Der Genethische Informationsdienst (GID)

Die Nullnummer, ein hektografiertes Blättchen von wenigen Seiten, kostete stolze drei Mark und 50 Pfennig und sollte kopiert weitergegeben werden. Mit dem Genethischen Informationsdienst, kurz GID, hieß es darin, wolle man die überall entstehenden Gruppen vernetzen, die die Entwicklungen in der Gen- und Reproduktionsmedizin beobachteten.

Genetischer Informationsdienst GIDDas war im Februar 1985, einer Zeit, als Forscher begannen, gentechnologisch veränderte Pflanzen auszubringen, an Embryonen zu experimentieren und das menschliche Genom zu sequenzieren. Viele junge Wissenschaftler sahen sich damals aufgerufen, das, was in den biotechnologischen Laboren passierte, kritisch zu begleiten.
1987 wanderte der GID von Hamburg zum damals noch in Kreuzberg ansässigen Gen-ethischen Netzwerk (GEN), bei dem sich der Nachrichtendienst allmählich zu einer Zeitschrift mauserte. Berichtet wurde über die ersten Freisetzungsversuche und das anlaufende Humangenomprojekt, Patente auf Leben wurden unter die Lupe genommen und die Forschungspolitik kritisiert. Besonderes Augenmerk legten die Frauen in der Redaktion auf die sich entwickelnden Reproduktionstechnologien.

Dieser Spagat zwischen wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit und Engagement hat sich bis ins 30. Lebensjahr des GID erhalten. Die vier Festangestellten des Vereins und einige Ehrenamtliche sorgen dafür, dass die Zeitschrift alle zwei Monate erscheint. Das GEN residiert in einem großen Altbau am quirligen Rosenthaler Platz in Berlin-Mitte. Einer der Redakteure, Christof Potthof, ist 2001 zum Verein gestoßen, der auch Kampagnen lanciert und Bildungsarbeit betreibt: „Mich hat immer schon interessiert, was die Gesellschaft mit dem technischen Fortschritt macht“, erklärt er seine Motivation. Die Leitmedien empfindet er als „gleichgeschaltet“, auch in den Naturwissenschaften. Zehn Jahre habe es beispielsweise gedauert, bis die Kritik an Glyphosat, einem risikobehafteten Pflanzenschutzmittel, endlich in größeren deutschen Zeitungen aufgetaucht sei.
Das GEN sieht sich als Teil einer größeren Bewegung, es ist gut vernetzt mit anderen Akteuren, die den GID wiederum mit ihrer Expertise unterstützen. Potthof ist überzeugt, dass in den letzten 15 Jahren zumindest die grüne Gentechnikpolitik auf der Straße gemacht wurde, „dort wird die Linie vorgegeben, an der die Parteien nicht vorbei können.“

Dennoch hat die Zeitschrift wie viele andere mit Auflagenschwund zu kämpfen. Der Redaktion fehlen die Ressourcen, ein Konzept zu entwickeln, das Offline- und Online-Auftritt in ein richtiges Verhältnis bringt. Möglicherweise, sagt Potthof, helfe dabei Crowdfunding. Inzwischen ist der GID bei Heft 229 angekommen. Es befasst sich schwerpunktmäßig mit der Vorratsspeicherung von Gesundheitsdaten im Rahmen der Nationalen Kohorte, einem auch gen-basierten Bevölkerungs-Screening, über das in anderen Gazetten auch nur wenig Kritisches zu lesen ist.

 

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