Radio Hamburg kämpft für den Tarifvertrag

Die Beschäftigten von Radio Hamburg wollen nicht mehr hinnehmen, dass sie immer ärmer werden, während sich die Gesellschafter Millionen-Gewinne ausschütten und fordern deshalb mit der Kampagne #WirSindRadioHamburg nun einen Tarifvertrag. Der Radiosender lehnte Tarifverhandlungen ab, bot aber zusätzliche Leistungen sowie eine Erfolgsprämie von 1000 Euro. Auf einer heute anberaumten Mitarbeiterversammlung zeigten sich die Beschäftigten gegenüber der Geschäftsführung geschlossen und quittierten dieses Angebot mit demonstrativer Stille.

Einen Gewinn von 5,7 Millionen Euro erwirtschaftete der Privatsender, zu dessen Gesellschaftern Axel Springer, RTL und die Bauer Media Group gehören, im Jahr 2016. In den Taschen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter landet davon gerade mal das Nötigste. Darauf machen diese nun mit der Kampagne #WirSindRadioHamburg aufmerksam, zu der sie eine Website aufgesetzt haben und sich mit einem eigens produzierten Video an ihre Hörerinnen und Hörer wenden. Darin heißt es etwa: „Seit Jahren kein verlässlicher Inflationsausgleich, wir werden jedes Jahr ärmer. Keine Altersvorsorge, keine einheitliche und verlässliche Regelung für Prämien oder andere Vergütungen. Weihnachts- und Urlaubsgeld gibt es in vielen Verträgen nicht mehr. So gut wie keine Beteiligung am wirtschaftlichem Erfolg, die Gewinne werden größtenteils an die Gesellschafter ausgeschüttet. Kein gleichbleibendes Lohnniveau, später eingestellte Kollegen arbeiten zu immer schlechter werdenden Konditionen, die Gehaltskurve zeigt in den letzten Jahren nach unten“.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Hinter der Kampagne stehen auch die Gewerkschaften ver.di und DJV, denn mittlerweile habe sich der überwiegende Teil der Beschäftigten in den Gewerkschaften organisiert, erklärte ver.di-Landesfachbereichsleiter Martin Dieckmann heute gegenüber Meedia.

Die Geschäftsleitung von Radio Hamburg reagierte indes nur einen Tag nach Start der Kampagne mit einer Stellungnahme, die an Realitätsverlust wohl kaum zu überbieten ist: „Radio Hamburg ist das meistgenutzte Medium der Stadt. Bei den Hörern die Nummer 1, bei seinen Mitarbeitern als Arbeitgeber“, lobt man sich darin selbst. Weiter heißt es, man wolle das „Engagement der gut 30 Mitarbeiter mit einer modernen Betriebsvereinbarung würdigen, die freiwillige Lohnerhöhungen, Mietzuschüsse und die Förderung mobiler Arbeitsformen beinhaltet“. Außerdem solle jeder festangestellte Mitarbeiter eine Prämie von 1.000 Euro erhalten. Radio Hamburg-Geschäftsführer Patrick Bernstein lehnte die Aufforderung zu Tarifverhandlungen mit dem Hinweis ab, dass er und der Rest der Geschäftsleitung davon „überzeugt“ seien, dass „politische Tarifverträge“ in Zeiten von Digitalisierung und massiver Marktveränderungen nicht mehr „zeitgemäß“ seien.

Dazu Dieckmann: „Letztlich richtet sich hier die Geschäftsführung gegen den Willen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – denn die sind es ja, die auf einem Tarifvertrag bestehen. So toll kann es also bei Radio Hamburg ja nun auch nicht aussehen, wenn die Mehrheit der Belegschaft einen Tarifvertrag will – dieser aber vom Management, offenbar aus Prinzipien, abgelehnt wird. Geradezu absurd ist der Begriff ‚politische Tarifverträge‘.“

Entsprechend reserviert begegneten die Beschäftigten dem Angebot einer freiwilligen Lohnerhöhung dann auch auf der heute anberaumten Mitarbeiterversammlung. Es gab weder Beifall noch Wortmeldungen, unter den Mitarbeiter_innen herrschte kämpferisches Schweigen. Nicht schweigen wollen sie dagegen in der Öffentlichkeit, die gebeten wird, die Kampagne unter dem Hashtag #WirSindRadioHamburg zu unterstützen. Neben der Website gibt es auch einen Auftritt auf Facebook, Twitter und Instagram.

Im Medienmagazin von Deutschlandfunk Nova haben Markus Brilsky und Nina Wonerow von Radio Hamburg über ihre Situation und die Kampagne gesprochen: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/radio-hamburg-mitarbeiter-fordern-tarifvertrag

 

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Filmtipp: Mädchen können kein Fußball spielen

Der sehenswerte Dokumentarfilm von Grimme-Preisträger Torsten Körner („Schwarze Adler“) ist eine Hommage an die Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs. Körner hat bereits ein ausgezeichnetes Buch über das Thema geschrieben („Wir waren Heldinnen“). Der Film erzählt die Geschichte mit Hilfe von Zeitzeuginnen und vielen zeitgenössischen TV- und Wochenschau-Ausschnitten von den Anfängen in den 50ern bis zur siegreichen Heim-EM 1989.
mehr »

ARD schützt ihre Inhalte vor KI

Die ARD hat ihren Umgang mit Anbietern von KI geändert. Seit Ende Mai dürfen Unternehmen wie etwa Open AI, Perplexity oder Google (Gemini) Inhalte aus den Online-Angeboten der ARD nicht mehr nutzen, um damit ihre KI-Systeme zu trainieren. Das bestätigte der Senderverbund auf Nachfrage. Die ARD hat nun in ihre Webseiten einen sogenannten maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt technisch eingebaut. Damit wird KI-Crawlern signalisiert, dass sie die Inhalte dieser Angebote nicht verwenden dürfen.
mehr »

Internet: Journalismus unter Druck

Angesichts der Vielzahl von Beiträgen zum 30-jährigen Jubiläum des Internets arbeitet der Journalist Jann-Luca Künßberg in einem Gastbeitrag für Netzpolitik.org heraus, wie umfangreich die Online-Welt Journalismus selbst verändert hat. Enorm schnell, so Künßberg, habe der Geschäftsgedanke die Vision eines digitalen Versammlungsorts beiseitegeschoben.
mehr »