Was wird nach dem Verkauf aus dem einstigen News-Sender N24?
„Nachrichten sind vielleicht für das Image bei den Politikern wichtig, aber nicht unbedingt bei allen Zuschauern.“ Mit dieser steilen These sorgte ProSiebenSat.1-Vorstandschef Thomas Ebeling bei Medienpolitikern und Medienkontrolleuren vor gut einem halben Jahr für einige Irritation. Nach den damals verkündeten vagen Sanierungsplänen fürchteten die rund 240 Beschäftigten des Senders für ihre Arbeitsplätze das Schlimmste. Die Geringschätzung des Nachrichtengeschäfts durch Ebeling verletzte zudem ihren Berufsstolz. Immerhin hatte N24 bereits vor fünf Jahren die Marktführerschaft in der News-Sparte erobert, vor dem Konkurrenten n-tv, einem Mitglied der Senderfamilie RTL.
Mit dem jetzt erfolgten Management-Buyout unter Beteiligung des umtriebigen ehemaligen Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust eröffnet sich für N24 eine ungewisse Perspektive. Bei dem Deal handelt es sich zunächst mal um eine Art Auslagerung, von der unter dem Strich vor allem der bisherige Eigentümer ProSiebenSat.1 profitiert. Künftig wird die Münchner Sendergruppe ihre Nachrichten für 30 Millionen Euro einkaufen, das ist fast um die Hälfte geringer als bisher im Rahmen der Eigenproduktion – angesichts eines Schuldenbergs von mehr als drei Milliarden Euro kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Zweiter Gewinner ist Stefan Aust, der sich mit diesem Coup nach dem vorläufigen Scheitern seines Magazinprojekts Woche eindrucksvoll im Mediengeschäft zurückmeldet. N24 sei künftig der größte non-fiktionale unabhängige TV-Produzent in der Hauptstadt, frohlockt er. Die reichlichen Erfahrungen, die Aust bei Spiegel TV und dem einst mit Alexander Kluge betriebenen Doku-Kanal XXP sammelte, dürften dabei recht hilfreich sein. Für die Zukunft wittert er lukrative Kooperationen, auch mit öffentlich-rechtlichen Sendern. 50 größere Reportagen will Aust jährlich produzieren und hofft, einen Teil davon auch bei ARD und ZDF absetzen zu können.
Hauptverlierer des Eigentümerwechsels könnte die Belegschaft sein. 72 Stellen sollen nach Angaben der neuen Besitzer durch Vertragsaufhebungen und Kündigungen abgebaut werden. „Unsere schon vor dem Verkauf gehegten Befürchtungen haben sich bestätigt“, sagt Betriebsratsvorsitzender Erdmann Hummel. Nach den Restrukturierungsplänen der Geschäftsleitung könnte der Sender somit schon bald an die 100 Mitarbeiter weniger haben als zur Jahreswende. Gemessen an der Beschäftigungssituation zum Zeitpunkt der jüngsten Betriebsratswahlen läuft das auf eine glatte Halbierung der Belegschaft hinaus.
Die verbliebenen Beschäftigten und die Gewerkschaften wollen einen solchen Kahlschlag nicht kampflos hinnehmen. Sie fordern den Erhalt des Budgets und der Sollstärke der Redaktionen, den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen sowie eine Beschäftigungsgarantie für alle Mitarbeiter bis 2015. Die Reaktion der Neueigentümer kam prompt. Mit dem Verkauf, so ließ die Geschäftsführung um Torsten Rossmann in einem Brief an die Belegschaft wissen, sei der überwiegende Teil der gewerkschaftlichen Forderungen „nicht mehr zu realisieren“.
Sozialplan nicht abgesichert
In der ersten Runde der Tarifverhandlungen gab sich die Geschäftsleitung entsprechend hart. So lehnte die Personalchefin von ProSiebenSat.1, Heidi Stopper, Garantien der Sendergruppe für den Bestand des bisherigen Sozialplans für die Mitarbeiter der N24 Media GmbH über das Jahr 2012 hinaus ab. Eine rechtlich völlig inakzeptable Position, findet der Betriebsrat. Der Konzern müsse den Sozialplan absichern und dürfe nicht versuchen, „sich so aus dem Staub zu machen“. Nach Auskunft von ver.di-Tarifkommissionsmitglied Andreas Köhn werde versucht, in den Tarifverhandlungen die geplanten personalpolitischen Einschnitte abzumildern. Entsprechende Instrumente stünden zur Verfügung, etwa Kurzarbeit oder Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich. Schließlich verweise die Geschäftsleitung selbst auf künftige neue Aufträge wie ein neues Sat.1-Magazin oder den für Herbst 2011 geplanten Aufbau eines Videojournalistennetzes.
Was der bereits eingetretene personelle Aderlass für die Qualität des neuformatierten Kanals bedeutet, lässt sich einstweilen nur erahnen. Aust gilt nicht unbedingt als Anhänger einer tagesaktuellen Newsshow. Das Nachrichtenbudget von N24 soll folgerichtig halbiert werden, größere Livestrecken sind nicht mehr vorgesehen, stattdessen will man verstärkt auf Material von Reuters und anderen Agenturen setzen. Das Programmschema wird zwar vorerst weitgehend beibehalten, die morgendliche Nachrichtenstrecke soll aber in gelegentlich aktualisierte Viertelstundenblöcke portioniert werden. Der Sender, so heißt es, werde sich stärker auf Politikberichterstattung ausrichten und bis Ende nächsten Jahres einen Pool von einem guten Dutzend Videojournalisten aufbauen. Gleichzeitig steht der kostenintensive Park der sendereigenen Ü-Wagen zur Disposition. Der Betriebsrat sieht den Sender bereits auf dem Weg zum „Billigfernsehen“. Dass eine große private Sendergruppe mal eben ihr Nachrichtenbudget halbiere, empfindet Betriebsrat Erdmann Hummel als „Riesenskandal“.
Die Medienpolitik und namentlich die für die Privatfunkkontrolle zuständigen Landesmedienanstalten beobachten die Vorgänge um N24 mit Argwohn. Angesichts der angekündigten erheblichen Budgetkürzung und des Arbeitsplatzabbaus bei N24 seien berechtigte Zweifel angebracht, ob damit noch qualifizierte Nachrichten bei der Sendergruppe ProSiebenSat.1 gewährleistet werden können, verkündete der Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) Thomas Langheinrich. Dies, so warnte er, habe unmittelbare Auswirkungen auf die Informationsqualität im dualen System. Auch Martin Stadelmaier, Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, hatte schon vor dem Verkauf von N24 Alarm geschlagen. Und bei einer weiteren Ausdünnung der Informationsanteile mit Konsequenzen gedroht. Er könne sich durchaus vorstellen, Privatsendern die eigenständige Produktion von Nachrichtensendungen gesetzlich vorzuschreiben.