Erfolgreiche Recherchepower im Verbund zwischen Print und Rundfunk
Öffentlich-rechtliche Sender kooperieren mit privaten Verlagen. Was die Beteiligten als win-win-Situation ansehen, ist manchen Wettbewerbern ein Dorn im Auge. Es ist die Rede von rechtlich fragwürdigen „Meinungskartellen“. Berechtigte Kritik oder journalistischer Futterneid?
Eine Meldung vom 27. Januar 2016: „Der Deutsche Fußballbund (DFB) hat Hinweise auf dubiose Geschäfte oder gar Korruption bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland über Jahre systematisch vertuscht.“ Nur einer von diversen Scoops, mit denen der Rechercheverbund von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR in jüngerer Zeit glänzte. Seit seiner Gründung im Februar 2014 hat das Dreigespann mit einer Vielzahl von spannenden Geschichten auf sich aufmerksam gemacht: mit Stories über Snowden und die NSA, Offshore-Leaks und Swiss-Leaks, illegale Waffenlieferungen deutscher Rüstungskonzerne oder Hintergrundgeschichten zum Islamischen Staat. Die geballte Recherchepower erfahrener Reporter unter der Leitung des früheren „Spiegel“-Chefredakteurs Georg Mascolo zahlt sich aus. Und der Satz „Das haben Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung ergeben“ gilt mittlerweile als Qualitätssiegel für investigative Geschichten, die man anderswo nicht häufig findet.
Nicht alle freuen sich über diesen enormen Output an Beiträgen, deren gesellschaftspolitische Relevanz doch eigentlich außer Frage stehen dürfte. Besonders indigniert reagierte der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), der bereits im April 2014 eine Rechtsaufsichtsbeschwerde bei der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen einlegte. Darin prangerten die Privatfunklobbyisten „intransparente, unzulässige Quersubventionierungen“ an, die gegen das Rundfunkrecht verstießen. Rechercheleistungen für Dritte (gemeint ist die SZ) zu erbringen, gehöre nicht zum Funktionsauftrag und sei daher „Vorteilsgewährung“. Insgesamt handle es sich bei der Arbeit des Rechercheverbundes um eine „kommerzielle Tätigkeit“.
Rührt der Ärger des VPRT hauptsächlich daher, dass das Interesse von Zeitungsverlagen, mit einem seiner eigenen Mitglieder zu Recherchezwecken zu kooperieren, sich in Grenzen hält? Investigativer Ehrgeiz wurde bislang keinem Privatsender ernsthaft unterstellt. Allerdings trug auch der wenig transparente Charakter der Arbeitsgrundlage des Rechercheverbunds zum Misstrauen der Wettbewerber bei. Die „heilige Tagesschau“ werde zur „Dauerwerbesendung“, lästerte etwa „Spiegel“-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer – ausgerechnet in der „Süddeutschen“. Hier werde „mit Gebührengeldern auf ziemlich undurchsichtige Weise eine Tageszeitung quersubventioniert“. Brinkbäumer dürfte besonders schmerzen, dass mit Georg Mascolo einer seiner Vorgänger nunmehr für zwei ARD-Sender und die „Süddeutsche“ die publizistischen Kastanien aus dem Feuer holt, während spektakuläre Rechercheergebnisse beim „Spiegel“ zuletzt eher dünn gesät waren. Mascolo hat zwar seinen Arbeitsplatz beim NDR Hamburg, wird aber als freier Mitarbeiter von NDR, WDR und SZ separat bezahlt. Nach Angaben des NDR gibt es keine förmliche Vereinbarung zwischen den drei Beteiligten, sondern nur projektbezogene Kooperationen.
Einen Achtungserfolg konnte der VPRT immerhin erzielen. Unter dem Eindruck seiner Rechtsaufsichtsbeschwerde baute der NRW-Landtag Ende Januar bei der Novellierung des WDR-Gesetzes einen Passus zu Kooperationen ein. Dabei wird zwar die Legitimität der Zusammenarbeit mit anderen öffentlich-rechtlichen Sendern und privaten Dritten bestätigt. Zugleich wird der WDR dazu angehalten, dabei „zur Vorbeugung von Wettbewerbsverzerrungen“ diskriminierungsfrei vorzugehen und einen „Beitrag zur Meinungsvielfalt“ zu leisten.
Unter keinem guten Stern stand von Beginn an die nach ähnlichem Muster angelegte Kooperation des Südwestrundfunks mit der „Allgemeinen Zeitung“ in Mainz. Kaum waren im Oktober 2015 entsprechende Absichten ruchbar geworden, schlug die regionale Print-Konkurrenz Alarm. „Rechercheverbund von SWR und AZ – Meinungskartell oder Rohrkrepierer?“ titelte die Koblenzer „Rhein –Zeitung“ und zitierte aus einen SWR-internen Besprechungsprotokoll. Und dass „dem Vernehmen nach auch Journalisten des SWR Mainz“ alles andere als glücklich seien „mit der offenbar von höherer SWR-Ebene gewünschten Partnerschaft mit nur einem von vier großen regionalen Medienhäusern in Rheinland-Pfalz“. Tatsächlich erschien es nicht einsichtig, wieso der SWR eine Partnerschaft ausgerechnet mit der kleinsten der vier unabhängigen Zeitungen in der Region anstrebte – „Rheinpfalz“, „Rhein-Zeitung“ und „Trierischer Volksfreund“ erreichen jeweils deutliche höhere Auflagen.
In der Folge sah sich der SWR genötigt, rasch zurück zu rudern. Eine exklusive Recherchekooperation habe es nie gegeben. Der SWR sei allerdings daran interessiert, „mit Zeitungen aus seinem Sendegebiet, aber auch mit überregionalen Qualitätsmedien enger zusammenzuarbeiten“, teilte SWR-Sprecher Wolfgang Utz auf Anfrage mit. Dies geschehe jedoch lediglich „anlassbezogen“. So habe etwa „Report Mainz“ 2015 gemeinsam mit dem „Spiegel“ über Flüchtlingsgefängnisse in der Ukraine und über Tierquälerei in Zoogeschäften recherchiert und berichtet. Auch seien gemeinsame Recherchen mit der „Zeit“ in den ARD-Themenabend zum Waffenhandel im September 2015 eingeflossen.