Die Johanna-Quandt-Stiftung prämiert mit ihrem Medienpreis „exzellenten Wirtschaftsjournalismus“ und „fördert das Urteilsvermögen junger Journalisten“. In diesen Tagen prämiert und fördert sie die Politpropaganda der Axel-Springer-Enkel gegen das griechische Volk.
Sie zeichnet Bild für eine fünfteilige Serie aus, deren erster Teil die Überschrift trägt: „BILD enthüllt. Die Euro-Lüge. So haben uns die Griechen reingelegt“. Seitenweise „die Griechen“ als Lügner und Betrüger darzustellen und die rot-grüne Bundesregierung als deren Handlanger abzuschildern, wird als „exzellenter Wirtschaftsjournalismus“ gefeiert.
In der fünfköpfigen Jury des Medienpreises sitzen die drei bekannten Journalisten Stephan-Andreas Casdorff (Chefredakteur, Der Tagesspiegel), Helmut Reitze (Intendant, Hessischer Rundfunk) und Roland Tichy (Chefredakteur, WirtschaftsWoche). Die Bild-Serie erschien im Herbst 2010, inszeniert als Enthüllungsjournalismus, garniert mit den Namen von zehn Personen, die „in Athen, Bonn, Berlin, Wien und Brüssel“ recherchierten, will sagen, des Telefons und der E-Mail mächtig sind. Präsentiert wird das Ganze als Politkitsch für Wutbürger, die die Welt nicht mehr verstehen und überall Verschwörung wittern, wahlweise in den Farben schwarzbraun und rotbraun erhältlich.
Warum ist diese Preisverleihung einen Kommentar wert, obwohl sie für sich selbst spricht und über die Quandt-Stiftung sowie über die drei Jury-Journalisten mehr verrät als diesen lieb sein kann? Der Journalismus bildet das Herzstück der öffentlichen Kommunikation unserer Gesellschaft. Die Werbung und die PR halten wir aus. Wir wissen, wie wir sie einzuschätzen haben. Auf den Journalismus aber, auf seine Informationen und Interpretationen müssen wir uns – gewiss nicht blind, aber doch ein Stück weit – verlassen können. Unsere Urteilsfähigkeit in den öffentlichen Angelegenheiten der Kommune, des Landes, Europas, des Globus hängt davon ab, dass wir mit brauchbaren Nachrichten, fundierten Meinungen, realitätstüchtigen Deutungen versorgt werden.
Wenn ein Volk zum Schurken gemacht wird statt über die Verrücktheiten des Finanzmarktes zu reden; wenn die Herkulesaufgabe des europäischen Einigungsprozesses als bloßes politisches Schmierentheater dargestellt wird; wenn ein Massenmedium für seine Auflage alles tut, solange es auf Kosten anderer geht – und das als vorbildlich ausgezeichnet wird, dann handelt es sich in der Tat um eine Enthüllung: Vor uns steht ein Verständnis von Journalismus, der als Magd der Selbstvermarktung eines Mediums seine Bestform findet. Herzlichen Glückwunsch. (Seite 15)