Nicht nur repressive Regime, sondern auch immer mehr demokratisch gewählte Staats- und Regierungschefs stellen die Medienfreiheit in Frage und behandeln kritische Journalistinnen und Journalisten unverhohlen als Feinde, so die Ergebnisse der Rangliste der Pressefreiheit 2018, die Reporter ohne Grenzen (ROG) heute veröffentlicht hat. In keiner anderen Weltregion hat sich zudem die Lage der Pressefreiheit so stark verschlechtert wie in Europa. Deutschland rückte zwar um einen Platz auf Platz 15 vor, ist damit aber immer noch lediglich europäisches Mittelmaß.
„Demokratien leben von öffentlicher Debatte und Kritik. Wer gegen unbequeme Journalistinnen und Journalisten polemisiert oder gar hetzt und die Glaubwürdigkeit der Medien pauschal in Zweifel zieht, zerstört bewusst die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft“, sagte ROG-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Hass und Verachtung gegen Journalistinnen und Journalisten zu schüren, ist in Zeiten des Vormarschs populistischer Kräfte ein Spiel mit dem Feuer. Leider erleben wir das zunehmend auch in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.“
So liegen vier der fünf Länder, deren Platzierung sich in der neuen Rangliste der Pressefreiheit am stärksten verschlechtert hat, in Europa: die EU-Mitglieder Malta, Tschechien und Slowakei sowie Serbien. In diesen Ländern seien Spitzenpolitiker durch verbale Anfeindungen, Beschimpfungen und juristische Schritte gegen Journalistinnen und Journalisten aufgefallen, kritisiert der ROG-Bericht. Zum Teil engten dort auch die Besitzverhältnisse der Medien die Freiräume für kritische Berichterstattung ein.
Dass Deutschland in der Rangliste mit Platz 15 konstant im europäischen Mittelfeld verbleibt, liegt vor allem an den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017, in dessen Rahmen eine hohe Zahl an tätlichen Übergriffen, Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen Journalist_innen registriert wurde. Problematisch seien zudem, so ROG, das Anfang 2017 in Kraft getretene BND-Gesetz und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gegen Hassäußerungen in sozialen Medien. Die dju in ver.di beteiligt sich jedes Jahr an der Erfassung der Informationen, die als Grundlage für die Rangliste der Pressefreiheit dienen und füllt dazu das 117 Fragen umfassende Formular aus, das ROG an Expert_innen, Partnerorganisationen sowie Journalist_innen, Wissenschaftler_innen, Jurist_innen und Menschenrechtsaktivist_innen schickt. Für 2017 hat auch die Vertretung der in ver.di organisierten Medienschaffenden besonders die Ereignisse rund um G20 sowie deren Konsequenzen als Gradmesser für die Bedrohung der Pressefreiheit in Deutschland hervorgehoben. Noch immer unklar seien etwa die Hintergründe des Akkreditierungsentzugs für 32 Journalisten, berichtete dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß auch auf einer Podiumsdiskussion im Februar.
In der ver.di-Mediengalerie läuft noch bis zum 18. Mai die Ausstellung „Unter Druck – Journalisten im Visier. Das Beispiel Türkei“, in deren Begleitprogramm am 3. Mai 2018, zum Tag der Pressefreiheit, um 18 Uhr eine Podiumsdiskussion mit Christian Mihr (Reporter ohne Grenzen), Antonia von der Behrens (Rechtsanwältin und Prozessbeobachterin) sowie einer Redakteurin der taz gazete geplant ist.