Dreyeckland: Der Link ist rechtens

Razzia bei Radio Dreyeckland in Freiburg, Foto: RDL

Das Landgericht Karlsruhe entschied gestern, die Anklage gegen einen Redakteur des Senders Radio Dreyeckland (RDL) nicht zuzulassen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, in einem RDL-Artikel auf die Archivseite der verbotenen Plattform linksunten.indymedia verlinkt und damit eine verbotene Organisation unterstützt zu haben. Das Gericht entschied nun, dass die Verlinkung Teil der journalistischen Aufgaben sei und daher keine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung.

Damit zeichnet sich ab, dass die im Januar angeordneten Durchsuchungen von Wohnungen und Redaktionsräumen rechtswidrig waren. Das Landgericht ordnete außerdem wegen der hohen Bedeutung für das Redaktionsgeheimnis und den Informant*innenschutz an, dass die Polizei die angefertigten Kopien der ursprünglich beschlagnahmten Datenträger löschen muss. Über die von RDL und den betroffenen Journalisten eingelegten Beschwerden gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse hat das Landgericht noch nicht entschieden.

Im Juli 2022 berichtete RDL über das Verbot von linksunten.indymedia 2017 durch das Bundesinnenministerium. Als Hintergrundinformation für die Leser*innen verlinkte RDL auf die Archivseite des verbotenen Portals. Daraufhin ordnete das Amtsgericht Karlsruhe die Durchsuchung der Redaktionsräume sowie der Wohnungen zweier Redakteure an. Dabei beschlagnahmte die Polizei mehrere Laptops mit umfangreicher redaktioneller Kommunikation.

Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) begrüßt die Entscheidung des Gerichts. Sie zeige, dass dieses Vorgehen einen rechtswidrigen Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit darstelle. Journalist*innen machten sich in der Regel nicht strafbar, wenn sie im Rahmen der Berichterstattung auf rechtlich umstrittene Webseiten verlinkten. Das Landgericht ziehe zudem in Zweifel, ob der verbotene Verein linksunten.indymedia überhaupt noch existiere. Ein nicht mehr existenter Verein könne auch nicht unterstützt werden“ heisst es in der Pressemitteilung.

„Ich bin sehr erleichtert, dass das Landgericht Karlsruhe die Pressefreiheit verteidigt hat. Der Schaden ist damit aber nicht aus der Welt: Die Hausdurchsuchung hat meine Privatsphäre verletzt. Und sicher sind Journalist*innen verunsichert worden, wie sie über verbotene Organisationen berichten dürfen“, kritisiert Fabian Kienert, der RDL-Redakteur, gegen den Anklage erhoben worden war. „Die Ermittlungen gegen Radio Dreyeckland hätten gar nicht erst eingeleitet werden dürfen. Das muss Konsequenzen haben.“

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