Die von der Bundesregierung geplante Novelle des Kartellrechts bleibt umstritten. Die vorgesehene Erleichterung der Kooperationen von Presseverlagen könne „gravierende negative Auswirkungen“ auf die Medienvielfalt und die Arbeitsplatzsituation haben, konstatierte Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten Union in ver.di bei der Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestags am 23. Januar in Berlin.
Bereits am 28. September 2016 hatte das Bundeskabinett die 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verabschiedet. Sie sieht unter anderem vor, Verlage vom Kartellverbot auszunehmen, sofern es sich um Kooperationen im Anzeigen- und Werbegeschäft, beim Vertrieb sowie bei der Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften handelt. Die Zusammenarbeit im redaktionellen Bereich soll dagegen weiterhin den kartellrechtlichen Bestimmungen unterliegen.
Helmut Verdenhalven vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) sagte, Verlage aller Größenklassen plädierten in jüngster Zeit für eine Lockerung des Kartellrechts. Vor allem für die kleinen und mittleren Verlage sei die Liberalisierung der Bestimmungen vielfach von existentieller Bedeutung. Die wirtschaftliche Entwicklung im Verlagsgewerbe sei dramatisch. Seit dem Jahr 2000 beklagten die Verlage beim Gesamtumsatz einen „massiven Rückgang“ von 10,8 Milliarden Euro auf 7,6 Mrd. Euro im Jahr 2015. Auch bei den Zeitschriftenverlagen hätten sich die Umsätze von 5 auf 3,8 Mrd. Euro reduziert. Es seien starke Auflagenverluste zu beklagen, da die Nutzung zunehmend im digitalen Bereich stattfinde. Dort gelinge es auch aufgrund mangelnder Kooperationsmöglichkeiten noch nicht, „vernünftige Digitalerlöse zu erzielen“.
Für ver.di-Vertreterin Conny Haß haben sich dagegen die bereits bei der 8. Kartellrechtsnovelle geäußerten Befürchtungen bestätigt. Von 1991 bis 2008 sei die Zahl der publizistischen Einheiten (= Tageszeitungen mit Vollredaktion) von 158 auf 135 gesunken. Bis zum Jahr 2012 habe sich diese Zahl um fünf weitere Einheiten reduziert. Scharfe Kritik übte Haß in diesem Zusammenhang daran, dass die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag angekündigte Pressestatistik bis heute nicht vorgelegt habe. Im Gegensatz zum BDZV befürchte ver.di bei einer Lockerung des Kartellrechts – laut Haß eine „Operation am offenen Herzen der Medienvielfalt“ – eine weitere Zunahme der Pressekonzentration. Vor allem die großen Medienkonzerne, so stehe zu befürchten, würden ihre Marktmacht nutzen, um ihren Einfluss auszudehnen. Maßnahmen kleinerer und mittlerer Verlage zur Entwicklung eigener Marken und Anzeigen im regionalen Bereich könnten darunter leiden. Die aktuellen Vorgänge um den Berliner Verlag und zuvor schon beim Hannoveraner Madsack-Konzern belegten, dass Arbeitsplätze gefährdet seien. Bei einer weiteren Erleichterung von Kooperationen sei mit einer Fortsetzung dieser negativen Tendenz zu rechnen. Dazu gehörten auch Erscheinungen wie Zergliederung, Auslagerungen und „Tarifflucht in großem Stil“.
Anstelle der Lockerung kartellrechtlicher Regeln plädierte Haß für aktive Maßnahmen der Presseförderung. In Dänemark werde die Gründung und Entwicklung von Online-Medien mit öffentlichen Mitteln unterstützt. Ein schon jetzt mögliches Instrument zur Verbesserung der Erlössituation seien Online-Kioske wie Blendle. Dieser Weg werde von den Verlagen aber nur halbherzig beschritten, da sie sich scheuten, diese Angebote „offensiv zu bewerben“.
Skeptisch über die Kartellrechtsnovelle äußerte sich auch Jürgen Kühling von der Monopolkommission. Die Pressevielfalt sei ein „wichtiges verfassungsrechtliches Anliegen“. Das bisherige Kartellrecht reiche aus, die berechtigten Interessen der kleineren und mittleren Verlage zu schützen. Die geplanten Neuerungen würden eher „unnütze“ Kooperationen hervorbringen. Damit würden auch Interessen der Verbraucher tangiert. Kühling: „Für die Verbraucher ist auch Pluralismus ein Wert.“