Berufsverband erleichtert Recherche und Einblick in die Rotlicht-Branche
Sex geht immer als Thema im Journalismus. Weil dieses Jahr die Prostitution in Deutschland gesetzlich neu geregelt werden soll, stehen Berichte aus dem „Rotlichtbezirk” ganz oben. Dabei ist „die öffentliche und die mediale Debatte über Prostitution zum Teil noch immer durch Vorurteile, fehlendes Wissen und Skandalisierung geprägt”. So schätzt der Bundesrat die Lage ein in einer Entschließung aus dem Frühjahr.
JournalistInnen haben neuerdings mit dem Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) einen weiteren Ansprechpartner für einschlägige Recherchen. Bisher gab es schon den Bundesverband sexuelle Dienstleistungen – dort sind viele Betreiber organisiert – und die Fachberatungsstellen.
„Das Thema ist zugemüllt mit Vorurteilen und Klischees”, sagt Hanna Hofmann, Mitglied beim BesD. Ganz zuvörderst ist es die Gleichsetzung von Prostitution mit massenhafter Zwangsprostitution, die sie und ihren Verband umtreibt. Zunächst sei dabei schon mal die Zahl von 400.000 oder mehr Prostituierten in Deutschland wenig fundiert. Eine realitätsnähere Zahl liege wohl bei deutlich weniger als der Hälfte, so Hofmann. Sie stützt sich dabei auf Zahlen des „Runden Tisches Prostitution”, den das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen organisiert.
Manche Medien arbeiten einer schärferen Regulierung zu, wenn etwa Deutschland zum Bordell Europas erklärt wird. Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer stieß eine Kampagne an, legale Prostitution abzuschaffen, die von vielen Prominenten getragen wird. Auch das in Schweden eingeführte Verbot, sexuelle Dienstleistungen einzukaufen (Sexkauf-Verbot) und eine – vorläufig zwar gescheiterte – ähnliche Gesetzesvorlage in Frankreich verstärken in Deutschland den Regulierungsdruck.
Der Ende 2013 gegründete BesD würde gerne andere Themen setzen. Die Mitgliederzahl in ihrem Verband sei zwar noch steigerungsfähig, zum aktiv mitarbeitenden Umfeld gehörten aber mehrere hundert SexarbeiterInnen, sagt Johanna Weber, die politische Sprecherin des BesD. Ein Kongress am 24. September in Berlin soll neben Öffentlichkeit auch einen Schub im Organisationsgrad bringen (www.sexarbeits-kongress.de).
Der BesD setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen von SexarbeiterInnen ein. Er macht zum Beispiel Vorschläge, wie das Gewerberecht reformiert werden kann, ohne dass nur noch Großbordelle eine Lizenz erhalten, wie es in Wien passiert sei. Sexarbeiterinnen dürften auch nicht durchs Gewerberecht zwangsweise geoutet werden. Die Folge sei Diskriminierung im sozialen Umfeld bis hin zur Gefahr, dass Prostituierte das Sorgerecht für ihre Kinder verlieren.
Weber ist selbst bei ver.di im Fachbereich besondere Dienstleistungen organisiert. Sie fordert statt der bisher gängigen Ausstiegsberatung auch eine regelrechte Einstiegsberatung für Prostituierte. Das könne die Arbeitsbedingungen in der Branche verbessern, in der etwa 90 Prozent Frauen beschäftigt sind (etwa fünf Prozent sind jeweils Männer und Transsexuelle). Webers Kriterium für eine Unterstützung bei der Sexarbeit: „Wenn das eine eigenständige Entscheidung war, in die Prostitution zu gehen, dann ist das zu akzeptieren.” Es könne auch schiere Geldnot sein, die Frauen zum Anschaffen bringt. Weber wirbt dafür, alle Formen der Prostitution vom Straßenstrich bis zum exklusiven Escort-Service in der Legalität zu halten. Verbote würden besonders Einsteigerinnen nur in zusätzliches Elend stürzen, stärker in die Arme von „Beschützern” treiben. Beim Thema Zwangsprostitution wünscht sie sich einen genaueren Blick: „Ja, es gibt auch schlechte Arbeitsplätze in unserer Branche und es gibt auch Gewalt, aber das ist nicht die Mehrzahl. Wir wünschen uns auch, dass es diese Arbeitsplätze nicht gibt.”
Miese Arbeitsbedingungen sollten nicht mit Zwangsprostitution verwechselt werden, sagt Undine de Rivière, Pressesprecherin des BesD. Sie unterscheidet die Opfer von Menschenhandel von den Opfern der ökonomischen Umstände. Viele Frauen gingen in die Prostitution, „weil Sexarbeit in Deutschland im Vergleich zur wirtschaftlichen Situation in ihren Herkunftsländern die beste der ihnen zur Verfügung stehenden Alternativen ist”. Das träfe selbst auf Krankenschwestern oder Akademikerinnen zu, aber noch mehr auf Frauen aus prekären Verhältnissen. Für de Rivière kann bei Armutsprostitution Hilfe zum Umstieg in andere Berufe sinnvoll sein. Sie setzt aber auch auf Information, Bildung, Empowerment: „Wenn die Frauen in der Sexarbeit bleiben wollen, brauchen sie Angebote zum Erwerb von Zusatzqualifikationen, damit sie bestimmen können, welche Dienstleistungen sie anbieten und sich ihre Kunden aussuchen.”
Mit der Skandalisierung schwindet ein Teil der Faszination des Rotlicht-Gewerbes. Die BesD-Aktiven machen Berufspolitik, reden über Mindeststandards für Bordelle, berufliche Weiterbildungsangebote oder über bessere Wertschöpfung in der Sexarbeit. Auch darüber zu berichten, könnte helfen, dass Sexarbeit selbstbestimmter ausgeübt wird.