Streit um Reform des EU-Urheberrechts

Blick in das Europäische Parlament während einer Plenarsitzung am 2. März 2017.
Foto: Reuters/Yves Herman

Zwei wichtige Abstimmungen wurden kurzfristig verschoben

In den letzten Wochen hat sich die Kontroverse um Kernpunkte der Reform des EU-Urheberrechts zugespitzt. Zwei wichtige Abstimmungen im federführenden Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments wurden kurzfristig verschoben. Welche neuen Regelungen für Urheber_innen, darstellende Künstler_innen und natürlich die gesamte Medienbranche in den Richtlinien und Verordnungen letztendlich stehen werden, ist derzeit nicht vorhersehbar. M liefert hier eine umfangreiche Zusammenfassung des derzeitigen Verhandlungsstandes.

Gecancelt wurde im Rechtsausschuss (JURI) zum einen die lang terminierte Schlussabstimmung über den „Richtlinienentwurf zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“, den die EU-Kommission im September 2016 als Kernstück ihres Urheberrechtspakets („Copyright Package“) vorgelegt hatte. Das liegt weniger an den 996 Änderungsanträgen von Abgeordneten aus den beteiligten Ausschüssen des Europäischen Parlaments als an dem neuen Berichterstatter für die Richtlinie, dem CDU-Politiker Axel Voss, und seinem Engagement für die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger auf EU-Ebene.

Heftiger Streit um das Presseverleger-Leistungsschutzrecht

Ex-Digitalkommissar Günter Oettinger (ebenfalls CDU) hatte einen 20-jährigen Schutz für Onlineartikel auf Drängen deutscher Printkonzerne gegen erheblichen Widerstand in Artikel 11 und 12 in der Richtlinie verankert. Wohl in der Hoffnung, wenn es schon nicht in Deutschland klappt, nun auf EU-Ebene Google & Co. zu Lizenzabgaben an die Verleger zwingen zu können. Zu den Widersachern gehört nicht nur die einzige Piraten-Abgeordnete Julia Reda, die gegen das Leistungsschutzrecht eine Kampagne nach der anderen gestartet hat, sondern auch die maltesische Abgeordnete Therese Comodini Cachia aus der konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP).

Die war aber nun ausgerechnet JURI-Berichterstatterin und ersetzte in ihrem Berichtsentwurf vom März 2017 das neue Verlegerrecht durch eine Vermutungsregelung, nach der Verlage ohne Nachweis der erworbenen Nutzungsrechte künftig besser gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet vorgehen könnten. Denn das war dummerweise ein Hauptargument der Verlegerlobby, warum das neue Leistungsschutzrecht notwendig sei.

Als dann aber Comodini überraschend zurück nach Malta ging, wurde Voss zum neuen Berichterstatter gewählt und brachte als erstes die gesamte EVP-Fraktion auf Kurs pro Presse-Leistungsschutz. Bei den wichtigsten Schattenberichterstattern der Fraktionen – darunter die Sozialdemokratin Lidia Joanna Geringer de Oedenberg aus Polen, der stellvertretende JURI-Vorsitzende Jean-Marie Cavada aus Frankreich von der liberalen ALDE-Fraktion und die Piratin Julia Reda von der Grüne-Fraktion – hat er das aber bisher nicht geschafft. Die für den 10. Oktober geplante Abstimmung wurde verschoben und wird nun voraussichtlich erst am 7. Dezember 2017 über die Bühne gehen.

Dann wird es auch nicht nur darum gehen, ob der Rechtsausschuss dem EU-Parlament in seinem Bericht, die Einführung eines Presseverleger-Leistungsschutzrechts empfiehlt oder nicht, sondern im positiven Fall auch um die finanzielle Beteiligung der Journalist_innen an diesen Verlegereinnahmen – falls sie denn gegen den massiven Widerstand von Google & Co. tatsächlich erzielt werden sollten, was bekanntlich in Deutschland und Spanien scheiterte. Die Europäische Journalisten-Föderation (EFJ) hat hier eine ganz klare Position: Kommt das neue Verlegerrecht, darf es erstens nicht die Urheberrechte der Journalist_innen beeinträchtigen und zweitens sollen die Lizenzeinnahmen über gemeinsame Verwertungsgesellschaften verteilt werden, in denen Urheber_innen und Verwerter_innen vertreten sind.

Über das neue Verlegerrecht wird aber nicht nur im Parlament gestritten, sondern ebenso kontrovers im Europäischen Rat, der Vertretung der EU-Mitgliedsstaaten. Dort werden der Richtlinienentwurf und die Kompromissvorschläge der estnischen Ratspräsidentschaft zum Verleger-Leistungsschutz und zur Verantwortlichkeit von Online-Plattformen derzeit in der „Working Party on Intellectual Property (Copyright)“ diskutiert. Denn in der EU-Gesetzgebung sind alle drei Säulen – Kommission, Parlament und Rat – beteiligt. Kommen sie jeweils intern zu einem Ergebnis, beginnt der „Trilog“, die Verhandlung der Vertreter aller drei Institutionen. Gibt es dabei ein Ergebnis, müssen sowohl das Parlament wie auch der Rat eine Richtlinie oder Verordnung abschließend beschließen.

Online-Dienste: Zwang zu Upload-Filtern oder Lizenzen?

Die Verantwortlichkeit von Online-Plattformen für Inhalte, die von Nutzern hochgeladen werden, ist der zweite große Streitpunkt im Richtlinienentwurf, zu der in diesen Tagen eine Kampagne von 57 europäischen Organisationen für eine Streichung von Artikel 13 gestartet wurde. Unter der Überschrift „Bestimmte Nutzungen geschützter Inhalte durch Online-Dienste“ hat die EU-Kommission gleich mehrere neue Regelungen gepackt, so die, dass Online-Plattformen, auf die Dritte geschützte Inhalte hochladen können (wie beispielsweise YouTube), Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen treffen müssen.

Als Konsequenz würde dies eine ständige Kontrolle der hochgeladenen Inhalte durch Upload-Filter für diese Dienste bedeuten, was nicht nur Internet-Aktivisten und Bürgerrechtsorganisationen auf die Palme bringt, sondern natürlich auch die oft mächtigen und millionenschweren Internetanbieter. Selbst die amtierende Bundesregierung hat starke Bedenken angemeldet, ob diese Regelung nicht gegen das Haftungsprivileg für Online-Diensteanbieter verstößt, das in der E-Commerce-Richtlinie der EU – wie auch im deutschen Recht – festgeschrieben ist.

Verkoppelt hat EU-Kommissar Oettinger dies mit einer anderen Regelung, die Online-Dienste endlich zum Abschluss von Lizenzverträgen mit den Rechteinhabern vornehmlich aus der Musik- und Filmbranche ermuntern soll. Die längst überfällige Beteiligung der Urheber_innen und darstellenden Künstler_innen an dem Milliardengeschäft mit ihren Werken im Internet, droht gegenwärtig also im Zusammenhang mit der Upload-Filter-Verpflichtung gleich mit über Bord geworfen zu werden.

Ebenso könnte ein im Kommissionsentwurf nicht enthaltenes „unverzichtbares Recht auf eine angemessene Vergütung“ für Urheber_innen und Interpret_innen scheitern, deren Werke auf On-Demand-Plattformen eingestellt werden. Hierfür kämpft seit Jahren die SAA (Society of Audiovisual Authors), zu der sich 25 Verwertungsgesellschaften aus 18 europäischen Ländern zusammengeschlossen haben, unterstützt von den europäischen Dachverbänden der Filmregisseur_innen (FERA), Drehbuchautor_innen (FSE) und Journalist_innen (EFJ). Für ein solches Recht hat mittlerweile der Kultur- und der Industrieausschuss des EU-Parlaments votiert.

„Transparenz-Triangel“ – etwas Urhebervertragsrecht

Der Richtlinienentwurf enthält außerdem weitere Regelungen zum Text- und Data-Mining, zu vergriffenen Werken, zur Ausweitung von Werknutzungen in Bildungseinrichtungen und Forschung u.a., denn die Richtlinie ist quasi ein Artikelgesetz, das die EU-Urheberrechtsrichtslinie von 2010 (InfoSoc Directive) sowie die Vermiet- und Verleih-Richtlinie von 1996 ergänzt – so durch eine Regelung, die wieder eine Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften ermöglichen soll.

Für Urheber_innen und darstellenden Künstler_innen wichtig sind die Artikel 14 bis 16, die sogenannten „Transparenz-Triangel“. Ähnlich wie bei der unzureichenden Reform des Urhebervertragsrechts in Deutschland (M Online vom 18. Januar 2017) wird nun auf EU-Ebene ein Auskunftsrecht über die Nutzung der von ihnen übertragenen Rechte sowie – vielleicht sogar – erzielten Einnahmen, eine Art Bestseller-Klausel und ein Schiedsverfahren bei Streitigkeiten über Vergütungen eingeführt, die alle zusammen die Möglichkeit einer Vertragsnachbesserung, also Nachhonorierung, ermöglichen – je nachdem, was letztlich als Richtlinientext beschlossen und dann später von den einzelnen Mitgliedsstaaten in nationalen Gesetzen umgesetzt wird. Das kann in Ländern, in denen die Rechte der Autor_innen eher weniger ausgeprägt sind, einiges bringen und ist deshalb gegenwärtig Schwerpunkt der Lobbytätigkeit der EJF.

EU-weite Lizenzen für TV-Filme in Mediatheken?

Auch das zweite für den 10. Oktober geplante Urheberrechtsvotum, die Abstimmung über den „Verordnungsentwurf über Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern“, wurde wegen einer Kontroverse im JURI-Ausschuss einen Tag vor der Sitzung von der Tagesordnung abgesetzt. Im Moment hört man, die Abstimmung solle auf dem JURI-Meeting am 21. November stattfinden. So muss es aber nicht kommen.

Diese neue Verordnung ist eine Fortschreibung der EU-Kabel- und Satelliten-Richtlinie, nachdem eine ursprünglich erwartete grundlegende Reform der Richtlinie von 1993 gekippt wurde. Sie wird deshalb von Brüsseler Insidern auch „Cab/Sat Regulation“ genannt. Und bei der hat der Berichterstatter des Europäischen Parlaments, der niedersächsische SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken, wie sein CDU-Pendant Axel Voss beim Urheberrechtsrichtlinienentwurf bisher keinen Konsens über seinen Berichtsentwurf und die 309 Änderungsanträge mit den wichtigsten anderen Fraktionen finden können. Hauptknackpunkt ist die Verankerung des Territorial- beziehungsweise Herkunftslandprinzips in Artikel 2.

Im Vorschlag, den die EU-Kommission im September 2016 vorgelegt hat, ist für „ergänzende Online-Dienste“ von Rundfunkveranstaltern das Herkunftslandprinzip vorgesehen, also beispielsweise für die Mediatheken-Angebote der Fernsehsender. Demnach müssten TV-Sender die Online-Rechte eines Films nur noch für ein EU-Mitgliedsland erwerben, könnten den Abruf dieses Films aber in ihrem Online-Angebot im gesamten EU-Binnenmarkt ermöglichen. Dafür setzen sich in Deutschland ARD und ZDF ein, während die privaten Sender und ihr Verband VPRT dagegen kämpfen. Kräftig mischt hierzulande die FAZ mit einer regelrechten Artikel-Kampagne mit – natürlich gegen die Öffentlich-Rechtlichen.

Gegen die geplante Abschaffung des Territorialprinzips kämpft die europäische Filmbranche seit Monaten, denn dies würde „zu negativen Konsequenzen in den Herstellungs- und Refinanzierungsbedingungen von unabhängigen Filmproduktionen“ führen, so die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO). 412 Filmunternehmen und Branchenverbänden aus ganz Europa haben in einem offenen Brief an die EU-Führung den Erhalt des Territorialitätsprinzips gefordert, wie zuvor bereits Filmemacher aus ganz Europa in einem Appell von Cannes. „Denn genau diese Territorialität ermöglicht den Zuschauern den Zugang zu den unterschiedlichsten, europaweit finanzierten Werken“, heißt es darin.
Auch die Dokumentarfilmer der AG DOK verweisen in einem Brief an die Europa-Abgeordneten darauf, dass die Erlöse aus Onlineverwertungen und die Möglichkeit zu internationalen Koproduktionen zu ihren wichtigsten Quellen zählen, um Finanzierungslücken zu schließen.

Am 21. Juni 2017 hatten sich die Ausschüsse für Kultur und für Industrie des Europäischen Parlaments gegen die geplante Abschaffung des Territorialprinzips ausgesprochen, der Kulturausschuss (CULT) mit Mehrheit gegen den Vorschlag seiner Berichterstatterin, der Sozialdemokratin Petra Kammerevert. Und obwohl Tiemo Wölken in seinem Berichtsentwurf am Herkunftslandprinzip festhält, war die Filmwirtschaft – und mit ihr die FAZ – fest davon ausgegangen, dass er sich dem Votum des Kulturausschusses anschließen würde, der das Herkunftslandprinzip auf audiovisuelle Werke beschränken will, die von Rundfunkveranstaltern „in Auftrag gegeben und vollständig finanziert“ werden.

Doch das war wohl eine falsche Einschätzung, wie die FAZ exklusiv unter dem Titel „Komplott bei der EU“ berichtete, geschmückt mit ausgiebigen Zitaten der CSU-Europaabgeordneten Angelika Niebler und des SPIO-Präsidenten Alfred Holighaus.
„Der Kulturausschuss des EU-Parlaments hatte entschieden, dass die Rechte von Kreativen zur Online-Verwertung ihrer Werke nicht eingedampft werden. Nun hat ein SPD-Politiker die Sache umgedreht. Triumphiert die Lobby der Sender?“, ruft die Frankfurter Allgemeine zur Gegenwehr und munkelt von Zurufen zwischen der „WDR-Rundfunkrätin Petra Kammerevert“ und ihrem Parteikollegen Wölken über den Büroflur in Brüssel oder Deals im Rechtsausschuss. Nach Verschiebung der Abstimmung, kommentierte die FAZ: „In letzter Minute“. Ja, so spannend kann es im „Bürokratenhaufen“ in Brüssel zugehen – und im Journalismus. Fortsetzung folgt.

Angemessene zusätzliche Vergütung für Urheber_innen

Keine Rolle spielen in diesem medienöffentlichen Gerangel die Interessen der Urheber_innen. So sieht der Berichtsentwurf von Tiemo Wölken für die Ausweitung der Mediathekennutzung von Filmen und Fernsehserien eine angemessene zusätzliche Vergütung für Urheber_innen und Künstler_innen bzw. Wahrnehmungsberechtigte vor, auf die nicht verzichtet werden kann. Dieses hatte auch die Initiative Urheberrecht in ihrer Stellungnahme gefordert.

Für die audiovisuellen Urheber_innen ist auch noch ein anderer Aspekt der Verordnung wichtig, der in den Medien bisher keine Rolle spielte, nämlich die „Ausübung der Weiterverbreitungsrechte durch andere Rechteinhaber als Rundfunkveranstalter“ in Artikel 3. Hier geht es auch darum, die bisherige Kabelweiterverbreitung auf andere Weiterverbreitungstechniken als dem Kabel zu erweitern, um Urhebern_innen auch künftig die nicht unbeträchtlichen Lizenzeinnahmen aus der Weiterverbreitung ihrer Werke zu sichern.

Denn mittlerweile werden 78 Prozent der Fernsehkanäle, die in der EU an TV-Plattformen geliefert werden, per Direkteinspeisung übermittelt. Das Problem: Die neue Weiterverbreitungsform ist naturgemäß von der Kabel- und Satelliten-Richtlinie der EU von 1993 nicht erfasst. Nach Gerichtsverfahren in einer Reihe von Mitgliedstaaten bedeutet dies, dass die TV-Anbieter nicht wie bisher bei der Kabelweiterverbreitung für Lizenzgebühren haften. Die europäischen Dachverbände der audiovisuellen Urheber und Produzenten, SAA und AGICOA, sehen darin eine „allmähliche Erosion“ der jährlich an audiovisuelle Urheber_innen und Produzenten_innen gezahlten 250 Millionen Euro Lizenzgebühren und haben die politischen Entscheidungsträger zu gesetzgeberischen Maßnahmen aufgefordert, nämlich die Begriffe Weiterübertragung oder -leitung technologieneutral auszugestalten.

Was noch ansteht und was schon abgehakt ist

Obwohl Richtlinien- und Verortdnungsentwurf hier schon viel Raum zur Erläuterung eingenommen haben, sind es eben nur zwei der insgesamt ein halbes Dutzend Gesetzgebungsverfahren zur Reform des EU-Urheberrechts in dieser Amtsperiode der europäischen Gremien, die 2019 endet. Weitere können nach dem Wechsel Günter Oettingers in die Finanzdirektion nicht mehr erwartet werden

Breites Interesse, viele Diskussionen und in vielen Punkten Widerspruch in und außerhalb des Europäischen Parlaments sowie etliche kontroverse Kampagnen hatte gleich zu Beginn der Amtsperiode im Januar 2015 der sogenannte Reda-Report hervorgerufen, also der Berichtsentwurf der Julia Reda, Europaabgeordnete der Piratenpartei, für den Rechtsausschuss zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2001 (InfoSoc Directive). Obwohl ihm bei der Abstimmung im Parlament am 9. Juli 2015 viele „Zähne gezogen wurden“, waren damit doch etliche der Themen der Urheberrechtsreform gesetzt, insbesondere die geforderte „Abschaffung des Geoblockings“.

Zum Geoblocking und wie weit es abzuschaffen sei, gab es auch in der EU-Kommission gravierende Meinungsunterschiede. Dies schlägt sich in drei Gesetzesinitiativen nieder, von denen eine schon endgültig beschlossen wurde:

Portabilitätsverordnung: Im Juni 2017 haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die „Verordnung zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltsdiensten im Binnenmarkt“ (Verordnungsbeschluss) beschlossen. Damit können die neuen Regelungen am 1. Januar 2018 in Kraft treten.

Die Verordnung, die unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten gelten wird, soll Verbrauchern die Möglichkeit bieten, Online-Inhaltedienste wie Netflix oder Spotify und Abonnements für Filme, Sportberichte, Musik, E-Books oder Spiele bei Online-Diensten, die sie in ihrem Heimatland abonniert oder gekauft haben, auch dann zu nutzen, wenn sie sich vorübergehend in einem anderen EU-Land aufhalten – etwa im Urlaub oder bei einem Auslandssemester. Die Anbieter müssen deshalb prüfen, wo Kunden ihren Wohnsitz haben. Die Verordnung gilt nur für kostenpflichtige Online-Dienste. Öffentlich-rechtliche Rundfunksender können selbst entscheiden, ob sie diese Regeln auch auf ihre Programme anwenden.

Geoblocking-Verordnung: Der Europäischer Rat hat sich am 28. November 2016 über den „Verordnungsentwurf über Maßnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking“ geeinigt. Keine Rolle spielen dabei urheberrechtlich geschützte Inhalte und die Lizenzvergabe für solche Inhalte. Online-Händlern soll es künftig untersagt werden, Kunden aus anderen Mitgliedsstaaten den Zugang zu ihren Online-Portalen zu verwehren, sie automatisch zu einer anderen nationalen Webseite mit möglicherweise teureren Waren- oder Dienstleistungsangeboten umzuleiten oder sie nicht zu beliefern.
Vom Verordnungsvorschlag sind audiovisuelle und andere Dienste ausgeschlossen.

Damit liegt der gemeinsame Standpunkt des Rates vor, sodass Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens der EU aufgenommen werden können. Ein Ergebnis gibt es bisher nicht.

AVMD-Richtlinie: Auch bei der Reform der „Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste“ (AVMD-Richtlinie) spielt das Geoblocking unter dem Stichwort „Fernsehen ohne Grenzen“ mit hinein. Um Urheberrecht geht es allerdings in der AVMD-Richtlinie nicht, sondern um Auflagen für Kinder- und Jugendschutz, mehr Flexibilität im Werbebereich für Fernsehsender und bei Produktplatzierung sowie um Sponsoring. Dabei soll der Geltungsbereich der Richtlinie auf Streaming-Dienste und Video-on-Demand-Angebote (VoD) wie YouTube und Netflix ausdehnt werden. Diese sollen beispielsweise verpflichtet werden, „kommerzielle Kommunikation”, also Werbung, klarer zu kennzeichnen. Wie von Filmemachern gefordert, sollen VoD -Dienste einen Mindestanteil von 30 Prozent europäischer Filme vorhalten und sich an den europäischen Filmfördersystemen beteiligen.

Ein Vorschlag für die AVMD-Richtlinie war von der Europäischen Kommission im Mai 2016 vorgelegt worden. Am 18. Mai 2017 hat das EU-Parlament die Empfehlung des Kulturausschusses für die Richtlinie bestätigt und ihm das Verhandlungsmandat mit dem EU-Rat und der EU-Kommission übertragen.

Außer den genannten Richtlinien und Verordnungen spielt urheberrechtlich noch die Umsetzung des Marrakesch-Vertrags eine Rolle. Die World Intellectual Property Organization (WIPO) hatte 2013 in Marrakesch einen neuen „Vertrag über urheberrechtliche Schrankenregelungen für Blinde und Sehbehinderte“ beschlossen. Der Marrakesch-Vertrag verpflichtet alle Unterzeichner, Schrankenregelungen in ihren Urheberrechten vorzusehen, und erlaubt Blindenorganisationen künftig die Weitergabe von Werken in für Blinde und Sehbehinderte zugänglichen Formaten auch über Grenzen hinweg. Im Gegenzug kann der Gesetzgeber eine Pauschalvergütung vorsehen.

Die EU hatte den Marrakesch-Vertrag im April 2014 zwar unterzeichnet, doch ist ein Beitritt bisher noch nicht erfolgt. Im September 2016 hatte die EU-Kommission einen Verordnungs- und einen Richtlinienentwurf zur Umsetzung vorgelegt. Denen und der Ratifizierung des WIPO-Vertrags haben Parlament und Rat im Juli 2017 zugestimmt. Die Richtlinie erlaubt Bibliotheken und Blindenorganisationen die Herstellung der Braille- oder Hörversionen, die Verordnung regelt den grenzüberschreitenden Austausch von Werken, die bereits in einem Land für Menschen mit Sehbehinderung angeboten werden.

Die Mitgliedstaaten haben ein Jahr Zeit, um die neuen Vorgaben in ihr nationales Recht umzusetzen. Bereits heute existiert im deutschen Urheberrechtsgesetz eine Regelung zu Gunsten von Menschen mit Behinderungen (§ 45a UrhG). Das deutsche Gesetz muss deshalb nur sinnvoll weiterentwickelt werden. So muss die Online-Nutzung neu in das Gesetz aufgenommen werden.

 

 

 

 

 

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