Bei der Abstimmung über die künftige EU-weite Nutzung von Mediatheken der Rundfunkveranstalter konnten sich am 21. November die Konservativen und Liberalen mit dem Territorialprinzip durchsetzen. Damit können die Rechteinhaber weiterhin Einzellizenzen an unterschiedliche Fernsehsender in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verkaufen. Für aktuelle Programme wie Nachrichtensendungen soll hingegen eine EU-weite Lizenz eingeführt werden.
Mit dem heftig umstrittenen Artikel 2 der „Verordnung über Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern“ sollte für „ergänzende Online-Dienste“ von Rundfunkveranstaltern das Herkunftslandprinzip eingeführt werden. So steht es im Verordnungsentwurf, den die EU-Kommission im September 2016 auf den Weg brachte, um die EU-Kabel- und Satelliten-Richtlinie von 1996 an das digitale Zeitalter anzupassen. Voraussichtlich am 11. Dezember wird sich nun das Plenum des EU-Parlaments mit der neuen Verordnung befassen.
Bereits im Vorfeld der wichtigen Abstimmung im Rahmen der EU-Urheberrechtsreform startete vor Monaten eine beispiellose Kampagne der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO), der Produzentenallianz und der privaten Rundfunkveranstalter (VPRT), kräftig unterstützt durch eine Artikelserie im Feuilleton der FAZ. Dabei ging es nicht nur massiv gegen den SPD-Europaabgeordneten Tiemo Wölken, Berichterstatter im federführenden Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments (JURI) und Verfechter des Herkunftslandprinzips, sondern insgesamt gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Denn ARD und ZDF hatten den Kommissionsvorschlag, nach dem sie durch das Herkunftslandprinzip die Lizenzrechte beim Vertragsabschluss mit den Fernsehfilm- und TV-Serienproduzenten gleich europaweit erworben hätten, naturgemäß begrüßt. Dass beide Rundfunkanstalten sich bisher bei Zusatzvergütungen für die Mediathekennutzung geizig zeigen, trieb allerdings auch die Verbände der Filmurheber_innen in das Bündnis mit der Filmindustrie.
Deren Kampagne lief auf Hochtouren auch dann weiter, als den Abgeordneten im Rechtsausschuss seit dem 4. Oktober längst ein Kompromissvorschlag für den umstrittenen Verordnungsartikel 2 vorlag, den Sozialdemokraten mit Grünen und Linken erarbeitet hatten. Dieser rüttelte nicht generell am Herkunftslandprinzip, beschränkte dieses aber auf audiovisuelle Werke, die von Rundfunkveranstaltern „in Auftrag gegeben und vollständig finanziert“ werden. Zudem sollten Sportveranstaltungen, erworbene Kinofilmwerke und gekaufte Episoden von audiovisuellen Serien und Fictions, Koproduktionen sowie Auftragsarbeiten, „die nicht überwiegend von der Rundfunkveranstalter finanziert wurden“, vom einmaligen Rechteerwerb durch die Sender ausgeschlossen werden.
Konservative und Liberale (EVP, ECR, ALDE) opponierten jedoch dagegen und beharrten auf dem Territorialprinzip. Damit konnten sie sich bei der Abstimmung im Rechtsausschuss letztlich auch knapp durchsetzen. „Wir haben eine Chance vertan, für die europäischen Verbraucher mehr Zugang zu Inhalten zu schaffen“, reagierte Tiemo Wölken laut Süddeutsche.de auf das Ergebnis. Die „Kreativindustrie“ hingegen zeigte sich mit diesem JURI-Votum überaus zufrieden. „Es ist erfreulich, dass der Rechtsausschuss nicht fehlverstandenen Verbraucherinteressen nachgegeben hat. Stattdessen wurden die Belange der audiovisuellen Kreativindustrie berücksichtigt, erklärte der Vorstandsvorsitzende des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), Hans Demmel. Auch die Produzentenallianz begrüßte das „Votum zur Sicherung der Film- und Kinoproduktion in Europa als Schritt in die richtige Richtung“. Ebenfalls froh zeigte sich nach der Entscheidung laut mediabiz SPIO-Präsident Alfred Holighaus: „Die vorgesehene Privilegierung der Rundfunkanstalten und Fernsehsender hätte den Produktions- und Lizenzmarkt gravierend verändert, die Verhandlungsmacht von klein- und mittelständischen Produzenten ernsthaft geschwächt und sie der noch stärkeren Abhängigkeit von Fernsehanstalten ausgeliefert“.