Ein Sonntagabend in Leipzig: Das kleine Programmkino „Cinémathèque in der naTo“ ist voll. Das Programm ist kurz – nur eine runde halbe Stunde füllen die sechs Kurzfilme, die im letzten Jahr bei einem Workshop in der Jugendstrafvollzugsanstalt (JSA) Regis-Breitingen entstanden sind und nun erstmals „draußen“ gezeigt werden.
Die sechs Kurzfilme feierten Anfang November 2016 im Rahmen von “DOK im Knast“ bereits ihre gelungene Premiere hinter Gittern. In den sechs zwischen drei und fünf Minuten langen Filmen erzählen die Autoren in verschiedensten Stilarten biographische Geschichten – lustig oder wütend, aufwendig animiert oder gerappt. Die Reaktion des Premierenpublikums war eindeutig: Begeisterter Applaus und viele interessierte Fragen im Anschluss an Filmemacher und Workshopleiter.
Aufgeregt, aber stolz
Auf der Bühne standen zwei der jungen Debüt-Regisseure, inzwischen aus der JSA entlassen, sichtlich aufgeregt und stolz auf ihre Werke. Philipp („Schachmatt“): „Es war eine tolle Erfahrung, die Mitinhaftierten auf einer ganz anderen Ebene kennenzulernen. Da entstand viel Respekt.“ Neben der Beteiligung am Film lernte Philipp im Knast Klavier und Trompete spielen und beginnt in Kürze eine Ausbildung zum Tonmeister. Stefan („Willi“) verriet, dass Kunsttherapeutin Kaja Schumacher einen Teil des Materials „versemmelt“ habe: „Das hat uns ganz schön zurückgeworfen.“ Schumacher verkraftete das mit charmantem Lächeln und freute sich über die Ergebnisse: „Sie zeigen, wie viel mit Kreativität auch hinter Mauern entstehen kann.“ Dennoch nutzten sie die Öffentlichkeit für Kritik am Sächsischen Justizministerium: Die Wartezeit auf einen Platz in der Kunsttherapie sei lang, es fehlten Planstellen.
Ermöglicht hatte den Filmworkshop in der JSA der gemeinnützige Verein Ostpol, der sich für die Förderung internationaler Kulturprojekte stark macht, gemeinsam mit DOK Leipzig, dem Internationalen Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. Vera Schmidt, stellvertretende Vorsitzende von Ostpol und Projektleiterin, hatte den renommierten Leipziger Cartoonisten und Filmemacher Schwarwel dafür begeistern können. Mit einer Crowdfunding-Aktion wurde ein Teil der Kosten eingeworben. Und so verbrachte der Künstler unter dem Motto „OSTPOL schickt SCHWARWEL in den KNAST“ zwischen Juni und Oktober 2016 insgesamt neun Tage mit den jungen Inhaftierten, die sich unter fachkundiger Anleitung mit ihren Themen beschäftigen und sie in Kurzfilme umsetzen konnten.
Haft lässt sich nicht wegschieben
Der Workshopleiter betonte, dass er inhaltlich keinerlei Einfluss auf die Teilnehmer ausübte: „Wir waren im Laufe des Entstehungsprozesses selbst erstaunt, dass alle Filme den Knast in irgendeiner Form thematisieren. Aber die Haft ist eben etwas, was du einfach nicht wegschieben kannst. Ich habe das in den wenigen Tagen da drinnen begriffen.“
Zeichnungen, Fotos, Filmsequenzen, Musik, Off-Texte, Rap – alles haben die Inhaftierten selbst erstellt. Das Material von drinnen wurde anschließend teilweise mit Filmmaterial von draußen ergänzt und im Animations- und Multimedia-Studio Glücklicher Montag geschnitten und produziert. Nun wird nach weiteren Vorführmöglichkeiten gesucht und die Teilnahme an Festivals erwogen.
Ein Video der Kurzfilme findet sich hier.