Gutachten bestätigt besondere Funktion des ZDF als nationale Fernsehanstalt Deutschlands
„Rahmenkonzept für eine Medienordnung 2000 Plus“ ist der Titel einer Veröffentlichung des VPRT, dem Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation, und „Kommunikationsordnung 2000“ heißt die Studie der Bertelsmann Stiftung. Mit diesen Publikationen haben die privaten Rundfunkanbieter und ihre Protagonisten in den vergangenen Jahren die öffentliche medienpolitische Diskussion weitgehend in ihrem Interesse bestimmt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Gewerkschaften wurden in die Defensive getrieben. Memoranden, wie das Frankfurter „Manifest der Gewerkschaften zur Rundfunk- und Medienpolitik“, das „Weißbuch 2000“ der ARD oder die Veröffentlichung des ZDF „Bleibt Fernsehen Fernsehen?“ haben nicht entfernt diese Aufmerksamkeit gefunden.
Ende ’98 veröffentliche Professor Bullinger im Auftrag der Bertelsmann Stiftung eine Studie „Aufgaben des öffentlichen Rundfunks“ und behauptete dort, der Gesetzgeber sei verpflichtet, die Aufgaben der Rundfunkanstalten festzulegen und zu konkretisieren.
ZDF-Intendant Stolte wollte verhindern, daß in dieser öffentlich geführten medienpolitischen Diskussion der juristische Begriff der „Grundversorgung“ zum ideologischen Kampfbegriff umfunktioniert wird, mit dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur noch auf ein Mindestangebot reduziert werden und von künftigen Entwicklungen auf dem Kommunikations- und Mediensektor ausgeschlossen werden soll.
Aus diesem Grund beauftragte er Professor Dr. Bernd Holznagel, den Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster, mit der Erstellung eines Gutachtens über den „spezifischen Funktionsauftrag des ZDF, seine Bedeutung, Anforderungen und Unverzichtbarkeit unter Berücksichtigung der Digitalisierung, der europäischen Einigung und der Globalisierung der Informationsgesellschaft“.
Gemeinwohlorientierter Funktionsauftrag
Das interdisziplinär angelegte Gutachten bestätigt die besondere Funktion des ZDF als nationale Fernsehanstalt Deutschlands. Dabei bekräftigt der Gutachter ausdrücklich den gemeinwohlorientierten Funktionsauftrag, nach dem das ZDF ausdrücklich verpflichtet ist, für den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen und Meinungsvielfalt zu garantieren.
Holznagel weist in dem Gutachten darauf hin, daß diese verfassungsrechtlichen Vorgaben und Verpflichtungen, die sich aus Grundgesetz und ZDF-Staatsvertrag ergeben, in dieser Form für das Gemeinschaftsprogramm der ARD-Anstalten und Rundfunksender von den dafür zuständigen Bundesländern in dieser Eindeutigkeit nicht geregelt worden sind.
Das Gutachten entwickelt anhand der gesetzlichen Vorgaben die dem ZDF obliegenden Aufgabenstellungen und beschreibt sie als Informationsauftrag, Orientierungsfunktion, Forumsfunktion, Integrationsfunktion, Leitbildfunktion, Kulturauftrag, Produktionsauftrag und Innovationsfunktion.
Informationsauftrag
Danach habe das ZDF in erster Linie die Aufgabe, als Voraussetzung für freie Meinungsbildung objektive Informationen zu vermitteln. Daher habe die Berichterstattung umfassend, wahrheitsgetreu und sachlich zu erfolgen. Kommentare und Stellungnahmen seien als solche zu kennzeichnen.
Orientierungsfunktion
Als Quelle unabhängiger und unparteiischer Informationen könne das ZDF verläßliche und glaubwürdige Anhaltspunkte und damit Orientierung für eine freie Meinungsbildung geben.
Forumsfunktion
Das ZDF habe dafür zu sorgen, daß alle relevanten Auffassungen zu einem Thema zu Wort kommen. Es solle außerdem ein Forum für die öffentliche Diskussion bieten, an der die gesellschaftlichen Gruppen partizipieren können.
Integrationsfunktion
Ferner müsse das ZDF für gegenseitiges Verständnis eintreten und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Dabei lasse sich der Auftrag zur föderalen, europäischen und internationalen Integration von der gesellschaftlich sozialen Integrationsaufgabe unterscheiden.
Leitbildfunktion
Das ZDF habe die Verpflichtung zu einer wegweisenden, qualitativ hochwertigen und auch innovativen Programmgestaltung. Auf diese Weise setze die Mainzer Anstalt Maßstäbe.
Kulturauftrag
In den Programmen des ZDF solle sich die kulturelle Vielfalt Deutschlands und das Geschehen in den einzelnen Ländern widerspiegeln. Hierin komme die gesamtnationale und föderale Ausrichtung des ZDF, aber auch seine integrative Rolle zum Ausdruck.
Produktionsauftrag
Eine sachgerechte Umsetzung der verschiedenen Verpflichtungen könne durch den bloßen Erwerb von ausländischen Produktionen allein nicht gewährleistet werden. Das ZDF habe deshalb den Auftrag zum selbständigen Kulturschaffen. Die Anstalt könne zu diesem Zweck mit Dritten zusammenarbeiten, jedoch sei die Produktion möglichst angemessen auf Produktionsstandorte in den Ländern zu verteilen.
Innovationsfunktion
Die vom Gesetzgeber gegebene Entwicklungsgarantie gewähre dem ZDF auch eine Teilhabe an neuen Techniken und Diensten im Rundfunksektor, weil es mit einem singulären Programm in einer Welt vernetzter Angebote seinen Auftrag nicht mehr erfüllen könne. Um den Anschluß an die rasante Entwicklung in diesen Bereichen nicht zu verpassen, sei die Anstalt zu einem innovativen Vorgehen und zur permanenten Erprobung neuer Möglichkeiten angehalten, um allen Bürgern die Teilnahme an modernen Diensten zu ermöglichen.
Diese spezifischen Funktionen des ZDF sind nach Holznagel angesichts der derzeit weltweiten Umbrüche im Kommunikations- und Mediensektor mehr denn je aktuell. Sie seien im Lichte der neuen Herausforderungen zu interpretieren, wie sie sich aus der Digitalisierung und Globalisierung sowie aus den veränderten Angebotsstrukturen, Vertriebs- und Nutzungsformen der Medien ergeben.
Als nationalem Sender komme ihm schließlich auch die Aufgabe zu, Stimme Deutschlands in Europa und in der Welt zu sein. Die zukunftssichere Wahrnehmung dieser spezifischen Funktionen des ZDF bedürfe angemessen erweiterter rechtlicher Spielräume der Anstalt. Der Gutachter plädiert daher für eine Digitalbouquetermächtigung des ZDF im Rundfunkstaatsvertrag. Diese müsse insbesondere die Möglichkeit weiterer digitaler ZDF-Programmangebote sowie programmbegleitender Informations- und Datendienste, die Aufnahme von Drittprogrammen in das Bouquet sowie eine ZDF-Hörfunkermächtigung mit umfassen. Für Holzapfel ist das ZDF insgesamt eine „Glaubwürdigkeitsinsel“ in dem zunehmend zersplitterten Angebot an Programmen sowie gleichermaßen ein technischer und publizistischer Innovationsmotor, wenn es darüber hinaus für jedermann die Vorteile der digitalen Entwicklungen sichert und die deutsche kulturel le Identität sowie programmliche Qualitätsstandards gewährleistet.
- Hinweis: Der vollständige Wortlaut des Gutachtens „Der Spezifische Funktionsauftrag des ZDF, Bedeutung, Anforderungen und Unverzichtbarkeit unter Berücksichtigung der Digitalisierung, der europäischen Einigung und der Globalisierung der Informationsgesellschaft“ von Prof. Dr. Bernd Holznagel ist in der Schriftenreihe des ZDF, Heft 55,erschienen und kann kostenlos angefordert werden:ZDF
Abteilung Herstellung
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