Rechtspolitische Initiative zum Urhebervertragsrecht

Faire Bedingungen und fairer Lohn für kreative Köpfe


 

Das Urheberrecht schützt Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft oder Kunst ideell und materiell. Es schützt auch die Rechte von Fotografinnen an ihren Bildern und die Rechte der ausübenden Künstler an ihren Darbietungen. Aber als „Arbeitsrecht“ der selbständigen Urheber und ausübenden Künstlerinnen hat das Urheberrecht der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und den veränderten Beschäftigungsstrukturen nicht standgehalten. Regelungen im Urheberrecht müssen ausgeweitet, korrigiert oder neu geschaffen werden, damit Urheberinnen und ausübende Künstler ein existenzsicherndes Einkommen aus ihrer kreativen Arbeit erlangen können. Das ist das zentrale Anliegen der IG Medien. Darauf basieren die Vorschläge für eine Reform des Urhebervertragsrechts, die der Bundesregierung vorliegen.

 

„… haben wir die Vertragsvorlagen für Produktionsverträge um folgende Klausel ergänzt: ‘Der Produzent verpflichtet sich zudem, mit Standfotografen den Verzicht auf Namensnennung bei der Veröffentlichung von Fotos vertraglich zu vereinbaren.’ Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Mitglieder entsprechend unterrichten könnten … „

(Das ZDF hat am 16.02.2000 eine neue Klausel zum Umgang mit einem Urheberpersönlichkeitsrecht verfügt.)

Die wirtschaftliche und geschäftsmäßige Überlegenheit der Verwerter künstlerischer und publizistischer Arbeit schlägt sich in der Vertragsgestaltung nieder. Urhebern und ausübenden Künstlerinnen werden – bis auf wenige Spitzenkräfte, die sich einen guten Namen gemacht haben und dadurch eine stärkere Verhandlungsposition haben – die Konditionen diktiert. Sie müssen Formularverträge mit abwegig langer Laufzeit abschließen, räumen dem Verwerter sämtliche Werknutzungen ein und werden immer häufiger mit einer einmaligen Vergütung für alles abgespeist.

 

Ein vollständiges Regelungsdefizit herrscht bei Film, Funk und anderen neuen Medien wie dem Internet. Hier existiert nicht einmal ein Modell für die Vertragsgestaltung, wie es das Verlagsgesetz für Printmedien vorsieht. Verwerter künstlerischer und publizistischer Arbeiten spekulieren darauf, dass sich über kurz oder lang das Urhebervertragsrecht an ihren Unternehmenszielen orientiert. Noch ist z.B. mit der Bereitstellung eines Pressefotos für eine Tageszeitung nicht auch das Recht für ein weltweites Angebot im Internet abgetreten, doch Zeitschriften- und Zeitungsverlage nehmen sich einfach das Recht heraus, in der – nicht ganz unbegründeten – Hoffnung, dass die veränderten Verhältnisse in der Medienbranche auf den Vertragszweck und damit die Rechtseinräumung durchschlagen.

Eine Korrektur dieser Zustände ist dringend notwendig. Die IG Medien fordert den Gesetzgeber zum Handeln auf:

 

„Der Auftragnehmer verzichtet darauf, in irgendeiner Art und Weise im Zusammenhang mit den Fotoaufnahmen genannt zu werden und ist damit einverstanden, dass die Aufnahmen bei ihrer Verwendung mit der Bezeichnung ‘© Bavaria Film’ oder ‘Foto: Bavaria Film’ versehen werden.“

(Bavaria, Formularvertrag 1998)

Angemessene Vergütung

Urheberinnen und ausübende Künstler müssen bei jedem neuen Vertrag um eine „angemessene“ Vergütung für ihre Arbeit kämpfen. Ein oft vergeblicher Kampf: Laut einer Erhebung der Übersetzersparte in der IG Medien liegen z.B. die derzeit üblichen Vergütungen für literarische Übersetzungen – auf Stundenlohn umgerechnet – deutlich unter denen für Reinigungspersonal.

Ein ausgesprochen schlechtes Beispiel für Preisdrückerei leistet sich im Übrigen der Bundestag. Seit 1985 stehen die Vergütungssätze für Ton-, Bildaufzeichnungen und Kopien unverändert im Gesetz. Das kommt einem Lohnstop gleich, den die IG Medien nicht hinnehmen kann.

 

Das Urheberrechtsgesetz überläßt die Vereinbarung einer Vergütung dem freien Spiel der Kräfte. So versuchen viele Rundfunkveranstalter und einige Buchverlage unter dem Schlagwort „buy out“ in Urheberverträgen nur noch einmalige Vergütungen durchzusetzen. Dadurch wird das Urheberrecht wirtschaftlich ausgehöhlt. Da Urheberverträge normalerweise ohne zeitliche Begrenzung und ohne Kündigungsmöglichkeit für die Urheberinnen abgeschlossen werden, ist jegliche wirtschaftliche Verwertung des Werkes oder der geschützten Leistung den schöpferisch Tätigen dauerhaft entzogen.

Um diesem Gestaltungsmissbrauch einen Riegel vorzuschieben, bedarf es eines gesetzlichen Anspruchs des Urhebers und der ausübenden Künstlerin auf eine angemessene Vergütung für jede Nutzung des Werkes.

 

„Soweit entgegen den Absichten der Vertragspartner einzelne Nutzungsarten von der vorstehenden Rechtsübertragung nicht erfaßt werden, ist Filmschaffender verpflichtet, eine eigene Nutzung oder ein solche durch Dritte zu unterlassen.“

(UFA München, Formularvertrag 1999)

Anspruch auf Vertragsanpassung

Der sogenannte Bestsellerparagraph (§ 36 UrhG) ist problematisch. Vertragsinhalte, z.B. eine einmalige Vergütung, können erst nachträglich korrigiert werden. Rechtsstreitigkeiten darüber können die Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartner dauerhaft stören. Der Anspruch auf Vertragsanpassung wird vom Bundesgerichtshof zudem rüde gehandhabt: Es soll nicht ausreichen, dass nachträglich ein grobes Missverhältnis entsteht, es muss auch noch „unerwartet“ aufgetreten sein. Das heißt, so zynisch es klingt: Gerade wenn Urheberinnen aufgrund der Marktverhältnisse einen extrem ungünstigen Vertrag abschließen müssen, weil kein anderes Verhandlungsergebnis erzielt werden kann, wird ihre bewußte und mit Marktmacht durchgesetzte Übervorteilung rechtlich unanfechtbar.

Die IG Medien will deshalb klargestellt wissen, dass jedes „grobe“ Mißverhältnis zwischen Nutzung und Ertrag zum Recht auf Vertragsanpassung führen muss, nicht nur, wenn es „unerwartet“ kommt.

In einem weiteren Punkt ist § 36 UrhG völlig unzulänglich: Eine Vertragsanpassung lässt sich am ehesten noch bei Bestsellern mit schnellem wirtschaftlichen Erfolg durchsetzen, nicht aber bei Werken, die auf lange Sicht konstant gute Erträge bringen. Hier ist der Anpassungsanspruch verjährt, bevor er entsteht. Um Urheber an einem langfristigen und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg angemessen zu beteiligen, muss die Verjährungsfrist von zehn auf 30 Jahre angehoben werden.

 

„Filmschaffender verpflichtet sich, im Fall von Auseinandersetzungen nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (z.B. einstweilige Verfügung) gegen Produzent, Rechtsnachfolger oder Lizenznehmer vorzugehen, die ihre Rechte vom Produzenten herleiten.“

(UFA München, Formularvertrag 1999)

Zweckübertragung

Verwerter künstlerischer und publizistischer Arbeiten lassen sich in Formularverträgen alle Nutzungsrechte als ausschließliche Rechte einräumen, selbst da, wo es keinen Sinn mehr macht: bei Beiträgen zu Multimediaproduktionen. Urheberinnen haben dann keine Chance mehr, ein Werk oder eine Leistung mehrfach zu verwerten, um sich eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen. Gleichzeitig wächst der Medienmarkt immer mehr zusammen, so dass eine Mehrfachverwertung, beispielsweise eines Beitrags für Hörfunk oder Fernsehen in einer Tageszeitung, in dem Moment schwierig wird, wenn die Medien gleichzeitig im Internet vertreten sind und dafür jeweils auch die Rechte beanspruchen.

Durch eine strengere Fassung der Zweckübertragungsregel soll diesem Gestaltungsmißbrauch in Formularverträgen Einhalt geboten werden. Nicht jeder noch so entfernt mögliche „Zweck“ kann die Einräumung aller Nutzungsrechte zur Folge haben, sondern lediglich konkrete Werknutzungen, zu denen sich das Verwertungsunternehmen auch verpflichtet und für die es eine Vergütung zahlt.

Urheberpersönlichkeitsrecht

Die Urheberpersönlichkeitsrechte gewährleisten Authentizität und Originalität der Werke und Beiträge von Künstlerinnen und Urhebern und sind nicht übertragbar. Genau das wird aber als Hindernis für multimediale Verwertung – „Verwurstung“, wie Heinrich Böll das nannte – empfunden. Verwerter lassen sich deshalb gerne die Wahrnehmung dieser Rechten vertraglich einräumen und sich auf diese Weise zum Vormund bestellen, oder erzwingen per Formularvertrag den Verzicht auf diese Rechte. Respektiert wird nur, was „technisch und wirtschaftlich“ praktikabel erscheint.

Deshalb muss sichergestellt werden, dass Urheberpersönlichkeitsrechte keinesfalls – auch nicht zur „Wahrnehmung“ durch einen Verwerter – per Vertrag abgetreten werden können.

 

„Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem … Zweck einer umfassenden und koordinierten Verwertung des Werkes schon aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs nur durch eine umfassende Einräumung der Nutzungsrechte für alle bekannten Nutzungsarten (Verwendungsformen) gedient werden kann.“

(Verlagsgruppe Bertelsmann GmbH, Formularvertrag 1999)

Laufzeitbegrenzung

Dringender Korrektur bedarf die Laufzeit von Urheberverträgen. Verträge über die gesamte Dauer der Schutzfrist (grob: für Werke 70 Jahre nach dem Tod der Urheberin, für Fotos und Darbietungen 50 Jahre ab Veröffentlichung) sind inakzeptabel. In jedem anderen Lebenszusammenhang wäre es völlig absurd, jemandem einen Vertrag aufzudrängen, der ihn 100 Jahre und länger ohne Kündigungsmöglichkeit binden soll.

Die IG Medien hält eine Laufzeitbegrenzung auf fünf Jahre für realistisch. Wird nach dieser Zeit das Werk weiterhin genutzt und der Urheberin dafür Vergütungen gezahlt, verlängert sich der Vertrag um jeweils ein weiteres Jahr. Das ist nicht einmal unangemessen: Genau zu diesen Konditionen schließen Verwerterunternehmen untereinander Lizenzverträge ab.

 

„Leider ist die rechtliche Situation – was die Bereitstellung Ihrer Texte im Internet angeht – noch ungeklärt. Aus diesem Grund können wir auch kein Honorar für die neue Nutzung zahlen.“

(Bayerischer Rundfunk, Rundschreiben 1999)

Verzichts- und Abtretungsverbote

Urheber können kaum sämtliche Werknutzungen, z.B. Fernsehsendungen im Kabel oder die Verbreitung im Internet, kontrollieren und dafür im Voraus sachgerechte vertragliche Regelungen treffen. Deshalb lässt sich ein Vergütungsanspruch nur sichern, wenn er von einer Verwertungsgesellschaft durchgesetzt werden kann. Für die absehbaren und sich weiter ausdifferenzierenden Nutzungsmöglichkeiten sollte analog zu den Regelungen in § 20 b Abs. 2 UrhG für die Kabelweitersendung verfahren werden. Die Regelung, wonach bei eingeräumten Rechten nicht auf den Vergütungsanspruch verzichtet werden kann und dieser im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abgetreten und durch sie geltend gemacht werden kann, hat sich bereits bewährt.

 


„Der räumliche Bereich der Rechtsübertragung erstreckt sich auch auf Schiffe, Luftfahrzeuge, Schienenfahrzeuge sowie weitere Nah- und Fernverkehrsmittel.“
(UFA München, Formularvertrag 1999)
Als unverzichtbar und nicht abtretbarer Vergütungsanspruch der Urheberinnen müssen auch die Erlöse aus „elektronischen“ Pressespiegeln gelten. Derzeit sind Gerichte dabei, die bisherige Vergütungspraxis für Pressespiegel, wonach das Geld hieraus selbstverständlich Journalisten zusteht, umzukehren und die Erlöse den Verlagen zuzuweisen. Für diese Umverteilung gibt es keinen sachlichen Grund.

Weitere Initiativen

Bildende Künstler bekommen nur in Ausnahmefällen eine Vergütung für das Ausstellen ihrer Werke. In der bildenden Kunst, Grafik und Fotografie ist damit kaum noch ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen.

Deshalb muss das Urheberrecht so geändert werden, dass es für Urheberinnen von Werken der bildenden Kunst wenigstens eine Basis für Vertragsverhandlungen hergibt. Dem Gesetzgeber liegt seit langem ein Entwurf der IG Medien zu Ausstellungshonoraren vor.

Nach Ablauf der Schutzfrist verdienen an Werken und Darbietungen nur noch die Verwerter. Ein Teil dieser Gewinne müßte aber auch zeitgenössischen Künstlern zufließen. Auch dazu gibt es einen Entwurf der IG Medien: das Künstlergemeinschaftsrecht.

Der Regelungsbedarf im Urhebervertragsrecht ist unübersehbar. Unterstützen Sie die Forderungen der IG Medien für eine Reform, indem Sie die vorbereitete E-Mail an die Bundesjustizministerin schicken.

  • Text für Postkartenaktion

  • Name des Absenders/in:

    Beruf:

    Adresse:

    Ich unterstuetze die Forderungen der Industriegewerkschaft Medien zur Reform des Urhebervertragsrechts:

    * In Formularvertraegen werden Urheberinnen und ausuebenden Kuenstlern alle nur erdenklichen Nutzungsrechte abgenoetigt, oft ohne Beteiligung an den daraus erzielten Erloesen. Bitte beenden Sie diesen Missstand und sorgen Sie dafuer, dass fuer jede Nutzung eine angemessene Verguetung gesetzlich garantiert wird.

    * Schoepferisches Arbeiten muss sich lohnen. Verhindern Sie, dass gesetzliche Verguetungsansprueche durch Vertrag abgekauft werden und stellen Sie gesetzlich ein ausgewogenes Verhaeltnis von Urheberverguetung und Ertrag des Verwerters sicher.

    * Lizenzen fuer hundert und mehr Jahre vergibt kein Verlag oder Produzent, mutet das aber Urhebern und ausuebenden Kuenstlerinnen zu. Begrenzen Sie bitte die Laufzeit von Vertraegen ueber Nutzungsrechte auf ein vernuenftiges Mass.

    * Mit meiner Arbeit und meinem Namen stehe ich fuer Authentizitaet und Originalitaet ein. Deshalb will ich meine Urheberpersoenlichkeitsrechte auch selbst wahrnehmen koennen.

    Sehr verehrte Frau Ministerin, belassen Sie es nicht dabei, dass Urheberinnen und ausuebende Kuenstler um diese Minimalbedingungen immer wieder – und oft genug erfolglos – ringen muessen. Denken Sie bitte bei dieser Gelegenheit auch an den ueberfaelligen Ausgleich fuer den fuenfzehnjaehrigen Lohnstopp bei den gesetzlichen Verguetungen!

    Sie erhalten von mir mit gesonderter Post:

    – Vertragsmuster, die zeigen, dass es mit der freien Marktwirtschaft alleine nicht geht

    – eine Schilderung meiner Erfahrungen bei Vertragsverhandlungen

    ———————————————————————-


  • Text: Gabriela Schill / Zeichnungen: Sepp Buchegger

 

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