„Gimme five“

Tarifaktion in Fassenachtszeiten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Mit Aktionen in allen Rundfunkanstalten hat ver.di am 15. Februar in den Anstalten der ARD, bei der Deutschen Welle und im ZDF den Startschuss für die Tarifkampagne 2011 gegeben.

In Deutschland läuft die fünfte Jahreszeit – die Narren schunkeln bei Fassenachtssitzungen und erobern die Bildschirme. Anleihen bei karnevalistischen Traditionen nehmen auch manche Aktionen, mit denen ver.di auf die Tarifrunde 2011 im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufmerksam macht. Dabei ist der Anlass alles andere als komisch. Die Gehaltstarifverträge sind in allen Häusern gekündigt. Bundesweit fordert ver.di eine Anhebung der Gehälter und Honorare um fünf Prozent im Volumen. Diese – im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbranchen – maßvolle Forderung stößt sogar auf Zustimmung der großen Politik: Wirtschaftsminister Brüderle hält „kräftige Lohnerhöhungen“ für möglich und sogar die Kanzlerin signalisiert Zustimmung.
Die Arbeitgeber, die verhandeln sollen, sehen das jedoch anders. Die Länder haben Gespräche für den öffentlichen Dienst vertagt. Und die Rundfunkanstalten wollen erst nach einem Abschluss der Länder verhandeln Eine jahreszeitlich bedingte Erklärung für diese Untätigkeit haben die verdi-Kolleginnen und Kollegen beim MDR: man vermutet die Geschäftsleitung noch im Winterschlaf. Mit einem „1. Weckruf“ heizte ver.di deshalb der MDR-Spitze ein.
Böse Wintergeister vertreibt man im Fasching gern mit Verkleidung: Also zogen sich beim WDR ver.di-Kollegen Günter-Jauch-Masken auf und verteilten ihre Flugblätter. Millionär wird man auch nach einer eventuellen Gehaltserhöhung nicht – aber Günter Jauch soll bei der ARD ja eine Talkrunde moderieren und eben das will ver.di mit seiner Aktion erreichen: Gesprächsbereitschaft.
Fassenachtlicher Frohsinn herrschte auch rheinaufwärts, in Mainz. Hier feiert man die politisch-literarische Fassenacht, und so hatte ein Witzbold spontan gereimt: „Zwei Jahre war der Lohn stabil – jetzt muss er steigen, und zwar viel“ stand auf einem der großen Papierwürfel, die ver.di im ZDF-Sendezentrum aufgestellt hatte. Auf der „Schnitzelpiste“ – so heißt der Übergang von den Redaktionsgebäuden ins Casino – sammelten die ver.dianer (gemeinsam mit dem DJV) Unterschriften. In nur drei Stunden dokumentierten über 1.000 Kolleginnen und Kollegen ihre Unterstützung der ver.di-Forderung nach „gimme five“.
In vielen Senderverbänden wurde die Aktion zugleich zur Mitgliederaktivierung genutzt. Per E-Mail forderte ver.di im ZDF die Mitglieder auf, Flagge zu zeigen: „Fünf für Fünf“ hieß das Motto, mit dem alle Mitglieder in ihrem Arbeitsumfeld fünf Unterschriften zur Unterstützung der ver.di-Forderung nach fünf Prozent Gehaltserhöhung sammelten. Da die Unterschriftenlisten en miniature beigefügt waren, trafen in der verdi-Geschäftsstelle am Lerchenberg per Fax minütlich neue Solidaritätsbekundungen ein. Unterstützung gab es sogar von der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen. Hier interpretierten die Kolleginnen und Kollegen das sportliche Motto „höher, schneller, weiter“ kurzerhand um: „höhere Gehälter, schnelle Verhandlungen, und weiter so mit der Vertretung der Arbeitnehmerinteressen“. Nicht nur in den Alpen trotzte ver.di Eis und Schnee – auch an der Küste harrten die Kolleginnen und Kollegen bei Kälte und Blitzeis aus und verteilten Flugblätter in Hamburg und in den NDR-Landesfunkhäusern in Kiel, Schwerin und Hannover.
Am wohltemperierten ver.di-Stand in Mainz bestand derweil die Möglichkeit zum regen Meinungsaustausch ernsthafter und weniger ernsthafter Art. Da konnten zum einen Fragen zu anderen Tarifthemen gestellt werden. Die Hitliste der nicht ganz so ernsthaften Themen führte die Frage an: „Bekomme ich eine doppelte Erhöhung, wenn ich zweimal unterschreibe?“ Bekommt man nicht, aber wer einen zweiten Unterzeichner oder gar ein neues Mitglied wirbt, der kann viel dafür tun, dass es mit der Gehaltserhöhung etwas wird.
„Im ZDF wirbt eine Konkurrenzgewerkschaft mit billigen Beiträgen. Wir haben mit unserer Aktion den Mitarbeiter/innen deutlich gemacht, wer die Tarifarbeit im ZDF macht“, erklärt Werner Ach, verdi-Betriebsgruppenvorsitzender und Verhandlungsführer bei den Tarifgesprächen. Und auch im WDR stellte die ver.di-Vorsitzende Irmgard Galonska im Rundschreiben an alle heraus: „Beim letzten Mal – 2009 – haben wir einen guten Abschluss erreicht, und das lag vor allem an der großen Unterstützung aus der Belegschaft.“ Von den Kollegen der ARD /ZDF medienakademie gab es Saures in Verbindung mit Süßem. Als symbolischen Gehaltsvorschuss versüßte ver.di bei einem Gang durch die Büros mit einem fassenachtlichen Krapfen/Kreppel/Berliner den Kollegen/innen den Tag.
Fazit der Aktion: Die Leitungen der Rundfunkanstalten wissen nun um die breite Unterstützung, die die Tarifforderungen von ver.di in der Belegschaft findet. Die ver.di-Mitglieder haben Flagge gezeigt: für ihre Interessen und für ihre Gewerkschaft. Nun hoffen verdianer an der Küste und in Köln, in Mainz und beim MDR, im Saarland und beim SWR, dass es endlich losgeht. Vielleicht hilft ja auch hier eine alte Fassenachtsweisheit: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ – die Verhandlungen wohl nicht, aber wenigstens die Zeit des Abwartens. Erste Anzeichen gibt es. Bei der Übergabe der Unterschriftenliste an den ZDF-Verwaltungsdirektor Hans Joachim Suchan signalisierte dieser Gesprächsbereitschaft. Am 15. März sollen erste Sondierungsgespräche stattfinden.

Weitere aktuelle Beiträge

Mit föderaler Förderung

In Niedersachsen gibt es erstmals eine Förderung von Qualitätsjournalismus aus Steuergeldern des Bundeslandes. In einer ersten Förderrunde hat die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) jüngst Gelder vergeben. 19 Medienunternehmen erhielten insgesamt rund 53.000 Euro, wie die NLM mitteilte. Damit werden nun Projekte zur Aus- und Fortbildung finanziell unterstützt. Doch wie sieht es in den anderen Ländern aus?
mehr »

Digitalabgabe könnte Schieflage ausgleichen

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt die vom Staatsminister Wolfram Weimer geäußerten Pläne für eine Digitalabgabe, die Big-Tech-Unternehmen mit digitalen Plattformdiensten in Deutschland zu entrichten hätten. Wie unter anderem der Spiegel berichtet, überlegt die Bundesregierung, eine Digitalabgabe einzuführen. Diese könnte Unternehmen wie Google und Meta dazu verpflichten, einen festen Prozentsatz ihrer Werbeeinnahmen abzuführen.
mehr »

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »

Die ganz große Verweigerung

Der  öffentlich-rechtliche Rundfunk war schon immer Hassobjekt der Rechten. Auf politischer Ebene wollen sie ihn abschaffen, am Stammtisch wird gegen ARD und ZDF gehetzt. In Sozialen Medien oder in Chatgruppen geht es richtig zur Sache. Dort treffen sich sogenannte Rundfunkverweigerer. Ralf Hohlfeld und Vivian Stamer beschäftigen sich an der Uni Passau mit den Bereichen Journalistik und Strategische Kommunikation. Für ihre Studie haben sich die beiden auf die Suche nach sogenannten Rundfunkverweigerern gemacht.
mehr »