Sie will sich von der AfD nicht einschüchtern lassen: Die Stuttgarter Wochenzeitung Kontext wehrt sich gegen die Gerichtsentscheidung zugunsten eines AfD-Mitarbeiters. Das Landgericht Mannheim gab am Freitagmorgen dem Antrag dieses Mannes statt. Demnach darf Kontext dessen Namen nicht mehr nennen und keine Zitate aus seinen Chatprotokollen veröffentlichen. Für Kontext-Chefredakteurin Susanne Stiefel ist dieser Richterspruch „eine herbe Niederlage für die Pressefreiheit“. Kontext-Anwalt Markus Köhler kündigte weitere rechtliche Schritte an. Zunächst werde man aber die Begründung abwarten.
Kontext hatte im Mai ausführlich über Facebook-Chatprotokolle berichtet, die nach Zeitungsangaben von dem AfDler stammen. Der arbeitet für die AfD-Abgeordneten im baden-württembergischen Landtag Christina Baum und Heiner Merz. In den Berichten über die 17.000 Seiten starken Protokolle, die von 2012 bis 2016 reichen und in denen unter Pseudonym mit 70 Personen gechattet wird, nennt Kontext den parlamentarischen AfD-Mitarbeiter mit Namen und zitiert Aussagen wie „Nigger, Sandneger. Ich hasse sie alle.“ „Dass sie generell eher zu untermenschlichem Verhalten neigen, liegt schon an der Rasse“, heißt es über Muslime und außerdem wünscht sich der Verfasser einen „Bürgerkrieg und Millionen Tote“. Gerne werden die Äußerungen laut Kontext mit „Sieg Heil“ oder einem Hitlergruß-Emoji beendet. Für Kontext sei klar, dass in solchen Fällen „Ross und Reiter“ genannt werden müssten. Die Redaktion werde weiterhin unbeirrt den Rechten auf die Finger schauen, so Chefredakteurin Stiefel. Sie befürchtet, mit dieser richterlichen Bewertung steige die Gefahr, dass Journalist_innen, die über die AfD berichten, mit der juristischen Keule bedroht würden.
So wie nun Kontext. Der betroffene Landtagsmitarbeiter wollte durchsetzen, dass die Zeitung seinen Namen nicht nennt. Schließlich sei er nur ein Mann der sechsten Reihe. Er gab zudem eine eidesstattliche Versicherung ab, dass die umstrittenen Äußerungen nicht von ihm stammten. Dass die Facebook-Chats von ihm seien, räumte er allerdings ein. Vor Gericht erklärte dann sein Anwalt Christian Conrad am Donnerstagnachmittag, die Protokolle könnten gefälscht worden sein.
Das fand Kontext-Anwalt Köhler „lebensfremd“. Wer sollte sich schon die Mühe machen, in 17.000 Seiten ein paar Stellen zu fälschen, zumal der Kläger ja selbst sage, er sei ein kleines Licht. „Die Protokolle sind authentisch“, so Köhler, der deshalb wegen mutmaßlich falscher eidesstattlicher Versicherung Strafanzeige gegen den AfD-Mitarbeiter stellte. Für die Veröffentlichung des Namens sei ausschlaggebend, dass der Mann Mitverfasser parlamentarischer Initiativen der AfD ist, da müsse die Öffentlichkeit wissen, wer das ist.
Der Vorsitzende Richter des Landgerichts Matthias Stojek hatte in der Verhandlung versucht, die beiden Parteien zu einer Einigung zu bringen. Sie sollten bedenken, dass der Streit ansonsten bis 2025 gehen könne. Sein Vorschlag: Unter die betreffenden Artikel von Kontext komme ein Text, in dem der AfDler erklärt, das habe er nicht gesagt, und ein Text von Kontext, dass die Zeitung aufgrund ihrer Recherchen weiterhin vom Gegenteil überzeugt sei.
Kontext erklärte sich damit einverstanden, der Anwalt des AfDlers nicht. Er bestand darauf, dass der Name seines Mandanten nicht mehr genannt werden dürfe. Richter Stojek versuchte es noch einmal und wandte sich an den Kläger: „Lassen Sie das mit der Unterlassungserklärung. Geben Sie das Ganze mal bei Google ein. Wir haben das gerade gemacht …. Tja. Das Internet hat Vorteile aber eben auch gigantische Nachteile.“ Damit spielte er darauf an, dass die Kontext-Artikel sich mittlerweile im Netz weit verbreitet haben. Doch der Anwalt des Klägers blieb bei seinem „Nein“.
Diese Einstweilige Verfügung konnte Kontext-Anwalt Köhler nicht nachvollziehen. Allerdings habe das Gericht schon vorab erklärt, es halte 17.000 Seiten Chatprotokolle in einem Eilverfahren für nicht verarbeitbar. Hätte sich die Kammer intensiv mit den Chatprotokollen befasst, hätte sie nach Auffassung von Kontext ihre Zweifel überwinden können, so Köhler.