Unter Verdacht

Göttinger Radioredakteur vom Verfassungsschutz beobachtet

Der Göttinger Journalist Kai Budler wird seit mindestens 14 Jahren vom Verfassungsschutz ausgespäht. Im Februar hatte der 43-Jährige in Dresden eine Demonstration begleitet, die sich gegen Neonazis richtete. Die Berichterstattung über Rechtsradikalismus ist Budlers Spezialgebiet. Als die Tageszeitung (taz) aufdeckte, dass die Polizei in diesem Zusammenhang rund eine Million Handydaten aufgezeichnet hatte, wollte er wissen, ob auch er betroffen war und stellte ein Auskunftsersuchen bei verschiedenen Polizei- und Staatsschutzbehörden.


Niedersachsens Schlapphüte räumten ein, den Journalisten bereits seit 1997 im Visier zu haben. Das Pikante: Die Datensätze beziehen sich zum großen Teil auf seine Arbeit. So ließen Erkenntnisse vom 10. Juli 2000 den Schluss zu, dass er ein Mitarbeiter des Göttinger Stadtradios sei, heißt es in einem Schreiben an seinen Anwalt.
Tatsächlich ist Budler seit dem Jahr 2000 bei dem Lokalsender als Redakteur beschäftigt. Damals hatte er das Ressort Polizei übernommen. Der 10. Juli sei das Datum an dem er sich als neuer Ressortleiter persönlich bei der Polizei vorgestellt habe, vermutet Budler. Weitere Einträge zählen Demonstrationen auf, an denen er teilgenommen haben soll. Der jüngste bezieht sich auf März dieses Jahres: „Ihr Mandant war, aufgrund der Ereignisse in Japan, Teilnehmer einer Anti-Atom-Demonstration“.
Budler bestreitet nicht, zu den Demos gegangen zu sein, allerdings nicht als Teilnehmer: „Ich war da, um darüber zu berichten“. Dass der Verfassungsschutz seine Informationen offensichtlich von der Polizei bekomme, bringe ihn in eine schwierige Situation. „Schließlich spricht man in einer kleinen Stadt wie Göttingen schon aus Höflichkeit mit den Beamten, wenn man zu Demonstrationen geht“, dann in den Akten zu landen, sei absurd.
Verfassungsschutz-Sprecherin Anke Klein räumt ein, es habe „isoliert betrachtet keine Relevanz“, dass Budler als Redakteur beim Stadtradio beschäftigt sei und er in dieser Funktion Demonstrationen begleitet habe. Der Verfassungsschutz wirft dem Journalisten aber vor, „Teil einer linksextremistischen Bewegung“ zu sein. Deswegen seien die Daten gespeichert worden. Für Budler ist es unmöglich, diese Behauptung zu entkräften, denn Genaueres teilt die Behörde nicht mit. Dieser Teil seiner Akte ist mit einem Sperrvermerk versehen.
Neben dem Verfassungsschutz speicherte auch die Polizeidirektion Göttingen Daten Budlers. In einem Schreiben vom 1. August 2011 hatten die Beamten allerdings zunächst behauptet, es lägen keine Informationen vor. Gut zweieinhalb Monate später wurde in einem erneuten Schreiben von Göttingens Polizeivizepräsident Roger Fladung eingeräumt, dass doch zwei Datensätze vorhanden gewesen waren. Der Datenschutzbeauftragte der Polizeidirektion habe sie aus „Anlass ihres Auskunftsersuchens“ löschen lassen.
Nachdem Polizei-Sprecherin Dagmar Leopold sich Anfang November noch in der NDR-Sendung ZAPP zu dem Fall geäußert hatte, gibt sie sich nun wortkarg. „Es ist bereits alles gesagt“, teilte sie auf Anfrage mit. Auch bei ZAPP hatte sie weder erklären können, warum die Göttinger Polizei Daten Budlers speicherte, noch um was es sich konkret gehandelt hatte. In dem Schreiben Fladungs ist von „allgemeinen Staatsschutzereignissen“ die Rede. Die zuerst erteilte Auskunft, es seien keine Daten vorhanden, sei missverständlich gewesen.
Der Niedersächsische Datenschutzbeauftragte hat unterdessen veranlasst, dass der Verfassungsschutz zwei weitere Datensätze offenlegen muss. Budler reicht das nicht. Er will wissen, was sich hinter dem Sperrvermerk verbirgt, um auf die Vorwürfe der Behörde reagieren zu können. Zudem müsse die Behörde alle Daten löschen und es müsse geklärt werden, ob die Polizeidirektion Göttingen rechtmäßig gehandelt hat, als sie vorhandene Daten im direkten Zusammenhang mit seiner Anfrage löschen ließ. Hierzu sind Klagen vor dem Göttinger Verwaltungsgericht anhängig.
Dass er beobachtet wird, beunruhigt Budler. Er hält sich in seiner Arbeit für eingeschränkt und die Pressefreiheit für gefährdet. Bei der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union wird der Fall ähnlich problematisch gesehen. Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß sagte, „der Fall unseres Kollegen zeigt, dass der Verfassungsschutz Grenzen überschreitet, die die Verfassung explizit zieht, um die Pressefreiheit zu schützen“. Es sei nicht auszudenken, was es für Auswirkungen hätte, wenn so ein Beispiel Schule mache. Budler wird vom ver.di-Rechtsschutz bei seinen Klagen unterstützt.
Inzwischen ist auch Niedersachsens Landespolitik aufmerksam geworden. Die Grünen haben eine Anfrage im Landtag gestellt. In seiner Antwort brachte Innenminister Uwe Schünemann jedoch kein Licht ins Dunkel. Die Linke machte den Fall zum Thema einer Anhörung im Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, dem Kontrollgremium des Landtags – was hier besprochen wurde ist allerdings geheim.

 

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