DW aufgabengerecht finanzieren

Interview mit Prof. Dieter Dörr, Direktor des Instituts für Europäisches Medienrecht, Saarbrücken

  • Staatsminister Naumann ist der Auffassung, die Deutsche Welle habe nicht automatisch einen verfassungsmässigen Anspruch auf staatliche Finanzierung. Sie haben ihm an diesem Punkt widersprochen…
    Dörr: Ich habe deshalb widersprochen, weil die Deutsche Welle eine unabhängige Rundfunkanstalt ist, die Trägerin des Grundrechts der Rundfunkfreiheit ist. Daraus folgt, daß sie einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf funktionsgerechte Finanzierung hat. Der Deutschen Welle sind also die Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt. Dieser Satz allein hilft ja noch nicht sehr viel weiter, denn wie soll man das errechnen? Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einem anderen Zusammenhang, als es um die Landesrundfunkanstalten ging, in seinem berühmten Gebührenurteil damit eingehend beschäftigt. Es hat gesagt, weil dies nicht einfach so zu errechnen ist, muß man eine verfahrensmäßige Lösung wählen. Das heißt, weder der Staat noch die Rundfunkanstalt können jeweils allein über die Höhe der Mittel bestimmen. Die Rundfunkanstalt nicht, weil sie staatsunabhängig sein, staatsfern organisiert sein soll. Die Anstalt natürlich auch nicht, denn sonst bekäme sie das, was immer sie haben möchte.
  • Wo also liegt die Lösung?
    Dörr: In einem gestuften Verfahren. Das heißt, man muß von den Aufgaben der Rundfunkanstalt ausgehen, die ja der Staat durch seine Gesetzgebung mitbestimmt. Der Gesetzgeber hat formuliert, was die Aufgaben der Deutschen Welle sind. Man braucht zweitens eine unabhängige Kommission, die auf der Grundlage der Aufgaben und der Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalt diese kritisch überprüft. Dabei soll sie nicht in die Programmhoheit eingreifen, sondern prüfen, ob sparsam gewirtschaftet wurde, ob es bestimmte Einsparungsmöglichkeiten gibt, ob richtig gerechnet wurde. Und dies muß dann der Haushaltsgesetzgeber letztlich umsetzen.
  • Ist damit das Gebot der Staatsunabhängigkeit schon erfüllt?
    Dörr: Nicht ganz. Der Gesetzgeber könnte ja, und das ist in der Tendenz hier geschehen, sagen: An sich benötigt ihr für eure Aufgaben so viel, aber aus Einspargründen bekommt ihr jetzt einfach mal 50 Millionen Mark weniger. Dies kann nicht der Weg sein, den man bei einer staatsunabhängigen Rundfunkanstalt geht. Sondern dort muß man entweder die Aufgaben anders gestalten, oder man muß sich Gedanken machen, ob man überhaupt eine Deutsche Welle haben will. Ich würde sagen, diese Frage wird die Bundesregierung im wohlverstandenen Interesse mit ja beantworten müssen, weil Auslandsrundfunk im Interesse Deutschlands ungeheuer wichtig ist. Wenn man dies aber will, muß man auch aufgabengerecht finanzieren. Und das heißt auch nicht einfach von Jahr zu Jahr, sondern wie bei den Landesrundfunkanstalten auch über eine gewisse Periode, die der Rundfunkanstalt Planungssicherheit gibt, und die eine funktionsgerechte und auch ordnungsgemäße Aufgabenplanung ermöglicht.
  • Könnte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten KEF auch bei der DW tätig werden?
    Dörr: Das halte ich für eine schlüssige Lösung und vor allem für eine Lösung, die nicht eine neue Kommission notwendig macht. Wir haben die sachkundig zusammengesetzte KEF, die sich seit Jahrzehnten mit dieser Aufgabe beschäftigt. Früher leistete sie dies als reine Beratungskommission, seit dem Gebührenurteil auch als eine Kommission, die mitentscheidet über die Gebührenhöhe. Sie könnte natürlich auch den Finanzbedarf der Deutschen Welle in gleicher Weise ermitteln und überprüfen, auf der Grundlage der Anmeldung der Deutschen Welle. Dann hätten wir ein objektives Verfahren, und dann hätten wir auch die Deutsche Welle in ihrer Staatsferne und Programmautonomie ganz deutlich gestärkt.


    • Interview: G. Herkel

Weitere aktuelle Beiträge

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »

RBB: Nach- und Neubesetzungen

Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) wird es voraussichtlich im Herbst eine neue Leitung der Programmdirektion geben. Es gehe darum, dann die Neubesetzung mit dem eingeleiteten Konsolidierungs- und Reorganisationsprozess aufeinander abzustimmen, erklärte der RBB auf Anfrage. Damit wird es keine schnelle Nachbesetzung der Programmdirektorenstelle geben.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »