Höherer Schutz von Whistleblowern

Annegret Falter, Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk
Foto: privat

Seit die EU-Kommission am 23. April dieses Jahres den Entwurf einer Richtlinie für einheitliche Standards zum Whistleblower-Schutz vorgestellt hat, wurde in den Ausschüssen des EU-Parlaments darüber beraten. Am 20. November fand nun im federführenden Rechtsausschuss (JURI) eine entscheidende Abstimmung über die Vielzahl der vorgeschlagenen Änderungen statt. Das Ergebnis hat viele Erwartungen übertroffen und Hoffnungen auf einen deutlich verbesserten Schutz geweckt – gerade auch in Deutschland, wo Whistleblower teils unzureichend, teils gar nicht geschützt sind.

Bis die Änderungen Gesetz werden, ist es aber noch ein weiter Weg. Sie müssen noch vom Rat gebilligt und danach in nationales Recht umgesetzt werden. Nach dem Willen der Parlamentarier sollen nun Vergeltungsmaßnahmen und Schikanen von WB verboten sein und sanktioniert werden können. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast dafür, dass es sich dabei nicht um eine direkte Folge des Whistleblowing handelt. Die Motivation des WB soll weder direkt noch indirekt eine Rolle spielen. Dadurch wird der Wert der Information für eine demokratische Gesellschaft in den Vordergrund gerückt. Personen, die WB unterstützen, sollen den gleichen Schutz wie Whistleblower genießen. Damit werden auch die Schutzwürdigkeit von Journalisten und ihre Bedeutung für den Bestand der Meinungsäußerungsfreiheit hervorgehoben.

Die wohl wichtigste Änderung betrifft die überkommene Rechtsmeinung, dass ein Whistleblower sich im Regelfall zuerst an seinen Arbeitgeber wenden muss, wenn er oder sie einen Missstand, eine Straftat oder eine Gefahr in seinem/ihrem Arbeitsumfeld auf – decken will. Diese „interne“ Meldung muss v.a. in Deutschland der „externen“ Anzeige bei den Strafverfolgungs- oder Aufsichtsbehörden vorangehen, will der Arbeitnehmer nicht Sanktionen bis hin zur Kündigung riskieren. Ist der Vorgesetzte allerdings unmittelbar in die Straftat verstrickt, ist Gefahr im Verzuge oder besteht keine Aussicht auf interne „Abhilfe“, so die direkte externe Meldung zulässig. Im Falle einer Kündigung und einer darauffolgenden Kündigungsschutzklage muss der Arbeitnehmer plausible Anhaltspunkte für seine Einschätzung vortragen können. Das ist im Zweifelsfall schwierig und birgt ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Damit soll nach Willen der EU-Parlamentarier nun endlich Schluss sein: Es soll allein dem Beurteilungsvermögen des Arbeitnehmers vor Ort überlassen bleiben, auf welchem Wege er sich mehr Erfolg von seiner Meldung verspricht oder weniger persönliche Nachteile erwartet. Auch die Information der Öffentlichkeit, die bisher nur in ganz wenigen Ausnahmefällen – eventuell – erlaubt war, soll erleichtert werden. Weitere Ausnahmen von der arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflicht gelten als zulässig, solange sie Ergebnis einer vernünftigen und plausiblen Einschätzung sind.

Diese angestrebten gesetzlichen Regelungen werden weithin begrüßt. Sie bedeuten ein Mehr an Rechtssicherheit für Whistleblower. Denn Rechtsunsicherheit entmutigt und schüchtert ein. Zivilcourage, sich am Arbeitsplatz für das Gemeinwohl einzusetzen, kann da nicht gedeihen. Ziel der Richtlinie ist es daher, ein Klima des Vertrauens zu schaffen. Bleibt zu hoffen, dass der aktuelle Stand von den nationalen Regierungen nicht wieder verwässert wird.

Whistleblower-Netzwerk

 

 

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