60 Zusteller behalten Jobs beim Nordkurier

Seit 1999 auch mit Postsendungen und inzwischen oft mit dem Auto unterwegs: Die Kündigung von 60 Nordkurier-Zustellern ist seit 15. Januar vom Tisch. Archivfoto: dpa/ Stefan Sauer

Die Nordkurier-Mediengruppe in Neubrandenburg hat die Ende Dezember 2017 ausgesprochenen Kündigungen von 60 Zusteller_innen in der Region Mecklenburger Seenplatte zurückgenommen. Eine gewerkschaftliche Protestkundgebung wurde deshalb ausgesetzt. ver.di hatte die Entlassungen in Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsratsgründung bei der Zustellgesellschaft gesehen. Die Rausschmisse zu Weihnachten alarmierten Leser, aber auch die Landespolitik.

Der Kehrtwende im Januar vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen Nordkurier-Geschäftsführer Lutz Schumacher und betroffenen Zustellern. Nun soll der Nordkurier-Zustellbetrieb in Teterow nicht dichtgemacht werden. Das war zunächst mit Qualitäts- und Organisationsmängeln begründet worden. Da die Vollzeitstellen für die Zusteller_innen, die sowohl Zeitungen als auch Postsendungen austragen, über eine Zeitarbeitsfirma bereits neu angeboten worden waren, bestanden an der bereits zum 31. Januar 2018 verkündeten Betriebsstillegung nicht nur rechtliche Zweifel. Nun heißt es, dass die Teterower Zustell-GmbH personell verkleinert werde; zugleich soll ein neuer Betrieb gegründet werden. Beide Gesellschaften sollen dann deckungsgleich mit den Kreisgrenzen sein. Vor allem die steigende Zahl von Post- und Paketsendungen habe bisher im Zustellbereich mit zwei unterschiedlichen Landkreisen zu Problemen geführt, verlautete aus der Chefredaktion. Einen Zusammenhang mit der geplanten Betriebsratsgründung wies man in der Geschäftsführung zurück. Doch sollen Teile der bisherigen Belegschaft in die neue Gesellschaft „überführt“ werden. Thomas Ebeling, zuständiger Gewerkschaftssekretär bei ver.di Nord, sieht das als Betriebsübergang nach § 613a BGB. „Wir gehen auch davon aus, dass in beiden Betrieben dann ein Betriebsrat gewählt wird“, so der ver.di-Mann.

Die Anfang November eingeleitete Wahl einer Interessenvertretung in der bisherigen Gesellschaft habe den schwierigen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, in der Mehrzahl Frauen, Rechnung getragen. Über zahlreiche unbezahlte Überstunden werde geklagt. Die Arbeit beginnt in der Regel um 2 Uhr nachts und schließt nach der Zeitungszustellung eine zweite Tour zur Brief- und Paketauslieferung ein. Dafür zahlt das Unternehmen den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn. Der Nordkurier hatte 2014 seine Logistiksparte umgestellt und statt Minijobbern Vollzeitkräfte in der Zustellung eingestellt, aktuell in der Mediengruppe insgesamt 850.

Für die Rücknahme der 60 Kündigungen dürfte öffentlicher Druck maßgeblich gewesen sein. „Die Einsicht der Geschäftsführung kam gerade noch rechtzeitig, um noch größeren Schaden abzuwenden“, so der zuständige ver.di-Fachbereichsleiter Postdienste Lars-Uwe Rieck. Er forderte die Chefetage jetzt zu gemeinsamen Gesprächen auf. Viele Leser hatten sich über die Rausschmisse bewährter Zusteller_innen beschwert und mit Abo-Kündigungen gedroht. Landespolitiker von SPD, Linke und CDU hatten sich eingeschaltet und von einer „Riesensauerei“ gesprochen. Vor wenigen Tagen bot sich CDU-Wirtschaftsminister Harry Glawe als Vermittler an. ver.di hatte ihn bereits akzeptiert.

Weitere aktuelle Beiträge

Streik bei TikTok wird fortgesetzt

TikTok-Beschäftigte in Berlin legten heute ihre Arbeit nieder und fuhren mit einem Streikboot direkt an ihrer Geschäftsführung vorbei. Nachdem ver.di zum Streik aufgerufen hatte, waren zahlreiche Beschäftigte gefolgt. Es ist der erste Streik bei einer Social-Media-Plattform in Deutschland überhaupt, an dem sich rund 100 von ungefähr 400 Beschäftigten bei TikTok in Berlin beteiligten. Und es geht weiter: Für kommenden Montag ist bereits der nächste Streiktag geplant.
mehr »

Meta will sich nicht verpflichten

Kurz nach Veröffentlichung des freiwilligen KI-Verhaltenskodex hat Meta als erster Konzern entschieden, den Kodex der Europäischen Kommission nicht zu unterzeichnen. Der US-Konzern hinter Facebook und Instagram kritisiert den Vorschlag als rechtlich unsicher, überreguliert und innovationsfeindlich. Ein politisch bedenkliches Signal.
mehr »

Streik bei TiKTok in Berlin

Rund 150 Beschäftigten der Trust and Safety-Abteilung (Content-Moderation) von TiKTok und einem Teil der Beschäftigten aus dem Bereich TikTok-Live (rund 15 Beschäftigte) in Berlin droht die Kündigung. Das  chinesische Unternehmen plant die Content-Moderation künftig verstärkt durch Large-Language-Models (Künstliche Intelligenz) ausführen zu lassen und die Arbeit an andere Dienstleister auszulagern. Dagegen protestierten vor der TikTok-Zentrale in Berlin Beschäftigte und Unterstützer*innen. Ein Warnstreik folgte.
mehr »

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können. Ungarn und Polen haben es vor Jahren gezeigt, die USA erleben es gerade aktuell und die Welt scheint dabei zuzuschauen: Die Aushebelung demokratischer Strukturen durch gewählte Regierungen.
mehr »