Die Hoffnungen der Urheberinnen und ausübenden Künstler waren groß. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens macht sich nun Ernüchterung breit. Zwar schafft die Reform das Recht auf jährliche anlasslose Auskunft und damit Transparenz sogar entlang der Lizenzkette, gleichzeitig vernebeln andere Regelungen jedoch die Sicht und von der Urheberseite errungene Klarheiten werden zumindest angreifbar.
Die Regierung aus CDU, CSU und SPD hatte in ihrem Koalitionsvertrag den Urheberinnen und ausübenden Künstlern versprochen, ihre urheberrechtliche Position zu verbessern, um endlich flächendeckend die Durchsetzung angemessener Vergütungen zu ermöglichen. Der Justizminister legte hierzu einen sportlichen Entwurf vor, der die Vertragspartner der Urheber und ausübenden Künstlerinnen zu Verhandlungen mit deren Verbänden ermuntern sollte. Der bestehende Ansatz, wo möglich kollektive Regelungen als Maßstab für die jeweils branchenspezifische angemessene Vergütung aufzustellen, sollte hierdurch gestärkt werden.
Das ist wahrlich erforderlich, denn wirklichen Einfluss auf Erfolg im Ringen um Vertragsinhalte haben als Einzelne nur die Superstars. Alle Kreativen tun deshalb gut daran, sich zusammenzutun, um gemeinsam auf Augenhöhe mit den Verwertern zu verhandeln. Selbstständigen, auf Produktionsdauer oder unstetig Beschäftigten fällt es dabei, auch als Teil eines Kollektivs, bekanntermaßen schwer sich an Aktionen und Streik zu beteiligen. Sie verlieren dabei individuell ihren Vergütungsanspruch bzw. riskieren bei Folgeprojekten außen vor zu bleiben. So wurden die meisten der ohnehin wenigen Klagen auf angemessene Vergütung seit der letzten Reform 2002 von Kreativen geführt, die nur noch wenig zu verlieren hatten. Zu gewinnen sind auch für sie Nachzahlungen für nur drei Jahre, Vorhergehendes ist verjährt. Nachzuzahlen ist dann nur die Differenz zwischen der geleisteten niedrigen und der angemessenen hohen Vergütung.
Um diese unmoralische, jedoch betriebswirtschaftlich und rechtlich komfortable Position der Verlage anzugreifen, fordern ver.di und andere Urheberverbände, dass sich Verleger, die planmäßig unangemessen vergüten, nicht mehr auf Verjährung berufen können. Außerdem sollte auf erstrittene Nachzahlungen ein Strafzuschlag gezahlt werden müssen. Andernfalls bleibt es dabei, dass der Werknutzer selbst im Klagefall nur das für die Nutzung zu zahlen hat, was von Anfang an angemessen gewesen wäre. Dass auch diese Summen beträchtlich sein können, haben zahlreiche von ver.di für Mitglieder geführte Gerichtsverfahren gezeigt.
Die Überschriften der Kernregelungen im reformierten Urhebervertragsrecht sind wohlklingend: Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft, Unterlassungsanspruch und Recht zur anderweitigen Nutzung. Derartige Rechte haben die Kreativen und deren Verbände nach den vielversprechenden Ankündigungen der Koalition auch erwartet. Beim Blick auf die konkreten Regelungen stellen jedoch einzig die Auskunftsansprüche eine eindeutige Verbesserung der Rechtsposition des einzelnen Kreativen dar. Der Unterlassungsanspruch als Verbandsklage ist sehr eng ausgestaltet. Er scheint vor allem auf den Bereich der Zeitungsverleger abzuzielen, die bisher Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) aufgestellt haben, diese jedoch weitestgehend nicht einhalten. Geschaffen wurde jetzt ein Recht, auf die Einhaltung dieser GVR klagen zu können. Wo es keine GVR gibt, läuft dieses kollektive Recht ins Leere und es bleibt weiterhin nur das Mittel der Individualklage. Eine Stärkung der GVR als flächendeckenden Branchenstandard und damit des Anspruchs auf angemessene Vergütung sieht anders aus.
Das Recht zur anderweitigen Nutzung seines Werkes nach zehn Jahren dürfte Urheber_innen kaum helfen, zumal es nur dann zur Anwendung gelangt, wenn ausschließliche Nutzungsrechte gegen eine pauschale Vergütung eingeräumt wurden. Beispielsweise werden Werke von Journalist_innen kaum so lange genutzt. Buchautor_innen – als Urheber_innen potentieller Longseller – werden schon bisher absatzbezogen und damit nicht pauschal vergütet. Da mit dieser Norm jedoch erstmalig die Möglichkeit, pauschal zu vergüten, ausdrücklich gesetzlich genannt wird, dürften die Bemühungen (insbesondere der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage), sämtliche Nutzungsarten und –rechte mit Einmalzahlungen zu erwerben, wieder Auftrieb erhalten. Jahrelang hatte ver.di gemeinsam mit dem DJV gegen diese Praxis prozessiert, um Total-Buy-Outs als Vertragspraxis erfolgreich zurückzudrängen. Die insoweit erreichte Rechtsklarheit durch aufgestellte gemeinsame Vergütungsregeln oder Tarifvereinbarungen könnte jetzt von Verwerterseite wieder in Frage gestellt werden.
Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntermaßen zuletzt. Sie ruht jetzt für die Urheberseite besonders auf den nunmehr gesetzlich geregelten Ansprüchen auf Auskunft- und Rechnungslegung. Die einzelnen Kreativen können jährlich erfragen, wer ihre Werke in der Lizenzkette mit welchem ökonomischen Erfolg nutzt. Hierdurch wird ein Maß an Transparenz ermöglicht, das es erlaubt, informiert über die Geltendmachung etwaiger zusätzlicher Vergütungsansprüche zu entscheiden. Es wird jetzt darauf ankommen, dieses Recht möglichst zahlreich in Anspruch zu nehmen und damit Druck auf die Verwerter auszuüben, damit diese kollektive Regelungen aufstellen, aufrechterhalten, einhalten und damit dann von vornherein angemessen vergüten. Insoweit hat es sich gelohnt, in der Gesetzesberatung mit den Koalitionsfraktionen um jedes Wort und dessen Platzierung zu ringen: Die Auskunftsansprüche gegenüber dem Vertragspartner und entlang der Lizenzkette können die ansonsten geradezu verkorkste Reform retten. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Urheberinnen und Urheber ihre Rechte, allen voran das Recht auf Transparenz, einfordern. Als Kollektiv können sie die erforderliche Einigungsbereitschaft auf der Verwerterseite erreichen, um dann die branchenspezifische Angemessenheit durch Vergütungsregeln zu bestimmen. Deren Einhaltung kann dann notwendigenfalls mittels Verbandsklage sichergestellt werden.
Als Anhängsel zum Urhebervertragsrecht wurde die Ermöglichung einer Verlegerbeteiligung in Verwertungsgesellschaften verabschiedet. Verleger und Politik wollten dies unbedingt. ver.di hatte die Vermittelbarkeit einer gesetzlichen Regelung zur Verlegerbeteiligung immer an wirksame Verbesserungen im Bereich des Urhebervertragsrechts geknüpft. Es ist jetzt dennoch zu hoffen, dass Einrichtungen wie die VG Wort wieder zu einem inneren Frieden kommen, damit sie weiter zum Wohle der Urheber_innen arbeiten können. Mit einem besseren Urhebervertragsrecht wäre diese Befriedung erleichtert worden. Allen Beteiligten ist klar, dass nicht zuletzt die Verlage ein solches verhindert haben. In den anstehenden Auseinandersetzungen um die konkrete Ausgestaltung der Verteilungsquoten in den Verwertungsgesellschaften dürfte das durchaus eine Rolle spielen.