Wieder Terrain gewinnen

Gemeinsame Tarifrunde: Zum Lohn-Dumping keine Hand reichen

„Tarifverträge sollen Mindestbedingungen schaffen. Es fallen jedoch immer weniger Arbeitsverhältnisse in den Medienunternehmen unter Flächen- und Haustarifverträge. Nur dort, wo unsere Kolleginnen und Kollegen sich mit aller Entschlossenheit organisieren, werden wir die Arbeitgeber zum Abschluss von Verträgen zwingen.“ Es könne nicht mehr mit der automatischen Verlängerung gerechnet werden, die Tarifarbeit sei „vom Kopf auf die Füße gestellt“ und eine „größere Herausforderung als in der Vergangenheit“.

Diese Einschätzung stellte ver.di-Medien-Tarifsekretär Matthais von Fintel an den Anfang seines tarifpolitischen Referats. Die Entwicklung zeuge seit etwa zehn Jahren davon, dass traditionelle Geschäftsmodelle „rückläufig“ seien. Neue setzten vor allem auf eine Umverteilung des begrenzten Marktes. Ziel der Unternehmen sei es, ein Konsumentenbedürfnis zu befriedigen, „maßgeschneiderte Angebote so günstig wie möglich und jederzeit differenziert nutzen zu können“. Qualität journalistischer Arbeit bilde dabei die entscheidende Abgrenzung zum wachsenden „usergenerated content“.
Die Spezifik des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dem veränderten Finanzierungsmodell einer Haushaltsabgabe bringe die Sender unter immensen Erwartungsdruck und führe feste und freie Beschäftigte an Grenzen des Leistbaren. In den Tarifrunden bemühe sich ver.di seit geraumer Zeit, ein höheres Maß an Abstimmung zwischen den Sendern bei gleichzeitiger Autonomie der jeweiligen Tarifforderungen zu erreichen. Es sei weiter „Phantasie bei der Mobilisierung in den Sendern“ gefragt, wobei Fintel von „ambitionierten Forderungen“ in der anstehenden Vergütungsrunde ausging und als Ziel setzte, „keine Einbrüche zu dulden“.
Beim privaten Rundfunk bleibe ver.di zwar weiterhin Tarifpartner, es müsse aber davon ausgegangen werden, dass die Breite der Sender von Tarifabschlüssen „nicht erreicht“ werde. Da gelte es, „wieder Terrain zu gewinnen“.
Im Filmbereich seien zwei Sparten zu unterscheiden. Für die Festangestellten in filmtechnischen Betrieben sei es gelungen, mit dem Verband VTFF einen Flächentarifvertrag abzuschließen. In der vorletzten Tarifrunde wurde zudem ein Entgelttarifvertrag für ein breites Spektrum unterschiedlicher Firmen entworfen, der ein qualitatives Eingruppierungssystem umfasse. Das sei nicht einfach umzusetzen gewesen, erweise sich aber als „innovative Neuerung der Tarifarbeit“.
Für die projektbezogen arbeitenden Filmschaffenden versuche man tariflich auch Sozialversicherungsprobleme und die Verschlechterung der Produktionsbedingungen aufzufangen. Die Regelung von Maximalarbeitszeiten habe einen deutlich zeitkritischeren Umgang bewirkt. Mit dem Abschluss eines ergänzenden Tarifvertrages für Filmurheber und Schauspieler sollten endlich auch zusätzliche Vergütungsansprüche bzw. Gagenregelungen durchgesetzt werden. Das setze jedoch alternative Mobilisierungsformen und Unterstützung von außen voraus.

Tarifrückbau verhindern

Atypische Beschäftigungsverhältnisse prägten auch den Kinobereich, wo zudem „2010 ein weniger gutes Kinojahr“ gebracht habe. Dennoch zeigte sich der Tarifsekretär optimistisch, dass es in der bevorstehenden Runde wieder zum Abschluss eines Flächentarifvertrages mit dem HDF und zu unternehmensweiten Haustarifverträgen kommen werde. In manchen Ketten, etwa bei CineStar, dürften Mindestregelungen weiter auf sich warten lassen. Dem Risiko des Arbeitsplatzabbaus durch die Digitalisierung der Leinwände könne allerdings nur tarifvertraglich entgegengetreten werden.
In der laufenden Tarifrunde bei Zeitungen und Zeitschriften, einer „Haupttarifrunde“ in diesem Jahr, zögen Gewerkschaften und Arbeitgeber aus der zugespitzten Branchenentwicklung „diametral andere Schlüsse“, erklärte Matthias von Fintel. In einem Exkurs ging der Referent auf die seit einem Jahr geltenden Vergütungsregeln für Freie an Tageszeitungen ein. Regelungen für freie Zeitschriftenjournalisten und Fotografen stehen bekanntlich aus. Es bleibe eine wichtige Aufgabe der dju, die Schaffung und Einhaltung solcher Branchenregelungen mit der „Fair-Pay-Kampagne“ durchzusetzen. In der Tarifrunde für die Festangestellten sei die Verlegerseite mit der „klaren Kampfansage des Tarifrückbaus“ angetreten. Die geforderten massiven Verschlechterungen in einem „Tarifwerk 2“ bedeuteten Einbußen bis zu einem Viertel und damit Tarifdumping. „Dafür werden wir als Gewerkschaften nicht die Hand reichen“, betonte von Fintel. Für den Zeitschriftenbereich fordere der VDZ ein verringertes Urlaubsgeld, längere Arbeitszeiten und eine Verschlechterung der Presseversorgung. Ziel der dju in den Tarifrunden sei es vielmehr, echte Tariferhöhungen gegen den seit Jahren zu beklagenden Reallohnverlust durchzusetzen. Es gehe darum, die Würde von Journalisten zu wahren, was ein Eintreten für Leiharbeiter und Pauschalisten mit der Forderung nach „Equal Pay“ einschließe. Auch in den anstehenden Tarifrunden für die Verlagsangestellten und in den Druckereien gäbe es „fast gleichlautende Kampfansagen“ von den Arbeitgebern, etwa durch Verschlechterung von Besetzungsregelungen und Arbeitszeitverlängerung. „Gute Gründe für eine gemeinsame Tarifrunde“ seien also gegeben.
In der anschließenden Debatte forderte Ulrich Schreyer (Baden-Württemberg) ein „Ende der Bescheidenheit“. Die dju solle „nicht nur einen Abwehrkampf führen“, sondern offensiv mit Qualitätskriterien punkten. Dafür Verbündete in den DGB-Gewerkschaften zu finden, warb Georg Escher (Bayern). Renate Gensch (Berlin) forderte, die Leser, Hörer, Zuschauer über berechtigte Tarifforderungen zu informieren und einzubeziehen. Birgit Harprath (Bayern) betonte die gewerkschaftliche Herausforderung, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk strukturelle Gräben zwischen Freien und Festangestellten zu überbrücken, um gemeinsam Tarifforderungen durchzusetzen.

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