Weniger Radio

Studie über Hörfunktrends in Berlin-Brandenburg

Mit dem Integrationsprogramm „Radio Multikulti“ des öffentlich-rechtlichen RBB und dem privaten Info-Kanal „Radioropa“ verschwanden im vergangenen Jahr gleich zwei Sender aus wirtschaftlichen Gründen von der UKW-Skala im Großraum Berlin-Brandenburg. Dennoch gilt der Hörfunkmarkt des Ballungsraums um die Hauptstadt nach wie vor als der vielfältigste und wettbewerbsintensivste der Republik.


Aufgrund von Kapazitätsengpässen im UKW-Band sind in nächster Zeit Neuzugänge zum regionalen Radiomarkt allerdings nur über Kabel, Satellit, DAB, DVB-T oder Internet möglich. Vor allem die Privatradios bekommen die Auswirkungen der anhaltenden Wirtschaftskrise zu spüren. Dies geht aus der im Auftrag der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) vom Medienökonom Johannes Kors erstellten Studie „Die Entwicklung des Hörfunks Berlin-Brandenburg in der digitalen Welt“ hervor.
In den vergangenen zwei Jahren verloren die Privatradios demnach rund ein Fünftel ihrer Gesamtumsätze. Dennoch liegt der durchschnittliche Kostendeckungsgrad aller Sender bei 119 Prozent. Mit dem paradoxen Resultat, dass die Branche im Jahr 2008 das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat. Das hängt nicht nur mit dem starken Ungleichgewicht der Sender zusammen: So räumten die sechs Dickschiffe wie RTL 104,6, rs2 oder BB Radio allein drei Viertel der Gesamteinnahmen in Höhe von 53,2 Millionen Euro ab. Dagegen fuhren vor allem Kleinstsender mit Jahresumsätzen von gerade mal 300.000 Euro Verluste ein. Viele Sender erzielten dennoch positive Ergebnisse, weil die Kosten stärker fielen als die Verluste. Das wiederum hängt mit einem rigorosen Kostenmanagement und Personalabbau zusammen. Ende 2008 waren bei den 20 untersuchten Privatradios insgesamt 463 Mitarbeiter beschäftigt – gegenüber dem Jahr 2006 ein Aderlass um 140 Mitarbeiter oder fast ein Viertel der Belegschaften. Bis Mitte 2009 hatte sich die Zahl weiter auf 410 Mitarbeiter verringert. Damit fehlt bei den Privaten jeder dritte Radiomensch, der 2006 noch hinter dem Mikro oder in der Verwaltung arbeitete. Ein „Substanzverlust, der sich zum Teil auch im Programm niederschlägt“, urteilt Studienverfasser Kors. Der Personalabbau sei „nicht ohne Risiko für den Privatfunk, wenn Qualitätseinbußen damit verbunden sind und eine Abwärtsspirale entsteht“. Eine reale Gefahr, die faktisch bereits eingetreten ist. Im vergangenen Jahrzehnt ist die Reichweite des Privatradios bei Erwachsenen ab 14 Jahren von 63,2 auf 46,8 Prozent gesunken. Im selben Zeitraum stieg die Reichweite der acht Programme (seit der Abschaltung von Radio Multikulti: sieben) des öffentlich-rechtlichen RBB von 26,4 auf 34 Prozent. Vor allem die Jugendlichen verabschieden sich zunehmend vom Hörfunk. Mit 80 Minuten hören die 10–19jährigen heute nicht einmal mehr halb so viel Radio wie die Gesamtbevölkerung. Klare Diagnose: Internet killed the Radiostar.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rundfunkträte gehen auf Sendung

Von den Rundfunkräten der neun ARD-Landesrundfunkanstalten gibt es inzwischen bei sechs Gremien eine Livestream-Übertragung ihrer Sitzungen. Dabei handelt es sich um die Rundfunkräte vom BR, RBB, SWR, NDR, HR und dem SR, wie Nachfragen bei den ARD-Aufsichtsorganen ergeben haben. Ein Fortschritt in Sachen Transparenz. Schließlich berät das Gremium über alle grundsätzlichen Fragen zu Angeboten, Struktur und Finanzen der Sender.
mehr »

Medienlandschaften in Thüringen

Am 1. September steht die Landtagswahl in Thüringen an. Rund 1,66 Millionen Bürger*innen stimmen ab. Über politische Inhalte, Wahlkampfthemen und Regionales können sie sich vor allem in Radio und Fernsehen oder in den Zeitungen der Funke Mediengruppe informieren. Im Zuge von Digitalisierung und veränderten Nutzungsgewohnheiten ist jedoch die Vielfalt des lokalen Medienangebots im Freistaat rückläufig.
mehr »

TikTok bevorzugt rechte Inhalte

In den erweiterten Suchvorschlägen der Videoplattform TikTok taucht die AfD häufiger auf als andere Parteien. Über 20 Prozent der Vorschläge sind extremistisch oder dessen verdächtig. Die Plattform tut wenig, um politische Inhalte zu moderieren oder Suchvorschläge zu sortieren. Das ist gerade im Kontext von Wahlen ein Problem, finden die Autor*innen einer aktuellen Studie.
mehr »

Stillstand beim ÖRR ist keine Option

Eine neue Studie der Otto Brenner Stiftung rückt „ARD, ZDF und DLR im Wandel. Reformideen und Zukunftsperspektiven“ ins Blickfeld. Die Untersuchung zeige „Schneisen der Machbarkeit und beschreibt Pfade der Erneuerung, die Licht in den Dschungel der schier unübersichtlichen Liste an Vorschlägen bringen sollen“. Außerdem ordnet Autor Jan Christopher Kalbhenn diese mit Blick auf den für Herbst angekündigten Entwurf der Länder zum Reformstaatsvertrag medienrechtlich ein. Zum Aufmerken: er will keine Beschränkungen online für die Öffentlich-Rechtlichen. 
mehr »