Editorial: In Zeiten wie diesen

„Wir lieben Journalismus!” Mit diesem Slogan wirbt die dju in ver.di für ihren Berufsstand, für das was ihn ausmacht: kritisch, ausgewogen, wahrheitsgemäß zu berichten. Kein leichtes Unterfangen in einer Zeit, in der Medien und Journalist_innen weltweit als Lügner oder gar Terrorverbündete beschimpft, eingeschüchtert und eingesperrt werden (Ko S. 5). Es scheint: Sie dienen als Sündenbock für miese Politik; sind Blitzableiter für angestaute Wut und das eigene Unvermögen, mit demokratischen Mitteln Veränderungen herbeizuführen.

Auch in Deutschland geht es mit der Wertschätzung für Medienschaffende immer mehr bergab. Neben Angriffen von Wutbürgern und Versuchen politischer Emporkömmlinge wie bei der AfD, die Pressevertreter – à la Trump in den USA – auszusperren, gibt es auch den latenten Verfall. Im deutschen Zeitungswesen manifestiert sich das derzeit zum Beispiel an der Kündigung der Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie Journalist_innen an Tageszeitungen zum 1. März durch die Verleger. Der Zeitpunkt kam nicht von ungefähr: An diesem Tag trat das novellierte Urhebervertragsrecht in Kraft, ein Verbandsklagerecht zur Durchsetzung der berechtigten Ansprüche der Freien drohte (M Online berichtete: https://mmm.verdi.de). Jahrelang wurden diese Mindestvergütungen für Freie von ver.di verhandelt, 2010 abgeschlossen und seitdem nur von wenigen Verlagen angewendet, von der Mehrheit ignoriert. Wertschätzung und soziale Verantwortung sieht anders aus!

 Dennoch, Journalist_innen lieben ihren Beruf und lassen sich nicht abschrecken, weder von gesellschaftlichen Verwerfungen noch von der Digitalisierung, die auch die Medien immer mehr prägt und nachhaltig verändert. Im Gegenteil, es gilt, daran zu arbeiten, noch besser zu werden in der Darstellung von Fakten – hintergründig und interessant – Fake News zu entlarven und das Netz als wirkliches Informationsmedium mitzugestalten. Ein Werkzeug auf diesem Weg ist der Datenjournalismus. Er bietet viele Möglichkeiten, aus der Datenflut Geschichten zu generieren, Sachverhalte hinter den Zahlen zu offenbaren, Kausalitäten aufzuzeigen. Der aktuelle M-Titel charakterisiert dieses wachsende Genre, beschreibt seine Entwicklung anhand von Beispielen und betont die Wichtigkeit, die Ausbildung auf diesem Gebiet zu verstärken (S. 6–10). Unterstützung kommt dabei von der Uni Dortmund, die dieses Fach seit einigen Jahren innerhalb des Wissenschaftsjournalismus lehrt (S. 16/17). Die praktische Arbeit mit Daten wird ebenso akribisch erläutert (S. 11/12) wie das derzeitige Zusammenspiel von Mensch und Maschine, natürlich mit einem Blick in die Zukunft der künstlichen Intelligenz – als Partner des Menschen, nicht als Konkurrent (S. 18–20).

 

 

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