Panama-Papers: Auswertung ohne ideologische Scheuklappen!

Mit der Enthüllung der „Panama Papers“ ist der “Süddeutschen Zeitung“ ein überragender Coup gelungen. Denn bei der Zuspielung von internen Dokumenten der Kanzlei Mossack Fonseca handelt es sich um das bislang größte Datenleck der sogenannten Offshore-Finanzindustrie. Einer Industrie, die mithilfe von Briefkastenfirmen im Verborgenen schmutzige Geschäfte betreibt. Und dabei die nationalen Steuerbehörden, das heißt die Allgemeinheit, um Hunderte von Milliarden betrügt. Schauplätze der Kapitalverbrechen sind karibische Steuerparadiese, die unter britischer Aufsicht stehen, und Panama. Dabei ist es erst knapp drei Jahre her, dass ein G8-Gipfel, damals noch unter Beteiligung Russlands, gelobt hat, den Missbrauch solcher Firmenkonstrukte zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche kompromisslos zu bekämpfen. Man wolle mit gutem Beispiel vorangehen, wurde unter Vorsitz des britischen Premiers David Cameron versprochen, und mit nationalen Aktionsplänen, Transparenz und einem Datenaustausch zwischen Steuer- und Strafverfolgungsbehörden den kriminellen Sumpf austrocknen. Tatsächlich passierte offenbar nichts.

Einmal mehr ist es die „Vierte Gewalt“, sind es investigative Medien, die – unterstützt von Whistleblowern – Ernst machen mit Transparenz und Aufklärung über Korruption und Kapitalverbrechen. Und die angesichts der enormen Fülle des geleakten Materials selbstverständlich arbeitsteilig vorgehen. Während der Datenaustausch unter Regierungen und Geheimdiensten – man denke an die Ermittlungspannen bei den jüngsten Brüsseler Terrorschlägen – oft zu wünschen übrig lässt – bei den Medien funktioniert es. Das ist zunächst das Verdienst der „Süddeutschen“, die das zugespielte Material mit dem „Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten“ (ICIJ) geteilt hat. Eine exklusive Auswertung wäre allerdings auch schlicht unmöglich gewesen – 11,5 Millionen Dokumente über die Vernetzungen von knapp 215.000 Briefkastenfirmen übersteigen die Recherche-Kapazität von noch so gut ausgestatteten Redaktionen. Das ICIJ dagegen als unabhängiges, mit Spenden finanziertes Netzwerk von rund 180 investigativen Journalisten in 76 Ländern (darunter auch Reporter des NDR und des WDR) dürfte in den kommenden Monaten mit seiner geballten Recherche-Power so manchen Politiker und Promi aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen ins Schwitzen bringen. Und im Falle eines Nachweises krimineller Handlungen auch manche Karriere beenden.

Zu hoffen bleibt, dass die Auswertung der Papiere ohne ideologische Scheuklappen erfolgt. Laut „Süddeutsche“ finden sich die Namen mehrerer Staats- und Regierungschefs in den Daten, unter anderem die des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und des saudi-arabischen Königs Salman ibn Abd al-Asis. Der Berichterstattungsfokus vieler Medien richtete sich in den ersten Tagen allerdings vor allem auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin (dessen Name in den Papieren nicht auftauchen soll) und sein Umfeld. Putin-Bashing as usual bei gleichzeitiger Schonung von Politikern, die mit dem Westen verbündet sind? Eine solche Strategie wäre der Glaubwürdigkeit der Enthüller nicht eben förderlich.

Zum Weiterlesen:

„Berechtigte Kritik oder Futterneid? Erfolgreiche Recherchepower im Verbund zwischen Print und Rundfunk“ erschienen in M 01/2016

Weitere aktuelle Beiträge

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »

Safer reporting: Schutzkodex auf der re:publica

Das gesellschaftliche Klima ist eines der ganz großen Themen auf der diesjährigen Digitalmesse re:publica in Berlin. Auch Journalist*innen sind zunehmend Hass und Bedrohungen ausgesetzt – bei der Recherche, auf Demos oder in sozialen Medien. Das gefährdet nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Pressefreiheit insgesamt.  Dagegen hilft der Schutzkodex.
mehr »

„Das Arbeitsklima ist extrem hart“

In der Nahaufnahme für das Jahr 2025 beschäftigt sich Reporter ohne Grenzen (RSF) unter anderem mit der deutschen Berichterstattung zum Gaza-Krieg nach dem Überfall der Hamas auf Israel. Von der Organisation befragte Journalist*innen sprechen über massiven Druck, Selbstzensur und erodierende journalistische Standards. Ein Interview mit Katharina Weiß, Referentin bei Reporter ohne Grenzen Deutschland.
mehr »

Weniger Demokratie wagen

Mit dem Slogan „Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern“ ist die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD angetreten.  Keine Koalitionsvereinbarung ohne Bekenntnis zur „flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten“. Aber halt: Hieß es nicht bei der Ampel (und der letzten Merkel-Regierung!) noch „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“?
mehr »