Was machen mit all den alten Filmen, den filmischen Dokumenten und Schnipseln, die in den zahlreichen Archiven, Dachböden und Kellern dieser Republik lagern oder sich nur unter einer Staubschicht liegend weiter zersetzen? Die Antwort darauf ist relativ einfach: erhalten und zugänglich machen, denn niemand sagt allen Ernstes: weg mit dem Krempel. Doch ab da scheiden sich die Geister und obwohl die Diskussion schon einige Zeit andauert – der Kinematheksverbund ist nach Aussage von Rainer Rother, dem Künstlerischen Direktor der Deutschen Kinemathek, seit 2008 an dem Thema – fehlt nach wie vor der große Generalplan.
Wie also ist der Stand der Dinge? Wie soll es weitergehen? Das Symposium „Vergangenheit braucht Zukunft – Strategien für einen nachhaltigen Umgang mit dem audiovisuellen Kulturerbe Deutschlands“ wollte darüber Auskunft geben. Stand ist, dass es Geld gibt. Allerdings nur eine Million aus dem Kulturetat des Bundes. „Dabei“, so merkte Tabea Rösner MdB und Sprecherin für Medien, Kreativwirtschaft und Digitale Infrastruktur für Bündnis 90/Die Grünen an, „hat die Filmförderungsanstalt (FFA) schon längst errechnen lassen, dass jährlich mindestens zehn Millionen Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren ausgegeben werden müssen, um die filmische Vergangenheit Deutschlands für die Zukunft zu sichern.“
Stand ist aber auch, dass es keinen Plan gibt, was, aus welchen Gründen zuerst ‚gerettet‘ werden und wie es zugänglich gemacht werden soll. Es gibt nur einen Kriterienvorschlag: 1. Auswertungsinteresse, 2. konservatorische und 3. kuratorische Interessen. Unabhängig davon haben sich zwei Fraktionen gebildet: die Vertreter der reinen Lehre wie die Linken und den Filmhistoriker Dirk Alt, die im Einklang mit dem Kinematheksverbund fordern: „Der Erhalt der physischen Kopie sollte im Vordergrund stehen!“ und die Pragmatiker, die auf die Digitalisierung schwören, weil man damit die Inhalte verfügbar machen kann. Hier argumentiert Rainer Rother gar gegen das Gutachten seines eigenen Verbunds: „Die Aufgabe lautet doch analogen Film im digitalen Zeitalter zugänglich zu machen. Analog kann man vergessen, da es sich absehbar nicht mehr vorführen lässt.“ Von den ganzen U-Matic-Bändern und anderen kruden Aufnahmestandards in den Sendern mal ganz abgesehen. Zudem erinnert er daran, dass kein analoges Material weg geworfen wird. Applaus erhielt er hier von Tabea Rösner während Harald Petzold MdB und medienpolitischer Sprecher der Linksfraktion bereits voll im Wahlkampfmodus die Anwesenden aufforderte, sich aktiv einzumischen, um dem Filmerbe eine Lobby zu verschaffen.
Michael Hollmann, Präsident des Bundesarchivs erinnerte daran, dass seine Einrichtung nur für die Filme zuständig ist, die mit Bundesmitteln gefördert werden. Um das tatsächliche filmhistorische Erbe müssen sich die Friedrich-Wilhelm-Murnau– bzw. die DEFA-Stiftung kümmern. Hollmann weiter: „Es gibt unendlich viel und dann ist da ja auch noch die Selbstverantwortlichkeit der Filmschaffenden!“ Ebenfalls in eigener Verantwortung agieren die verschiedenen Sender im Lande. Alle Kosten, die über den Spielfilm (!) hinaus gehen, sind in der Berechnung der FFA übrigens nicht enthalten.
Die eigentlich interessante Frage lautete jedoch: für wen macht man das alles überhaupt? Panel und berufene Zuhörer waren sich schnell darin einig, dass es in der breiten Öffentlichkeit kein echtes Interesse am Filmerbe gibt. Interesse gibt es bei (Film)-Historikern und Pädagogen sowie Dokumentarfilmern, die auf historisches Material zugreifen möchten. Vom Historiker- bzw. Politikerstandpunkt fallen diesbezüglich Argumente wie: „Wir brauchen die Retrospektive, um Impulse zu setzen für eine Zukunft, die daraus hervor geht.“ (Thorolf Lipp, Leiter der Sektion „Film, Rundfunk & audiovisuelle Medien“ im Deutschen Kulturrat, dem Veranstalter des Symposiums, in seiner Einleitung) und: „Wichtig für den gesellschaftlichen Diskurs, wichtig für unseren Blick auf die Geschichte.“ (Tabea Rösner)
Claudia Dillmann vom Deutschen Filminstitut fragt, wie man ein Interesse generieren könne. Ihr Vorschlag: alles kostenlos im Netz verfügbar machen, damit die junge Generation überhaupt eine Idee von dem bekommt, was es zu entdecken gibt und schiebt hinterher: „Man sollte sich davon verabschieden mit dem Filmerbe Geld verdienen zu wollen, sondern das Interesse daran wecken, indem man es kostenlos zugänglich macht“. Doch so einfach ist das nicht. An das Filmerbe sind eine Unmenge an Rechten geknüpft, die es zu klären gilt. Dazu gehören neben dem Urheberrecht auch das Persönlichkeitsrecht.
Doch selbst wenn die öffentliche Hand ausreichend Geld für Sicherung und Sichtbarmachung zur Verfügung stellt, so scheint man noch weit von einer Umsetzung entfernt zu sein. Das Panel vermittelte dem unbedarften Zuhörer doch sehr den Eindruck, dass man sich zu sehr darin gefällt zu diskutieren, anstatt pragmatisch anzupacken.