In diesem Jahr sind bis zum 1. Dezember weltweit mindestens 80 Journalisten, Bürgerjournalisten und andere Medienmitarbeiter in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden, 15 mehr als im Vorjahr. Mehr als die Hälfte von ihnen kam in nur fünf Ländern ums Leben: in Afghanistan, Syrien, Mexiko, Jemen und Indien. 348 Medienschaffende sind weltweit inhaftiert, vor allem in China, Ägypten, der Türkei, Iran und Saudi-Arabien. Das geht aus der Jahresbilanz der Pressefreiheit 2018 von Reporter ohne Grenzen hervor.
„Die Zahlen zeigen, dass nach wie vor bewaffnete Konflikte die größte Gefahr für Journalisten weltweit sind. Dass aber zugleich so viele Journalisten außerhalb von Kriegsregionen ermordet werden, ist ein erschreckendes Zeichen“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Viel zu oft können Täter und Auftraggeber damit rechnen, dass selbst Morde für sie folgenlos bleiben. Die Staatengemeinschaft muss endlich wirksame Mittel finden, Straflosigkeit überall auf der Welt zu beenden.“
Auch in den USA starben in diesem Jahr sechs Journalisten, vier von ihnen wurden beim Anschlag auf die Lokalzeitung Capital Gazette an 28. Juni gezielt getötet. 44 Medienschaffende kamen in Gebieten mit bewaffneten Konflikten ums Leben, 36 außerhalb solcher Gebiete. Wie schon im Vorjahr war Mexiko das Land ohne bewaffneten Konflikt, in dem die meisten Journalisten ermordet wurden. Über Korruption und Drogenkriminalität zu berichten, ist dort weiterhin lebensgefährlich. Der Schutz, der bedrohten Journalisten gewährt wird, ist oft unzureichend und inneffektiv.
Immer mehr Bürgerjournalisten bedroht
49 der getöteten 80 Medienschaffenden wurden wegen ihrer journalistischen Tätigkeit gezielt ermordet. Die übrigen 31 kamen im Einsatz ums Leben. Unter den Getöteten waren 63 professionelle Journalisten, 13 Bürgerjournalisten sowie vier Tontechniker und Fahrer. Drei der Getöteten waren Frauen. In den vergangenen zehn Jahren wurden weltweit 702 professionelle Journalisten getötet.
Die Zahl getöteter Bürgerjournalisten hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt, von 7 auf 13 und 150 Bürgerjournalisten sind derzeit in Haft (zuvor waren es 107). Nachdem sie bereits gegen traditionelle Medien hart durchgegriffen hatten, überarbeiten Länder wie China, Ägypten, Iran und Saudi-Arabien jetzt ihre Unterdrückungsstrategien. Neue Internetgesetze etwa erleichtern es ihnen, gegen Online-Journalisten und Nutzer von sozialen Netzwerken vorzugehen. In China sind unter den Inhaftierten 46 Bürgerjournalisten. Einige wurden wegen eines bloßen Posts in sozialen Medien oder Messenger-Diensten festgenommen. Viele Inhaftierte in China werden misshandelt, einige gefoltert. Zehn chinesische Bürgerjournalisten drohen wegen ihres schlechten Gesundheitszustands in Haft zu sterben.
Die meisten Journalisten in der Türkei in Haft
Die Türkei bleibt auch in diesem Jahr das Land, in dem weltweit die meisten professionellen Journalist_innen wegen ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen. Dass es im Vergleich zu 2017 weniger sind, bedeutet nicht, dass sich die Situation verbessert hat. Viele der Freigelassenen sind nur unter Auflagen freigekommen und warten noch auf ihr Urteil in erster oder höherer Instanz.
Saudi-Arabien zog in diesem Jahr die internationale Aufmerksamkeit auf sich, als am 2. Oktober der regimekritische Journalist Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet wurde. Mindestens 28 weitere Medienschaffende sind zurzeit in Saudi-Arabien wegen ihrer Arbeit inhaftiert. Viele von ihnen wurden während der Verhaftungswelle unter Kronprinz Mohammed bin Salman im Herbst 2017 festgenommen.
Entführungen als Kriegsmittel im Nahen Osten
Ende 2018 sind weltweit 60 Medienschaffende entführt, sechs mehr als ein Jahr zuvor. Die regionale Verteilung zeigt, dass die Entführung von Medienschaffenden vor allem ein Kriegsmittel im Nahen Osten ist: Mit Ausnahme eines Journalisten, der von der separatistischen „Volksrepublik Donezk“ im Osten der Ukraine festgehalten wird, konzentrieren sich diese Fälle vollständig auf Syrien, den Jemen und den Irak.
Drei Journalisten sind 2018 verschwunden: ein Zeitungsjournalist aus Mexiko, ein Fotograf aus Haiti und ein Online-Journalist aus Russland. Seit Monaten gibt es weder glaubhafte Bekennererklärungen für eine Entführung noch Belege für ihren Tod. Bereits seit Mitte Juli 2016 wird der burundische Reporter Jean Bigirimana vermisst.
ROG fordert UN-Sonderbeauftragten
Um die Verantwortlichen für solche Verbrechen endlich zur Rechenschaft zu ziehen und den Kreislauf der Straflosigkeit zu durchbrechen, wirbt Reporter ohne Grenzen bei den Vereinten Nationen intensiv für die Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten. Dieser sollte die Bemühungen der verschiedenen UN-Institutionen zum Schutz von Journalisten koordinieren, bestehende völkerrechtliche Vorschriften durchsetzen und so die Zahl von Gewalttaten gegen Journalisten endlich wirksam verringern. Als weltweit erstes Parlament stellte sich der Deutsche Bundestag am 23. Juni 2017 hinter die Forderung von ROG.
Mehr zur Jahresbilanz der Pressefreiheit: www.reporter-ohne-grenzen.de/jahresbilanz/2018
Mehr zum Kampf gegen Straflosigkeit: www.reporter-ohne-grenzen.de/themen/straflosigkeit
Jahresbericht über die Arbeit von Reporter ohne Grenzen: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/OEA_Fundraising/Jahresberichte_Archiv/Jahresbericht_2017_Web.pdf