Eine positive Bilanz der Aktionen für verfolgte Journalistinnen und Journalisten
Auf den ersten Blick mag es für einige sinnlos erscheinen, zu Gunsten von inhaftierten oder bedrohten Kollegen Briefe an Regierungsbehörden zu schreiben. Die Bilanz der gemeinsamen monatlichen Protestaktionen von IG Medien und amnesty international aus dem vergangenen Jahr müsste sie eines besseren belehren.
Im Februar dieses Jahres war der russische Journalist Andrej Babitzki für viele bereits tot. Zu diesem Zeitpunkt war der Kriegsreporter, der für „Radio Liberty“ engagiert aus Tschetschenien berichtet hatte, bereits seit einigen Wochen „verschwunden“ (siehe M 3/2000). Auch eine für die Medien inszenierte Übergabe des Gefangenen an tschetschenische Rebellen führte nicht dazu, dass er wieder auftauchte. Doch der öffentliche Druck auf die russische Führung ließ nicht nach. Anfang März wurde Babitzki schließlich freigelassen. Man kann nur spekulieren, was mit ihm passiert wäre, wenn nicht Journalistenverbände, Menschenrechtsorganisationen und Regierungen kontinuierlich nach Babitzkis Schicksal gefragt hätten. Sicher ist jedoch, dass öffentlicher Protest verfolgten Menschen helfen kann, weil die Verantwortlichen spüren, dass ihr Tun misstrauisch beäugt wird.
Das galt auch für Babitzkis Landsmann Grigory Pasko. Der Journalist und Marineoffizier hatte 1993 gefilmt, wie die russische Marine radioaktiven Abfall ins Meer kippte und war daraufhin angeklagt und sechs Jahre später in einem Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit zur vergleichsweise milden Strafe von „nur“ drei Jahren Haft verurteilt worden. Wegen der internationalen Proteste kam er umgehend auf freien Fuß. Wie auch Babitzki dankte Pasko für die Unterstützung, die ihm aus aller Welt zuteil wurde. Doch Pasko ist in seiner Freiheit noch immer stark eingeschränkt: Er kann nicht arbeiten, weil seine Papiere beschlagnahmt wurden. Auch sein Offiziersgehalt erhält er nicht, zudem muss er mit der baldigen Wiederaufnahme seines Verfahrens rechnen. Pasko hat bis heute seinen Pass noch nicht wieder ausgehändigt bekommen.
Grigory Pasko ist nicht der einzige, dessen Freilassung inzwischen erwirkt werden konnte. Auch der Kameruner Michel Michaut Moussala, der Kenianer Tony Gachoka und der aus Dschibuti kommende Moussa Ahmed Idriss wurden, kurz nachdem ihre Schicksale in der „M“ veröffentlicht und Kolleginnen und Kollegen für sie aktiv wurden, freigelassen.
Erfolge gab es auch in anderen Fällen: Die beiden simbabwischen Redakteure Mark Chavunduka und Ray Choto zum Beispiel konnten mittlerweile aus dem Londoner Exil in ihre Heimat zurückkehren und ihre journalistische Tätigkeit wieder aufnehmen. Und andere Kollegen, die Drohungen erhalten hatten, sendeten jedenfalls keine neuen Hilferufe an amnesty international, so dass der öffentliche Druck ihnen hoffentlich etwas mehr Schutz gewährt hat – auch wenn hier die Erfolge nicht so leicht messbar sind wie nach einer Haftentlassung.
Die Schicksale der in der „M“ vorgestellten Kolleginnen und Kollegen im Einzelnen
Der kamerunische Journalist Michel Michaut Moussala („M“ 1-2/ 99), der in Zeitungsartikeln die Korruption im Land kritisiert hatte, wurde auf Anordnung eines Berufungsgerichtes nach der Hälfte seiner Haftzeit vorzeitig freigelassen. Über eine ursprünglich angekündigte zweite Entscheidung des Berufungsgerichts ist amnesty international nichts bekannt; Moussala ist weiterhin auf freiem Fuß.
Der russische Journalist und Marineoffizier Grigory Pasko („M“ 3/99) wurde im Juli vergangenen Jahres aus der Haft entlassen. Vom ursprünglichen Vorwurf des „Landesverrats“ rückte das Gericht ab und ordnete Paskos Freilassung an, weil er bereits 18 Monate in Untersuchungshaft verbracht hatte.
Die beiden simbabwischen Journalisten Mark Chavunduka und Ray Choto („M“ 4/99), die im Januar vergangenen Jahres festgenommen und gefoltert wurden , sind gegen Zahlung einer Kaution freigekommen. Sie haben sich in London einer medizinischen Behandlung unterzogen. Anfang Mai kehrten sie nach Simbabwe zurück, um an einer gerichtlichen Anhörung teilzunehmen. Beide haben inzwischen ihre Arbeit als Journalisten wieder aufgenommen. Mark Chavunduka ging mittlerweile für neun Monate zwecks Fortbildung an die Harvard Universität in den USA. Ray Choto wurde zum Generalsekretär der „Vereinigung Unabhängiger Journalisten Simbabwes“ gewählt.
Der türkische Journalist Bayram Namaz („M“ 5/99), der auf einer Pressekonferenz des türkischen Menschenrechtsvereins IHD bekannt gemacht hatte, dass sein Kollege Süleyman Yeter an den Folgen der Folter in der Haft gestorben war, befindet sich weiter auf freiem Fuß, hält sich jedoch wegen massiver Drohungen noch immer versteckt. Die Verfahren gegen die Polizisten, die Yeter 1997 gefoltert und 1999 getötet haben, laufen noch.
Über neue Drohungen gegen die mexikanische Journalistin Carina Ochoa („M“ 6/99) ist amnesty international nichts bekannt. Die Redakteurin des politischen Kulturmagazins „La Guillotina“ erhielt im April vergangenen Jahres Morddrohungen, nachdem ihre Redaktion über die Befreiungsbewegung in Chiapas berichtet hatte.
Weitere tätliche Angriffe gegen den tunesischen Journalisten und Menschenrechtler Taoufik Ben Brik („M“ 7/99) sind nicht bekannt geworden. Allerdings hat er weder Polizeischutz erhalten noch ist einer der beiden Anschläge auf ihn und seine Familie untersucht worden.
Die beiden peruanischen Journalisten Gustavo Mohme Llona und Edmundo Cruz („M“ 8-9/99) sind nach wie vor gefährdet. Sie hatten nach Artikeln über Korruption Morddrohungen erhalten. Maßnahmen zu ihrem Schutz und zur Wahrung der Pressefreiheit wurden jedoch bislang von den peruanischen Behörden offenbar nicht getroffen.
Der kenianische Journalist Tony Gachoka („M“ 10/99) wurde am 3. November 1999 nach internationalen Protesten von Staatspräsident Daniel Arap Moi begnadigt und nach nur zweieinhalb Monaten in der Haft freigelassen. Er hatte Anfang 1999 den kenianischen Justizbehörden Korruption vorgeworfen. Ursprünglich war er in einem unfairen Prozess zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe wegen „Missachtung des Gerichts“ verurteilt worden.
Der Journalist und Oppositionsführer Moussa Ahmed Idriss und seine Kollegen Ali Meidal Wais und Daher Ahmed Farah aus dem ostafrikanischen Dschibuti („M“, 11/99) sind nach ihrer Begnadigung durch Staatspräsident Ismael Omar Guelleh am 7. Dezember aus der Haft entlassen worden. Sie waren am 2. September 1999 in einem Schnellverfahren für schuldig befunden worden, durch Verbreitung falscher Nachrichten zur Demoralisierung der Armee beigetragen zu haben. Ali Meidal Wais bedankte sich nach seiner Freilassung bei ai und den „Reportern ohne Grenzen“ für die Unterstützung.
Über das Schicksal des inhaftierten chinesischen Journalisten und Gewerkschaftlers Liu Jingsheng („M“ 12/99), dessen Entlassung erst für den 27. Mai 2007 vorgesehen ist, ist nichts Neues bekannt geworden. Liu Jingsheng war 1994 wegen „konterrevolutionärer Agitation und Propaganda“ sowie wegen „Gründung und Leitung einer konterrevolutionären Vereinigung“ zu einer Gesamtstrafe von 15 Jahren Haft und vier Jahren Entzug politischer Rechte verurteilt worden. Sein Gesundheitszustand soll sich seitdem wegen unzureichender medizinischer Versorgung ständig verschlechtert haben.