Mit plan b ging im Herbst 2017 beim ZDF erstmals im deutschen Fernsehen ein Format auf Sendung, das sich explizit auf die Prinzipien des „konstruktiven Journalismus“ bezieht. Mit plan b-Redaktionsleiter Christian Dezer sprachen wir über das erste Jahr des Magazins, den Bauplan eines konstruktiven TV-Beitrags, Zuschauerreaktionen und die Zukunft des konstruktiven Journalismus beim ZDF.
M | Herr Dezer. Sie haben im Herbst das einjährige Jubiläum Ihres konstruktiven ZDF-Magazins plan b gefeiert. Welche Beiträge aus dem ersten Jahr sind Ihnen als Highlights im Gedächtnis?
Ch. Dezer | Einige. Ich bin froh, dass wir mit unseren Beiträgen im ersten Jahr gut auf aktuelle Themenlagen reagierten, sie zum Teil sogar vorwegnehmen konnten.
Wir waren etwa – noch vor der Diesel-Diskussion – mit dem Thema „kostenloser” öffentlicher Nahverkehr auf Sendung. Und auch mit einem Beitrag zum Thema „bezahlbares Wohnen”, lagen wir genau richtig. Wir haben das Thema Integration von Migrant*innen anhand positiver Beispiele aus Stuttgart und Mechelen (Belgien) behandelt.
Dann gab es einen sehr gut eingeschalteten Beitrag zur Inklusion am Beispiel blinder und sehbehinderter medizinischer Tasterinnen, die Knoten erfühlen und so eine wichtige Rolle in der Brustkrebs-Früherkennung spielen. Bei anderen Themen, etwa über Hilfen für Jugendliche mit Drogenproblemen, war ich zunächst etwas skeptisch, ob wir das Zuschauerinteresse treffen, dann aber vom tollen Zuschauerfeedback sehr begeistert.
Als wir für Menschen Machen Medien 2016 den dänischen Mentor des konstruktiven Journalismus, Ulrik Haagerup, interviewten, berichtete er von Treffen mit dem ZDF. Stand er Pate bei plan b?
Das kann man so nicht sagen. Wir haben zwar ein Seminar bei ihm besucht zum Thema „Konstruktiver Journalismus in den Nachrichten” und ich hatte auch sein Buch gelesen. Aber mit der Idee des konstruktiven Journalismus hatte ich mich bereits vorher, als Chef von Frontal 21 und von Zoom, auseinandergesetzt. Viele Zuschauer hatten uns damals zurückgespielt, dass wir immer nur kritisch und negativ berichten würden. Bei Zoom hatten wir dann schon immer wieder eine positive Wendung als ein Element, in den Erzählstrang eingebaut. Das kam beim Publikum gut an, wie wir aus Zuschauerbefragungen erfahren haben.
Als Ende 2016 klar war, dass wir ein konstruktives Format machen wollen, habe ich mich mit Macher*innen solcher Formate getroffen: vom Londoner Institut für konstruktiven Journalismus, von der Online-Plattform Perspective Daily und von De Correspondent aus den Niederlanden. Dann gibt es den Soziologen Harald Welzer mit seinem Institut FUTURZWEI für Zukunftsfähigkeit, der auch einer unserer Kooperationspartner ist. Ich traf auch die Betreiberinnen der konstruktiven Plattform Tea after Twelve.
Gibt es in der Redaktion eine Blaupause, einen typischen Bauplan mit dem Sie konstruktive Beiträge umsetzen?
Ja, es gibt solch einen Grundriss. Anfangs dachten wir, wir müssten in einem Film möglichst viele Beispiele zeigen, um die Zuschauer davon zu überzeugen, dass es andere, konstruktive Lösungswege für Probleme gibt. Für den Beitrag über den ÖPNV etwa, hatten wir sieben Beispiele präsentiert, wo Nahverkehr kostenlos ist, oder wo er sehr preiswert und gut funktioniert.
Wir haben dann aber schnell festgestellt, dass dem Zuschauer bei dieser Erzählweise, die Bindung an die Protagonist*innen der Geschichten schwerfällt. Und gerade die sind ja die interessanten Charaktere, die erfolgreiche Alternativen entwickeln. Wir haben also die Zahl der Geschichten reduziert.
Es gibt jetzt in der Regel eine große Hauptgeschichte. Die unterteilen wir in zwei oder drei Episoden. So können wir auch Weiterentwicklungen zeigen. Dazu kommen dann zwei, maximal drei weitere Beispiele. Alle betreffen dasselbe Thema, beleuchten aber verschiedene Facetten bei der Problemlösung. So türmt man nicht Karton, auf Karton, auf Karton, sondern zeigt im Verlauf, die verschiedensten Wege zur Lösung auf.
Ich habe einen plan b-Film über Lebensmittelretter*innen in Köln, Rotterdam, Bremerhaven und Brandenburg gesehen. Können Sie an dem konkreten Beispiel das journalistische Vorgehen von plan b erklären?
Das ist ein gutes Beispiel für unser Vorgehen. Das große Thema ist Lebensmittelverschwendung und Menschen die etwas dagegen unternehmen. Die Hauptgeschichte spielt in Köln und ist dreigeteilt, um im Verlauf des Films verschiedene Aspekte der Entwicklung zu zeigen. Zunächst folgen wir der Hauptprotagonistin, die aussortierte Lebensmittel vom Biohof rettet. Im zweiten Teil stellen wir dann den Laden vor, in dem die Ware an Kunden abgegeben wird. Die Rotterdamer Episode ergänzt das Thema um ein Restaurant, in dem nur mit geretteten Lebensmitteln gekocht wird.
Das Bremerhavener Beispiel spielt in einem Hotel. Dort optimieren Spezialisten das Frühstücksbuffet mit dem Effekt, dass weniger weggeworfen wird, bzw. die Resteverwertung eine weitere Rolle spielt. Hier wird auch deutlich, was für Einsparungen möglich wären, wenn viele Großküchen, Krankenhäuser und Hotels diesem Beispiel folgen würden. Wir selbst bezeichnen das auch als “Hochrechnen”, also mögliche Dimensionen deutlich machen. Das gehört auch zum Markenkern von plan b.
Und schließlich haben wir immer noch eine kleine Seitengeschichte, hier die eines Brandenburger Unternehmers, der Obst von öffentlichen Bäumen rettet und vermostet.
Was sagt die Einschaltquotenmessung zu plan b?
Die ist sehr zufriedenstellend. Im Schnitt lagen wir im ersten Jahr deutlich über 9 Prozent, das ist für ein neues Format kein schlechter Wert. Auch bei Facebook laufen unsere Themen sehr gut. Nach einem dreiviertel Jahr hatten wir eine Medienforschung aufgesetzt, um zu sehen, ob wir mit unseren Themen richtigliegen. Auch da kam ein gutes Feedback.
Werden plan b beim ZDF weitere konstruktive Formate folgen? Wird sich der konstruktive Ansatz auf andere Sendeplätze ausdehnen?
Ich weiß nicht, ob man jetzt noch mehr spezielle monothematische Formate braucht, wie plan b eines ist. Eher färben wir auf die Berichterstattung anderer ab. Wir beliefern ja auch Formate wie den „Länderspiegel“ oder „heute“ in Deutschland und „heute“ in Europa, mit Auszügen aus unseren Beiträgen. Offenbar plant die ARD beim Sender RBB ein konstruktives Format.
Diese Art der Berichterstattung war immer und wird immer ein komplementäres Format zur herkömmlichen Berichterstattung sein. Ich nenne den konstruktiven Journalismus gerne den Bruder des investigativen Journalismus.