Kein fauler Kompromiss

Klaus Schrage, Redakteur für die Nürn­berger Nachrichten, versandte mit Heinz Wraneschitz, beide dju-Sprecher in Bayern, das Schreiben an die Parteien.
Foto: Jan-Timo Schaube

Lieber ein gut begründetes Nein als ein fauler Kompromiss. Die Tarifkommission der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di wagt diese Haltung. Wir haben das letzte Tarifangebot der im Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV) organisierten Medienhäuser abgelehnt. Denn wir wollen mehr! „Aber wie, bitteschön, soll das gehen?“, lautet eine häufige Gegenfrage von Kolleginnen und Kollegen. Die dju könne aus eigener Kraft keine flächendeckenden Streiks hinbekommen. Die Tarifrunde sei doch eigentlich abgehakt. Was gäbe es denn noch zu fordern?

Auf solche Zweifel gibt es eine Antwort: Entdecke die Möglichkeiten! Wir sind nicht in der Friedenspflicht. Und dies verschafft uns Chancen, unser ganz eigenes Profil zu zeigen und zu schärfen. In Verlagen, in denen es wegen angekündigter Tarifflucht rumort, können wir zum Arbeitskampf mobilisieren. Wir können unsere streikenden Kolleginnen und Kollegen der Druckindustrie unmittelbar unterstützen, ebenfalls zum Streik aufrufen und eigene Forderungen anbringen.

Wir können aber noch mehr: Die offene Situation erlaubt es uns, frei zu denken. Diskutieren wir über Forderungen in künftigen Tarifrunden. Ist es nicht an der Zeit für Schichtzuschläge für Zeitungsjournalisten_innen, wie sie Drucker oder Verlagsangestellte kennen? Wäre es nicht richtig, Belastungen durch crossmediale Arbeit durch Zusatzurlaub auszugleichen? Was wäre falsch, wenn wir ein Recht auf selbst bestimmte Fortbildung fordern? Was, wenn wir uns dafür einsetzen, dass befristete Teilzeit mit einem Rückkehrrecht in die Vollzeit wirklich genutzt wird?

Ist die tatsächliche Einbindung der Onliner in den Tarif nicht überfällig? Müsste es nicht gelingen, jene Medienhäuser, welche von ihren Redakteure_innen die Arbeit in Sozialen Netzwerken verlangen, zu einem verbrieften Bekenntnis zu bringen, dass sie diese im Falle von Shitstorms oder anderen Bedrohungen ohne Wenn und Aber unterstützen?

Und wenden wir uns an die Politik: Wir könnten fordern, dass tariflose Betriebe mindestens das eineinhalbfache der Differenz zum Tarifentgelt an Staat oder Kommunen abführen müssen. Verlangen wir, dass auch betriebsratslose Unternehmen mit einer Abgabe belegt werden, dass das Gründen von Betriebsräten erleichtert und das Behindern von Betriebsratsarbeit schärfer bestraft wird. Werben wir bei Parteien dafür, dass tatsächlicher Qualitätsjournalismus, gerade auf der regionalen Ebene, finanziell unterstützt wird.

Das alles sind Ideen, aber es gilt eben: Die dju soll keine Tarifmaschine sein, die sich bloß um die wirtschaftlichen Belange ihrer Mitglieder kümmert. Wir sehen uns als Organisation, die sich für eine solidarische Gemeinschaft und für Demokratie in den Redaktionen einsetzt. Die sich nicht nur um Festangestellte kümmert, sondern um alle, die sich als Journalistinnen und Journalisten für eine aufgeschlossene und aufgeklärte Gesellschaft engagieren.

Das ist unsere Einladung: Wer Visionen hat, geht nicht zum Arzt. Sondern kommt zu uns. Werden wir stärker. Denn wir wollen mehr!

 

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