Klares Signal für die Freiheit

Jemenitische Journalistin Tawakkul Karman erhält Friedensnobelpreis

Drei Frauen bekommen in diesem Jahr den Friedensnobelpreis. Neben der liberianischen Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf wird auch die Bürgerrechtlerin Leymah Gbowee – ebenfalls aus dem westafrikanischen Liberia – ausgezeichnet. Zudem nimmt am 10. Dezember in Oslo auch die jemenitische Journalistin Tawakkul Karman den Preis entgegen.


Das Nobel-Komitee hätte es sich leicht machen können. In diesem Jahr waren die Protagonisten des arabischen Frühlings die Favoriten. Ein ägyptischer Blogger oder eine Studentenaktivistin aus Tunesien hätten sicher weltweit Zustimmung erhalten. Doch vielleicht hat das Komitee demonstrativ nicht auf die Quotenkönige setzen wollen. Oder die Osloer zweifeln an der Nachhaltigkeit der Protestbewegung. Wie sich beispielsweise Ägypten entwickeln wird, ist offen. Und nicht selten sind Preisträger der Auszeichnung im Nachhinein nicht gerecht geworden.
Jedenfalls geht der diesjährige Preis „nur“ zu einem Drittel in den arabischen Raum. Und zwar in den Jemen, also eher an den Rand der Protestwelle. Ob die Revolution dort eine Erfolgsgeschichte wird, weiß gegenwärtig niemand. Doch Oslo hat mit dem Preis für Tawakkul Karman ein klares Signal an alle an der Macht klebenden Präsidenten gegeben, dem Drängen nach Freiheit nachzugeben. Und in der Tat sieht es inzwischen so aus, als würde der langjährige Machthaber Ali Abdullah Saleh sein Amt aufgeben. Zumindest hat er nach monatelangem Zögern Ende November schriftlich seiner Demission zugestimmt. Das ist zweifellos auch ein Verdienst von Tawakkul Karman.
Manchen mag es irritieren: Die neue Friedensnobelpreisträgerin, die Journalistin, Politikerin und Menschenrechtlerin Tawakkul Karman, ist keine klassische pro-westliche Anhängerin der Demokratiebewegung. Sie ist Mitglied einer konservativ-islamischen Partei. Gleichwohl hat sie sich an die Spitze der Proteste gestellt, hat zahllose Frauen zum Widerstand gegen das reformunwillige Regime von Präsident Saleh motiviert – und das in einer sehr männlich geprägten Gesellschaft. Eine Frau wie Tawakkul Karman zeigt, dass Menschenrechte und Islam – entgegen den Vorurteilen vieler flüchtiger Betrachter – wunderbar harmonieren können.
Tawakkul Karman wurde 1979 geboren; ihr Vater ist der ehemalige jemenitische Justizminister Abdul-Salam Karman. Er löste sich 1994 von Saleh, als das Regime Proteste gewaltsam niederschlagen ließ. Seine Tochter berichtet, dass er mit ihr zu Hause oft über Demokratie und Fehlentwicklungen im Jemen gesprochen hat. Als Journalistin recherchierte sie später selbst Missstände: Sie kritisierte Kinderehen und spezialisierte sich auf Menschenrechtsthemen. 2005 gründete sie die Organisation „Journalistinnen ohne Ketten“. Später begann sie, wöchentlich vor dem Regierungspalast für die Freilassung politischer Gefangener sowie für Meinungs- und Pressefreiheit zu demonstrieren. Manchmal war sie fast allein, denn in dem arabischen Armenhaus mit seiner gigantischen Jugendarbeitslosigkeit ließen sich Mitstreiter nicht leicht finden.
Das hat sich mit Beginn des „Arabischen Frühlings“ im Januar dieses Jahres geändert. Karman ist das Gesicht des Protests im Jemen geworden, Tausende sind mit ihr aufgestanden. Sie stand an der Spitze der Demonstrationen in der Hauptstadt Sanaa, lebte dort monatelang in einer Zeltstadt und sah ihre drei Kinder nur abends manchmal. Tawakkul Karman erhielt Morddrohungen und wurde mehrfach inhaftiert. Ihren Widerstand konnte das nicht brechen.
„Ich widme den Preis dem Arabischen Frühling“, sagte sie, als sie im Oktober von der Auszeichnung durch das Nobelkomitee erfuhr. Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern wolle sie dem Jemen Freiheit und Würde wiedergeben. Worte wie Demokratie und Modernität gehen ihr wie selbstverständlich über die Lippen. Den Gesichtsschleier hat die gläubige Muslimin abgelegt, das Kopftuch trägt sie weiterhin. Als ihre Vorbilder nennt die erste mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Araberin Nelson Mandela, Mahatma Gandhi und auch Hillary Clinton.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Internet: Journalismus unter Druck

Angesichts der Vielzahl von Beiträgen zum 30-jährigen Jubiläum des Internets arbeitet der Journalist Jann-Luca Künßberg in einem Gastbeitrag für Netzpolitik.org heraus, wie umfangreich die Online-Welt Journalismus selbst verändert hat. Enorm schnell, so Künßberg, habe der Geschäftsgedanke die Vision eines digitalen Versammlungsorts beiseitegeschoben.
mehr »

Zeitschriftenverleger wittern Gefahr

Die deutschen Zeitschriftenverleger sehen die Demokratie durch die Zusammenballung von ökonomischer, medialer und zunehmend politischer Macht in der Hand weniger internationaler Technologieplattformen in Gefahr. Das erklärte Philipp Welte, Vorstandsvorsitzender des Medienverbands der Freien Presse (MVFP) zur Eröffnung des diesjährigen Medienforums in Berlin.
mehr »

Verzögerung in Fretterode-Verfahren

Sieben Jahren verschleppt: Der brutale Angriff von zwei Rechtsradikalen auf Journalisten im Jahr 2018 kommt auch in der Berufung einfach nicht vor Gericht. Sven Adam, Anwalt der bei dem Überfall erheblich unter anderem mit Schraubenschlüssel, Messer und Baseballschläger verletzten Journalisten, kritisiert das erneute Justizversagen und erhebt wieder eine Verzögerungsrüge gegen das Gericht im thüringischen Mühlhausen.
mehr »