Vom DGB gestifteter Dokumentarfilmpreis ging nach Finnland
Die Nordischen Filmtage Lübeck gelten als das wichtigste Schaufenster für nordeuropäische und baltische Filme außerhalb Skandinaviens. Die 54. Auflage fand vom 31. Oktober bis zum 4. November 2012 statt. Acht Preise wurden in den Kategorien Spielfilm, Dokumentarfilm, Kinder- und Jugend- sowie Kurzfilm verliehen. Um den Dokumentarfilmpreis der Lübecker Gewerkschaften konkurrierten in diesem Jahr 15 Filme. Die vom DGB gestiftete Auszeichnung ist mit 2.500 Euro dotiert.
„Es ist stressig und man kommt spät nach Hause, aber ich mache es immer wieder gern.“ Michael Träger, Mitglied des ver.di-Bezirksvorstands Lübeck-Ostholstein, war zum dritten Mal Teil der Dokumentarfilm-Jury. Für die Nordischen Filmtage hat er sich Urlaub nehmen müssen. Anders wäre die Arbeit nicht zu bewältigen gewesen, denn die Jury-Tätigkeit ist während des Festivals ein Fulltimejob. Träger und seine sechs Kollegen mussten alle Wettbewerbsbeiträge sichten, sich untereinander besprechen und einen Siegerfilm finden.
Die Auszeichnung für den besten Dokumentarfilm ging an „Canned Dreams“ (Purkitettuja unelmia) der Finnin Katja Gauriloff. Am Beispiel einer Dose Ravioli besucht sie sämtliche Orte der Produktionslinie: Metall aus Brasilien, Schweine aus Dänemark, Tomaten aus Portugal, Weizen aus der Ukraine. Sie lässt die daran beteiligten Arbeiter von ihren Erinnerungen und Träumen für die Zukunft erzählen. Und thematisiert wie beiläufig auch die Ausbeutung der Menschen in strukturarmen Regionen, während das Produkt, für das sie schuften, nur ein paar Cent kostet. „Eine Konservendose, die die Träume der globalisierten Arbeit platzen ließ“, fasste die Jury treffend zusammen.
Linde Fröhlich, die künstlerische Leiterin der Nordischen Filmtage, begrüßt das Engagement der Gewerkschaften: „Das Dokumentarfilmprogramm hier in Lübeck hat ein ganz treues Publikum. Und ich finde es gut, dass die Jury eigentlich aus Laien besteht, weil sie die Filme noch mal mit einem ganz anderen Hintergrund betrachten.“ Träger stimmt dem zu: „Manchmal sind es einmalige Chancen, solche Filme zu sehen. Wir machen hier immer wieder Entdeckungen.“
„Trost“ (Sju kammers) beispielsweise, der das Schicksal ehemaliger norwegischer Rotkreuzschwestern in Erinnerung ruft, die während des Zweiten Weltkriegs freiwillig in deutschen Lazaretten halfen und dafür nach Kriegsende lange Zeit diskriminiert wurden. Überhaupt war das Thema Nationalsozialismus erstaunlich präsent. So beschäftigt sich „Der Krieg der Ärzte“ (Legens krig) mit der Rolle von Medizinern im Dritten Reich, während sich in „Hafen der Hoffnung“ (Hoppets Hamn) ehemalige KZ-Gefangene an ihre Ankunft im freien Schweden erinnern. Vor allem letzterer Film ist hochemotional. Dass die Emotionen dabei durch die Montage und den Einsatz der Musik noch künstlich geschürt werden, fand beim Publikum nicht nur Zustimmung. Daneben waren Porträts in großer Zahl vertreten. „Das verdrehte Leben von Elva“ (Snuid lif Elvu) aus Island etwa, über eine Frau, die an einer seltenen Form des Tourette-Syndroms leidet. Egill Edvardssons Film bekam von der Jury eine lobende Erwähnung.