Medienkonvergenz erfordert neue Geschäftskonzepte und eine funktionierende Infrastruktur. Doch beides ist eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Wie? Das wurde auf einer der weltgrößten Telekommunikationsmessen diskutiert: Der Anga Com in Köln. Auf der Kongressmesse für Breitband, Fernsehen und Online wird auch das neue Digitalministerium in die Pflicht genommen.
„Content, Streaming, Transformation” – unter diesen Schlagworten fand sich in der Domstadt eine illustre Runde hochrangiger Medienmanager*innen zusammen, um den Stand der Dinge zu besprechen. Ein Fazit zur aktuellen Situation stand schnell fest: Der Wettbewerb um Wachstum führt dazu, dass Sender und Streaminganbieter mit der Art ihrer Angebote und der technischen Übertragung immer mehr verschwimmen. Beispiel ProSiebenSat.1 – Gruppe und Streamer Amazon Prime: Beide produzieren gemeinsam die neueste Staffel von „Der letzte Bulle“. Dass dies eine ideale Partnerschaft sei, darüber waren sich Henrik Pabst, Geschäftsführer und Chief Content Officer bei der Seven.One Entertainment Group, und der Amazon Prime Country Director Christoph Schneider einig. Schneider selbst hat vor kurzem einen linearen Sender gestartet, Prime.
Nächstes Beispiel Sky-Deutschland: Chefin Elke Walthelm verteidigte in Köln die Einführung von Sky Stream, wo Free-TV, Apps, Mediatheken und Sky- Inhalte abrufbar sind. So möchten die Münchener weitere Zielgruppen hinzugewinnen. Die Abkehr von fiktionalen Produktionen beschrieb sie noch einmal als wichtige unternehmerische Entscheidung: „Wir investieren das Geld lieber in Projekte, mit denen wir einen Return of Invest erreichen.“ Dabei verwies sie auf zehn deutsche Eigenproduktionen für dieses Jahr, vor allem Reality-Formate.
Von Produktion bis Distribution
Akteure wie der Disney Konzern, die, angefangen von der Produktion bis hin zur Distribution in die Kinos, eigene TV-Sender und Streamingplattform, über eine eigene Verwertungskette verfügen, sehen sich indessen in dem immer härteren Wettbewerb um Zielgruppen und Angebote bestens aufgestellt. „Wir haben sieben Kinostudios und acht Fernsehstudios“, beschrieb die Country Managerin für Deutschland, Schweiz sowie Österreich Eun-Kyung Park auf der Anga die wirkungsvolle „Maschine“ des Megakonzerns.
Dass der umkämpfte Markt trotzdem noch Raum für Expansion bietet, dessen war sich der deutsche Vermarktungschef von WarnerBros. Discovery Matthias Heinze sicher. Er verwies auf das aktuelle Vorhaben seines Unternehmens: Den Start eines weiteren Streamers mit HBO Max im nächsten Jahr: „Wir launchen einen Service in einem Markt, der stark wachsend ist und sind uns sicher, viele Abonnenten zu finden.“ HBO Max sei nach dem Merger mit Discovery die logische Konsequenz, da nun auch viele Factual Inhalte zum Portfolio dazugekommen wären. Über eins war sich die Runde letztlich einig: Ein Umsatz – Wachstum in der Zukunft ist hauptsächlich nur durch ältere Zielgruppen zu erreichen.
Besserer Glasfaserausbau notwendig
Unabhängig davon, wie sich die Geschäftsmodelle und das Nutzungsverhalten in der digitalen Welt nun weiterentwickeln werden, wird die Datennutzung weiter drastisch steigen, auch das war Konsens während der Messe. Dafür ist aber ein Leistungsstarkes Kommunikationsnetz die Grundvoraussetzung, doch in Deutschland gibt es noch, vorsichtig ausgedrückt, Wachstumspotenzial. Und so mahnte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst direkt zu Beginn des internationalen Telco- Treffs mit deutlichen Worten zu mehr Zusammenarbeit in der föderalen Politikstruktur, wenn es um die Digitalisierung Deutschlands geht: „Wenn jetzt jeder so vor sich ‚hinprutscht‘ wie bisher, dann wird das nicht gelingen.“ Der CDU-Politiker machte in der Domstadt deutlich, dass er dafür auch ohne zu zögern Kompetenzen abgeben würde.
Ausbau der Hochgeschwindigkeitsnetze
Begrüßt wurde dieser Vorschlag auf dem folgenden Gigabitgipfel unter der Fragestellung „Was muss sich in Deutschland nach der Wahl ändern?“ „Das ist eine wichtige und richtige Entscheidung, um die Digitalisierung zu zentralisieren“, pflichtete etwa Netcologne-Geschäftsführer Timo von Lepel dem Ministerpräsidenten bei. Dass Deutschland „im internationalen Vergleich noch Geschwindigkeit aufnehmen darf“, dass räumte die Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur Daniela Brönstrup ein. Der Geschäftsführer von Deutsche Glasfaser Andeas Pfisterer verwies dabei auf Dänemark als „absolutes Vorbild“: „Wenn wir eine digitale Verwaltung wie in Dänemark hätten, könnten bei uns mindestens 100 Milliarden Euro mehr an Wirtschaftsleistung erbracht werden.“
Eine weitere Herausforderung beim Ausbau der Hochgeschwindigkeitsnetze hat bereits Tradition. Wann wird der Telekommunikations -„Monopolist“ Deutsche Telekom sein altes Kupfernetz abschalten, um dem Glasfaserausbau, der als notwendig für die Einrichtung eines Hochgeschwindkeitsnetzes angesehen wird, Raum zu geben? Einladungen zu diesem Panel hatten Verantwortliche des Bonner Konzerns nicht angenommen. Ob und wie die Telekom hier also zukünftig reagieren wird, bleibt also nach wie vor offen. Von daher sah Brönstrup die Notwendigkeit ihrer Regulierungsbehörde auch für die Zukunft gegeben: „Ich sehe nicht, dass wir überflüssig sind.“ Insofern hatten alle Diskussionsteilnehmer hohe Erwartungen an das neugeschaffene Digitalministerium. „Ich hoffe, es wird ein Tiger und kein Bettvorleger“, brachte Pfisterer die Hoffnungen der Runde auf den Punkt.