Töne sind das Salz in der Suppe der politischen Berichterstattung – gesagt ist eben gesagt!

Unserem Gewerbe wird gerne eine Wächterfunktion zugesprochen. Für die Demokratie sei die freie Presse unerlässlich, heißt es in Festreden. Wenn das so ist und Politiker und Journalisten diesen Anspruch nicht nur verbal verkünden, sondern auch danach leben, könnten sie auf die Freigabepraxis verzichten. Hier hat sich eine Praxis eingeschlichen, die mit dem ursprünglichen Anliegen des Autorisierens – dem Interviewten die Chance zu geben, sich das Gesagte in Schriftform anzuschauen – nichts mehr zu tun hat. Wer ein längeres Interview in guter Dramaturgie mit den nötigen Pointen und Zuspitzungen und sachlich richtig niedergeschrieben hat, war zu früheren Zeiten auf der sicheren Seite. Dann kam irgendwann eine neue Generation von Pressesprechern und die glaubte, sie könne es besser sagen als die Chefs. Fortan wurde in Interviews reinredigiert und selbst vor Fragen nicht halt gemacht.

Die etwas mutigeren Kollegen haben für den Ursprungstext gekämpft und oft gewonnen. Diejenigen, die es sich mit dem Interviewten nicht verderben wollten oder vielleicht auch nur unter Zeitdruck standen, haben sich gebeugt und das abgesegnete Interview gedruckt. Beides – keine Zeit haben und Lieb Kind sein – ist untauglich für die Ausübung eines öffentlichen Berufes. Das Redigieren von Interviews hat das Klima versaut. Inzwischen sind viele Politiker, Wirtschaftsbosse und Gewerkschaftsfunktionäre samt ihren Sprechern von einer Kontrollwut besessen. Selbst beim Einholen von kurzen Statements verlangen sie, das Niedergeschriebene doch bitteschön schnell rüber zu mailen. Wer es nicht tut, hat beim nächsten Mal schlechte Karten. Wie wäre es, wenn wir uns auf das simple „gesagt ist gesagt“ verständigen? In anderen Ländern ist das üblich.

Günter Frech
Der Autor ist freier Journalist, berichtet über Sozial- und Medien- politik u. a. für die Frankfurter Rundschau.

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