Die katholische Kirche muss sich Satire gefallen lassen, entschied der Deutsche Presserat und wies 198 eingereichte Beschwerden dazu als unbegründet zurück. Der Beschwerdeausschuss 2 hatte sich in seiner Mai-Sitzung mit der Titanic-Karikatur „Kirche heute“ vom April befasst. Auf dem Titelbild hatte das Satire-Magazin einen katholischen Geistlichen gezeigt, der in Schritthöhe vor Jesus am Kreuz kniet. Das Gesicht des Gekreuzigten ist dunkelrot angelaufen. Die Leser sahen darin vor allem einen Verstoß gegen die Ziffer 10 des Pressekodex. Darin heißt es: „Die Presse verzichtet darauf, religiöse, weltanschauliche oder sittliche Überzeugungen zu schmähen.“
Der Presserat erklärte, die vorliegende Karikatur sei die zugespitzte Darstellung eines gesellschaftlichen Missstandes innerhalb der Institution Kirche und als solche keine Schmähung der Religion. Aufgabe von Karikatur und Satire ist es, Diskussionen in einer Gesellschaft so aufzugreifen, dass sie diese pointiert und manchmal auch an Grenzen gehend darstellt. Die aktuelle Debatte über den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen in der katholischen Kirche wird in der Darstellung visualisiert. Die Karikatur ist provozierend. Genau deshalb rüttelt sie auf und regt zum Nachdenken an. Ursula Ernst, Vorsitzende des Beschwerdeausschusses: „Hier wird nicht Jesus oder der christliche Glaube verhöhnt, sondern das Verhalten christlicher Würdenträger kritisiert, die sich ihren Schutzbefohlenen gegenüber falsch verhalten haben. Eine Kirche, die dies deckt oder nicht genügend zur Aufklärung beiträgt, muss auch mit dieser Art von Kritik leben. In einer Demokratie ist die Pressefreiheit ein maßgebliches Gut, die auch Kritik an ihren Grundpfeilern, wie sie das Christentum in Deutschland darstellt, mit einschließt.“