Rassenhass auf CDs – von Pressegesetzen geschützt?

Bayern und Niedersachsen ändern Landespressegesetze


„Mordlust, ich hab‘ Spaß am Töten, ich hab‘ Mordlust, Mordlust du liegst am Boden und rührst dich nicht, doch das ist mir egal und spring‘ dir ins Gesicht…“


Solche Texte produziert die Skinhead-Band „Zensur“ aus Rheinland-Pfalz. Songs anderer Bands mit Namen wie „Gestapo“, „Faustrecht“ oder „Wotans Krieger“ sind ebenso widerwärtig. Sie werden inDeutschland auf CDs verbreitet und finden reißenden Absatz. „Auffällig ist, dass die verkauften und produzierten Stückzahlen der CDs weit über der Zahl der dem Verfassungsschutz bekannten Skinheads und Neonazis liegen“, stellt Hans-Rüdiger Hesse vom niedersächsischen Verfassungsschutz fest.

Verkauft werden die Scheiben über Versandfirmen, bei Skinhead-Konzerten aus dem Kofferraum heraus oder unter dem Ladentisch. Die Beliebtheit der CDs mit Skinhead-Musik steigt, und entsprechend steigt auch der Handel und der Profit. Denn CDs mit rassistischen oder gewaltverherrlichenden Texten lassen die Kassen klingeln. Die Produktionskosten für eine CD liegen einschließlich Cover bei drei bis fünf Mark. Verkauft werden sie aber für 30 Mark pro Stück. Die produzierten Auflagen bewegen sich etwa bei 10000 je CD. Die Zahl der Skinhead-Konzerte stagnierte vor drei bis vier Jahren. Jetzt steigt sie wieder an. Über 100 solcher einschlägiger Musikevents sind 1999 bekannt geworden. Die Teilnehmerzahlen liegen zwischen 200 und 800, manchmal auch noch darüber. Solche Veranstaltungen werden konspirativ organisiert.

Gewaltbereitschaft und Militanz in den Reihen der Skinheads wird eindeutig durch die gewaltverherrlichende Texte der Songs gefördert. „Wir stellen immer wieder fest, dass es nach dem Hören von CDs oder nach dem Besuch von Skinhead-Konzerten zu Straftaten wie Körperverletzung gegenüber Ausländern kommt“, sagt Hans-Rüdiger Hesse.

Produziert werden die meisten CDs in Nordeuropa und gelangen von dort auf konspirativen Wegen in die Bundesrepublik.

Fast wöchentlich taucht irgendwo eine neue Vertriebsfirma auf. Zu den Marktneulingen gehört zum Beispiel der Sol-Invictus-Versand (unbesiegbare Sonne) aus Burscheid, den ein Aktivist der „Jungen Nationaldemokraten“ betreibt. Er hat „Hatecore“-CDs von Gruppen wie „Hauptkampflinie“, „Leitwolf“, „Panzerfaust“ oder „Sprengkommando“ im Angebot. Auch der „Tonträger- und Textilvertrieb“ (TTV) in Zarrentin (Mecklenburg-Vorpommern) oder der „Vertrieb und Handel Freiheitswille“ in Eberswalde sind seit kurzem im Geschäft.

Immer wieder werden große Stückzahlen von CDs mit strafbaren Texten beschlagnahmt. 1997 wurden bei der Aktion „Notenschlüssel II“ 46300 CDs sichergestellt. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat das EK „Thor“ am 4. 2. 1998 unter Leitung der Staatsanwaltschaft Bochum sechs Projekte durchsucht und 1000 CDs sichergestellt. Dabei ging es um den Mjölnir Versand in Herten.

Im Januar 1999 wurden 22 Wohnungen vom Niederrhein bis ins Ruhrgebiet vom EK „Odin“ durchsucht. Dabei wurden neben CDs auch eine Kundenliste sichergestellt. Die Aktion richtete sich gegen den Ohrwurm Versand in Hasslinghausen. Dieser Versand gehört zu den Firmen mit dem größten Angebot für Skinheads und Neonazis, unter anderem CDs vonBands wie „Freikorps“, „Kahlkopf“ oder „Triebtäter“.

Zu einer Verurteilung von Produzenten und Händlern kommt es aber eher selten. Neonazis berufen sich bei der Verbreitung von CDs mit strafbaren Inhalten immer wieder auf geltende Landespressegesetze. Die CDs sind nämlich „Musikalien mit Text“ und fallen damit unter die Pressegesetze der einzelnen Länder. Dadurch gelten für sie dieselben Verjährungsfristen wie für andere Druckwerke auch. Das heißt, dass Straftatbestände bereits nach sechs Monaten verjährt sind.

Die Verjährungsfrist beginnt schon am ersten Tag des Verkaufs. Wer mit CDs mit gewaltverherrlichenden oder volksverhetzenden Texten handelt, weiß das meistens ganz genau.

Wenn also nicht fast täglich Strafverfahren eingeleitet werden, kann es sehr schnell passieren, dass Neonazis, die rassistische, antisemitische oder zu Straftaten auffordernde Texte verfassen, straffrei bleiben.

Nikolaus Borchers von der Staatsanwaltschaft Hannover sagte dem Fernsehmagazin Panorama, dass eben bei CDs wie „Zyklon B“, „Zillertaler Türkenjäger“ oder „Northeim Vol. 1“ die Verjährung eine Strafverfolgung nicht mehr möglich machte, obwohl sie noch in letzter Zeit verbreitet wurden. Und dies hält er für frustrierend. So wurden am 27. Januar 2000 im Wagen des Rechtsextremisten Thomas K. nach einem Kameradschaftsabend in Northeim 104 CDs diverser Skinbands in Stückzahlen von bis zu jeweils fünf Exemplaren gefunden und sichergestellt. Ob aber die Verbreitung der Neonazi-Musik strafbar ist oder nicht, hängt vom Datum der Erstverbreitung ab. Staatsanwalt Borchers hat Anhaltspunkte dafür, dass ganz bewusst auf den Aufdrucken bei strafbaren CDs ein früherer Zeitpunkt genannt wird, um den Eindruck zu erwecken, dass sie zum Beispiel schon 1997 erschienen sind, so dass die sechs Monate längst abgelaufen sind.

Deshalb haben Bayern und Niedersachsen im Februar 2000 das Landespressegesetz geändert. Jetzt ist bei den §§ 130 und 131 StGB (Volksverhetzung und gewaltverherrlichende Darstellungen) die kurze Verjährungsfrist aufgehoben. Somit ist über ein halbes Jahr hinaus eine Strafverfolgung möglich.

In einigen Bundesländern sind jetzt schon Vergehen gegen § 131 (Gewaltdarstellung) von der sechsmonatigen Verjährung ausgenommen. In Schleswig-Holstein gilt die kurze Frist nur für periodische Druckwerke, wozu solche CDs nicht gehören.

Es könnte aber auch noch eine andere Möglichkeit geben, wie dieser skandalöse Zustand der Straffreiheit für solche Neonazi-Täter beendet werden kann. Viele Skinhead-CDs werden unter dem Ladentisch und über konspirative Wege verbreitet. Insofern ist die Frage, ob überhaupt eine Verbreitung im Sinne des Pressegesetzes gegeben ist. Im Falle einer Nichtverbreitung eines Druckwerks gilt nach Ansicht des Bundesgerichtshof auch nicht die sechsmonatige Verjährung.

Die kurze Verjährung wird nur deshalb als Presseprivileg gewährt, weil Presseverstöße in der Regel mit dem Erscheinen eines Druckwerks in Hunderten oder Tausenden von Exemplaren offen zutage treten, so dass sie für jedermann erkennbar sind. Infolge der Offenkundigkeit können sie von den Behörden unverzüglich verfolgt werden. Die von einer Pressepublikation Betroffenen könnten sich alsbald juristisch zur Wehr setzen. Darin liegt der Zweck der kurzen Verjährungsfrist.

Nun ist aber die Frage, ob diese Offenkundigkeit bei einer konspirativen Erstverbreitung bzw. einer Verbreitung lediglich unter wenigen Skinheads auf geheimen Vertriebswegen überhaupt gegeben ist oder nicht von einer fehlenden Verbreitung im Sinne der Pressegesetze ausgegangen werden muss. Hier scheinen die juristischen Mittel noch nicht ausgeschöpft.

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