Regisseurin Barbara Rohm und Kamerafrau Birgit Gudjonsdottir sind am Freitagabend bei der feierlichen Gala des Deutschen Schauspielpreises mit dem ver.di-Preis „Starker Einsatz“ ausgezeichnet worden. Die ZDF/Arte-Serie „Bad Banks“ räumte in den Kategorien „Schauspielerin in einer Hauptrolle“ und „Schauspieler in einer Hauptrolle“ gleich zwei Mal ab. Gut lief es auch für die ARD-Produktionen „Gladbeck“ und „Babylon Berlin“. Am meisten Beachtung fanden die klaren Worte eines jungen Ausnahmetalents zur Spaltung und zum Rechtsruck innerhalb der Gesellschaft.
Zum siebten Mal wurde am Freitagabend der Deutsche Schauspielpreis vergeben. Bereits zum vierten Mal fand die Verleihung im Berliner Zoopalast statt. Ins Leben gerufen wurde die Auszeichnung „von Schauspielern für Schauspieler“ 2012 vom Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS), um Personen und Institutionen zu ehren, die sich um die Entwicklung der Schauspielkunst und des deutschen Films als Kulturgut besonders verdient gemacht haben. Besonders verdient gemacht, allerdings um die Entwicklung des BFFS, hat sich auch Schauspieler Michael Brandner, der nun für seine „historischen Dienste“ geehrt und zugleich verabschiedet wurde. Nach 12 Jahren gibt er den Vorsitz des Schauspielverbands „aus eigener Entscheidung“ ab und wird von seinen Kolleginnen und Kollegen mit dem Sonderpreis „Der weite Horizont“ ausgezeichnet. Nicht unerwähnt ließ Moderator Hans-Werner Meyer außerdem, dass es Brandner war, der die ebenfalls an diesem Abend bekanntgegebene Fusion von BFFS und dem Interessenverband Synchronschauspieler (IVS) mit auf den Weg gebracht hatte.
Starker Einsatz für Kulturwandel in der Filmbranche
Noch bis zum letzten Jahr hieß der Deutsche Schauspielpreis Deutscher Schauspielerpreis. Es war am 22. September 2017, während der sechsten Verleihung des Preises, als die Moderator_innen Nadine Heidenreich und Walter Sittler – beide im Kleid – die Umbenennung verkündeten und den Abend auch sonst der Würdigung der Frauen in der Filmbranche widmeten. Das war kurz vor dem Weinstein-Skandal, kurz vor #metoo. Nun, ein Jahr später, ist diese Debatte noch längst nicht vom Tisch. Und das auch dank Menschen wie Barbara Rohm und Birgit Gudjonsdottir, die „auf ihre Weise die Räume zu nutzen verstanden haben, die die MeToo-Debatte geöffnet hat, und dafür mit dem gemeinsam von ver.di und BFFS vergebenen Preis „Starker Einsatz“ ausgezeichnet wurden. Denn „es sind Menschen wir ihr, die den Unterschied machen“, so Schauspielerin Jasmin Tabatabai in ihrer Laudatio, „die sich in dieser Branche der Einzelkämpfer für die Gemeinschaft einsetzen. Wenn wir wirklich Veränderung wollen, dann schaffen wir das nur gemeinsam“.
Rohm, seit 2014 im Vorstand des vormals als Pro Quote Regie und heute als Pro Quote Film bekannten Frauennetzwerkes war zusammen mit dem BFFS und ver.di treibende Kraft beim Aufbau der überbetrieblichen Vertrauensstelle „Themis“ für die Film-, Fernseh- und Theaterbranche, an die sich Betroffene sexueller Belästigung und Gewalt in Zukunft wenden können und die am 1. Oktober ihre Arbeit aufnehmen wird. Die Regisseurin und Fotografin sei ein starker Motor gewesen, heißt es in der Jurybegründung, der dafür gesorgt habe, dass die Ursprungsidee nicht in den Mühlen administrativer Hürden oder unterschiedlicher Gräben und Sichtweisen zermahlen worden sei.
Mit Birgit Gudjonsdottir, ebenfalls Mitglied bei Pro Quote Film, wurde zudem eine der erfolgreichsten deutschen Kamerafrauen ausgezeichnet. Sie habe, so Tabatabai, mit der Website cinematographinnen.net das größte existierende Netzwerk für Kamerafrauen und damit einen Raum geschaffen, wo diese „sich vernetzen und sichtbar machen“.
„Beide Künstlerinnen haben in diesem Jahr einen starken Einsatz für den von uns geforderten Kulturwandel geleistet, der zwar durch Debatten angestoßen, aber nur durch entschieden handelnde Menschen durchgesetzt werden kann, die sich, wenn die öffentliche Aufmerksamkeit wieder auf andere Themen gerichtet ist, den Mühen der Ebene aussetzen, um den Worten Taten und den Taten eine Veränderung der Verhältnisse folgen zu lassen“, heißt es in der Jurybegründung. Dass diese Veränderung der Verhältnisse aber noch viel Engagement erfordere, betonten beide Preisträgerinnen. Rohm: „Es liegt noch ein weiter Weg vor uns bis sexuelle Belästigung kein Tabuthema mehr ist, bis Betroffene sich ohne Angst vor Konsequenzen äußern können. Aber unbequem sein zahlt sich aus.“ Und Gudjonsdottir: „Noch immer ist der Gender Pay Gap immens: Kameramänner verdienen im Durchschnitt 43 Prozent mehr als ihre weiblichen Kolleginnen. Ich sehe den Preis als Ermutigung, dass wir uns weiterhin für ein gleichberechtigtes Miteinander einsetzen.“
Statement gegen Intoleranz und Spaltung
Die wohl beeindruckendste Rede dieses Abends hielt der Preisträger in der Kategorie Nachwuchs, Jonathan Berlin. Ausgezeichnet wurde er für seine Rolle in dem ARD-Fernsehfilm „Die Freibadclique“, der die Geschichte des Erwachsenwerdens von fünf jungen Freunden erzählt und sie dafür vom letzten Kriegsjahr 1944 bis in die unmittelbare Nachkriegszeit begleitet. Als er im Sommer 2016 den Film gedreht habe, erinnert sich Berlin, hätte er es nicht für möglich gehalten, dass in Deutschland jemals wieder Hitlergrüße auf offener Straße gezeigt werden würden. Er hoffe, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler mit ihrem Sprachrohr „dazu beitragen können, dass sich dieser Teil der Geschichte nicht wiederholt und wir mit unserem Schaffen den Gaulands, Weidels und Seehofers dieses Landes immer wieder zeigen: Eure Politik von Spalterei, Ignoranz und Rassismus, das ist die Mutter aller Probleme.“
Alle Preisträgerinnen und Preisträger des Deutschen Schauspielpreises 2018
Korrektur des Zitats von Jonathan Berlin am 17.9. 2018 um 22.41 Uhr.