BVerfG stärkt Rundfunkfreiheit

Razzia bei Radio Dreyeckland in Freiburg, Foto: RDL

Eine Hausdurchsuchung im Jahr 2022 bei einem Redakteur des freien Radios Radio Dreyeckland in Freiburg verstieß gegen die Pressefreiheit und war verfassungswidrig, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Damit kippt das höchste Gericht eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart.

Eine juristische Auseinandersetzung um Hausdurchsuchungen 2022 in Freiburg hat nun vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Ende gefunden. Durchsucht wurde die Wohnung von Fabian Kienert und die Räumlichkeiten von Radio Dreyeckland (RDL).  Nach gegensätzlichen Urteilen vor untergeordneten Gerichten,  hat das Verfassungsgericht nun der Verfassungsbeschwerde von Kienert gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart stattgegeben. „Einstimmig“ wird festgestellt, dass gegen sein „Grundrecht aus Artikel 5, Absatz 1, Satz 2“ des Grundgesetzes verstoßen wurde. Darin wird das Recht auf Meinungsfreiheit ausgeführt. Der zweite Satz lautet: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“

Die Entscheidung hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) veröffentlicht. Die GFF hatte, gemeinsam mit dem Journalisten und der Rechtsanwältin Angela Furmaniak, die Beschwerde eingereicht. „Das Bundesverfassungsgericht stellt in erfreulicher Deutlichkeit klar, dass die Strafverfolgungsbehörden auch dann die Rundfunk- und Pressefreiheit beachten müssen, wenn sie gegen eine* Journalist*in ein Strafverfahren führen“, erklärt die Rechtsanwältin. Furmaniak ist froh, dass das Bundesverfassungsgericht „eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart korrigiert hat, „die gleich in mehreren Punkten ein verfassungsrechtlich unzureichendes Verständnis der Strafprozessordnung offenbarte.“

Klare Worte aus Karlsruhe

Die GFF ist erfreut, dass Karlsruhe klare Worte gefunden hat. „Durchsuchungen in Redaktionsräumen und Wohnräumen von Journalist*innen gefährden das Redaktionsgeheimnis und den Quellenschutz“, erklärt der Jurist David Werdermann, der das Verfahren für die GFF koordiniert hat. „Ein so schwerer Eingriff in die Pressefreiheit kann nicht auf vage Vermutungen gestützt werden.“ Er stellt fest, dass das Bundesverfassungsgericht „der Staatsanwaltschaft, dem Amtsgericht Karlsruhe und dem Oberlandesgericht Stuttgart hier dringend nötige Nachhilfe in Grundrechten“ gegeben habe.

Vor allem hat das Verfassungsgericht das Oberlandesgericht abgewatscht. Das habe keine „verfassungsrechtlich tragfähige Darlegung des Tatverdachts“ vorgelegt. Es hätte „konkrete Tatsachen vorlegen“ müssen, dass die 2017 vom Bundesinnenministerium verbotene Vereinigung linksunten.indymedia noch existiert, die Kienert angeblich unterstützt haben soll. Das hatte das  Oberlandesgericht als erwiesen angesehen, weil der Redakteur 2017 als Hintergrund für einen Artikel auf einen Beitrag im Archiv des verbotenen Portals verlinkt hatte. Das stelle keine Unterstützung für die Weiterbetätigung der Vereinigung dar, hatte das untergeordnete Landgericht Karlsruhe schon im letzten Jahr einen Freispruch auch gegen Kienert begründet. Die Durchsuchung der Radio-Redaktionsräume und einer zweiten Privatwohnung wurden dabei für unzulässig erklärt.  „Ein kritischer Journalist muss Verbote kritisieren dürfen“, hatte der Vorsitzende Richter zum Kienert-Artikel erklärt.

Kurt-Michael Menzel, Geschäftsführer des ehemaligen Piratensenders und ersten freien Radios in Deutschland begrüßt, dass der Schutz der Presse- und Rundfreiheit und die erlassenen Bestimmungen zu Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmefreiheit auch in den Privaträumen von Journalist*innen bestätigt worden sei. RDL fordert politische und personelle Konsequenzen angesichts des verfassungswidrigen Vorgehen. Menzel hofft, dass die Polizei und Staatsanwaltschaften endlich daran denken, dass Pressefreiheit auch für möglicherweise unliebsame Freie Radios gilt.

Unerlaubter Eingriff in die Privatsphäre

Eine „Genugtuung“ sei der Beschluss, erklärt Kienert im Gespräch mit M. Er ist erfreut, dass es real „keine Strafrechtlichen Folgen“ für ihn geben wird und das Verfahren beendet ist, dass ihn viel Kraft und Zeit gekostet hat. Es habe sich erneut gezeigt, dass Durchsuchungen ohne rechtliche Grundlage angeordnet werden, „auch der Richtervorbehalt nur wenig Wert ist“, solche Beschlüsse leichtfertig durchgewunken würden. Neben der Tatsache, dass Computer und Datenträger beschlagnahmt wurden, ist er auch über den schweren einschüchternden tiefen „Eingriff in seine Privatsphäre“ bestürzt. „Das heilt auch des Verfassungsgericht nicht komplett, wenn man am frühen Morgen acht Polizisten in der Wohnung hat.“ Zum Quellenschutz empfiehlt er, „alle Computer und Sicherungen zu verschlüsseln“ und dazu „sichere Kommunikation mit seinen Quellen“ zu benutzen. Doch auch die soll nun ausgehebelt werden, verweist er auf die laufende Debatte in der EU um die Chatkontrolle.


Schutzbereich der Pressefreiheit gilt auch für Wohnungen und journalistische Kommunikationsmittel

Auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di begrüßt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Durchsuchung bei einem Mitarbeiter von Radio Dreyeckland und sieht darin eine wichtige Klarstellung zum Schutzbereich der Rundfunk- und Pressefreiheit.

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