Algorithmengetriebener Roboterjournalismus hält seit einigen Jahren Einzug in die Redaktionen. Und laut einer aktuellen GfK-Studie im Auftrag der Deutschen TV-Plattform sind digitale Sprachassistenten wie Alexa, Siri oder Google Assistant den meisten Menschen hierzulande geläufig. Um Künstliche Intelligenz (KI) und die „Automatisierung und Assistenzsysteme bei der Medienproduktion“ ging es beim diesjährigen Presseforum auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin.
„Assistenzsysteme unterstützen den Menschen bzw. den Nutzer bei seinen Tätigkeiten“, eröffnete Birgit Spanner-Ulmer, die Vorsitzende der veranstaltenden Produktions- und Technik-Kommission (PTKO) von ARD und ZDF das Forum. Dies sorge für Entlastung gerade bei repetitiven Tätigkeiten, wie die aktuellen Erfahrungen mit Sprachassistenten wie Alexa und Siri zeigten. Auf Unternehmensseite lägen die Vorteile auf der Hand: „Mit wenig Personaleinsatz lässt sich die gleiche Anzahl an Prozessen mit hoher Güte und Zuverlässigkeit abarbeiten.“ Man denke nur an das vollautomatisierte Studio der „Tagesschau“. Die dabei eingesetzten Roboterkameras „bestechen dadurch, dass sie ermüdungsfrei und präzise sind“. Der Mensch werde durch die technischen Raffinessen nicht überflüssig, er überwache und steuere diese Prozesse. Dennoch veränderten sich seine Aufgaben, etwa vom Kameramann zum Studiooperator. Im Zuge der rasanten technologischen Veränderungen gelte es daher zu bedenken, „welche Auswirkungen sich daraus für die Menschen und die Organisation ergeben“. Ausbildungsberufe, Studiengänge und Weiterbildungsangebote für die Mitarbeiter müssten den neuen Erfordernissen angepasst werden. „Natürlich lösen solche Veränderungen auch Ängste aus“, konstatierte die PTKO-Vorsitzende. Automatisierung helfe Kosten zu sparen und den Personaleinsatz zu optimieren, trage zur Fehlerreduzierung und Qualitätserhöhung bei. „Technik muss den Menschen dienen und nicht umgekehrt“, bekräftigte Spanner-Ulmer. Wenn ihr Einsatz unter dieser Prämisse stehe, „dann führe Technik zum Erfolg“.
Digitalisierung der Medien angetrieben
„Nie war der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Digitalisierung der Medien einerseits und die Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk andererseits so offenkundig wie gegenwärtig“, sagte Nawid Goudarzi, der ehemalige Produktions- und Betriebsdirektor der Rundfunk Berlin-Brandenburg, in seiner Keynote. Inzwischen sei ein Stadium der Digitalisierung erreicht, in dem stärker als je zuvor wirkungsmächtige Entwicklungen aus anderen Industrien und Branchen auch die Digitalisierung der Medien erfassten. Dies habe gravierende Auswirkungen auf die Medienproduktion und die Mediennutzung. Aus diesem Grund sei es wichtig, zu erfahren, „in welchen Bereichen und Abläufen und in welcher konkreten Form von der KI getriebene Entwicklungen dazu führen, Arbeitsprozesse zu automatisieren und Assistenzsysteme einzusetzen“. Dabei müsse beobachtet werden, ob auch Kreativprozesse – Stichwort: Roboterjournalismus – hiervon betroffen sein könnten.
IT-Fachkräfte der Stunde
„Wir bereiten uns darauf vor, dass wir im Internet eine andere Wettbewerbssituation vorfinden als im linearen Fernsehen“, sagte ZDF-Produktionsdirektor Andreas Bereczky. Dies erfordere heute schon die bestmögliche Qualität der Bilder, „sodass wir im Video-on-Demand-Dienst mit UHD- und High-Dynamic-Range (HDR)-Qualität mit Netflix und Amazon gleichziehen können.“
Detlef Sold, Geschäftsführer der „technology und production center Switzerland AG“, einer 100prozentigen Tochter des Schweizer Rundfunks SRF, gab einen Überblick in die internationale Entwicklung beim Einsatz von Automation und KI. Betroffen davon seien vor allem Bild- und Videobearbeitung, Sprachverarbeitung und „Autonome Systeme“. Weltweit beherrschten mittlerweile acht große Digitalkonzerne den entsprechenden Markt – insgesamt engagierten sich hier bereits ca. 2.400 Player. Allein Amazon beschäftige 5.000 Ingenieure für Amazon Echo und Alexa. Google und Microsoft kämen auf jeweils 9.000 Ingenieure nur im Fachgebiet „Machine Learning“. Die absolute Spitze nehme das chinesische Unternehmen Alibaba mit 25.000 Ingenieuren nur für Machine-Learning-Projekte ein. Programmierer, die sich mit API-Schnittstellen auskennen, seien die Fachkräfte der Stunde.
Roboter“kollegen“ auf dem Vormarsch
Selbst auf regionaler und lokaler Ebene spielten Roboterjournalisten heute bereits eine Rolle. Nach einer Untersuchung der Uni Zürich, wie diese roboterjournalistisch erzeugten Inhalte beim Publikum ankommen, würden diese „als genauso glaubhaft wahrgenommen als wären sie von realen, wirklichen Köpfen gemacht“. Die Universität in Oxford habe mittels einer Umfrage herausgefunden, dass neun von 14 befragten Nachrichtenagenturen bereits Roboter“kollegen“ einsetzten. Allerdings seien diese nicht für alles tauglich: „Tiefere Analyse, Hintergrundberichte müssen nach wie vor von Menschen gemacht werden.“ Die Herausforderung für Medienunternehmen bestehe in der Frage, wie die massive Zunahme von Informationen künftig bewältigt werden könne. Zeitgleich mit einer jährlichen Verdoppelung der Informationen wüchsen die „Ausgabeformen und Formate für die Personalisierung“ von Informationen stetig an. „Wir können diese enormen Anforderungen nur durch starke und gut konzipierte maschinelle Assistenzsysteme bewältigen“, resümierte Sold. Deswegen sei machine learning für die Branche „von zentraler Bedeutung“.