ARD und ZDF: Gelernt mit der AfD umzugehen

Hart aber fair, moderiert von Frank Plasberg, lädt einen Mann erklärtermaßen nicht mehr als Talkgast ein: AFD-Politiker Alexander Gauland seit dessen "Vogelschiss"-Äußerung zum Nationalsozialismus.
Foto: WDR/Klaus Görgen

Die sogenannte Alternative für Deutschland pflegt viele Feindbilder, aber zu den Lieblingsgegnern der Partei gehören eindeutig ARD und ZDF. Ginge es nach der AfD, würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk umgehend abgeschafft. Für die Sender ist das eine echte Herausforderung, der sie anfangs nicht gewachsen waren. Da schien die Maxime aller guten Politikjournalist*innen, nach allen Seiten zu beißen, besonders für die AfD zu gelten. Inzwischen hat man gelernt.

Entsprechend groß war die Kritik. Die Partei, hieß es, erhalte bei den Öffentlich-Rechtlichen viel zu viel Spielraum, ihre Repräsentanten seien in praktisch jeder Talkshow vertreten. SWR-Chefredakteur Fritz Frey räumt ein, dass sei in der Tat ein Problem gewesen: „Da sind wir im Ersten viel zu oft über die Stöckchen gesprungen, die uns die AfD hingehalten hat.“ Lutz Hachmeister, Gründer und Leiter des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM), hat dafür sogar ein gewisses Verständnis: „Man darf nicht vergessen, dass eine neue Partei, die sich in schrillen Extremen bewegt, ein besonders trächtiges Objekt der Berichterstattung ist; das war bei den Grünen vor vierzig Jahren nicht anders.“ Dezidierte Kritik übt Hachmeister allerdings an den politischen Talkshows: Die AfD habe sehr davon profitiert, „dass ihre Vertreter regelmäßig gezielt als Prügelknaben vom Dienst eingesetzt wurden. Das spielt einer Partei, die auf Protestwähler setzt, sehr in die Hände.“ Frey streitet das gar nicht ab: „Das ist dramaturgisch natürlich eine Falle, weil bei den Zuschauern auf diese Weise ganz unabhängig von den Inhalten der Eindruck ‚Alle gegen einen’ entsteht. Das führt zu einem automatischen Sympathieeffekt.“

Der Chefredakteur des SWR verweist allerdings auch auf eine Untersuchung der Universität Mainz, die eine Koinzidenz zwischen der zunehmenden Präsenz der AfD in der Berichterstattung und ihren Zustimmungswerten in der potenziellen Wählerschaft nachgewiesen habe. Laut dieser Studie spiele es keine Rolle, ob die Berichte neutral oder kritisch seien. Hachmeister betont jedoch, die Partei sei kein Medienphänomen, sondern ein politisches Phänomen: „Die AfD hat nicht so viele Stimmen erhalten, weil so sie oft in den Medien vorgekommen ist, sondern weil sie eine Lücke im Parteienspektrum erkannt und anschließend von bestimmten politischen Prozessen profitiert hat.“ Der Autor („Nervöse Zone: Politik und Journalismus in der Berliner Republik“) räumt aber ein, dass die „überbordenden Themensetzungen in den Talks rund um Flüchtlings- und Migrationsfragen der AfD sehr genutzt haben.“

Der Marburger Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger sieht das ähnlich: „Die Formulierung mancher Aufregerthemen – sinngemäß: ‚Gibt es zu viele Ausländer in Deutschland?’ – ist bereits derart populistisch, dass man gar keine AfD-Vertreter mehr einladen muss.“ Durch die Berichterstattung über die Partei und ihre Präsenz in den Talkshows „gelangen ihre Positionen in die öffentliche Wahrnehmung, und wenn sie oft genug wiederholt werden, setzen sie sich in den Köpfen fest. Sie werden dadurch nicht automatisch gesellschaftsfähig, aber üblich.“ Davon abgesehen glaubt Hallenberger an ein grundsätzliches Problem: „In den Talkshows wird kein intellektueller Diskurs angestrebt, sondern das Bauchgefühl bedient.“ Diese Entwicklung habe in den 1990er Jahren begonnen: „Als die Privatsender eine immer größere Akzeptanz erreichten, wurden ARD und ZDF kritisiert, ihre Sendungen richteten sich zu sehr an intellektuelle Elite, das Programm müsse volkstümlicher werden. Der Aufstieg der AfD hängt nicht zuletzt mit einer Missachtung aller Formen von Intellektualität zusammen.“

Die beiden Wissenschaftler erkennen zwar gewisse Fortschritte bei den Sendern, aber Hachmeister sieht auch eine erhebliche Schwachstelle. Der hiesige Journalismus sei „durch die völkischen Ansichten der AfD-Politiker plötzlich mit einer Radikalität konfrontiert worden, die er in seiner linksliberalen oder gutbürgerlichen Ecke so nicht gewohnt war.“ ARD und ZDF bräuchten wesentlich bessere Interviewer, die drei Voraussetzungen mitbringen sollten: „Gelassenheit, eine gewisse Ironie und große Faktenkenntnis. Der Typus des Interviewers, der ein Gespräch auf hohem Niveau führen kann, kommt im deutschen Fernsehen kaum noch vor.“

Fritz Frey hat sich deshalb mit Journalisten aus Österreich ausgetauscht. Dort standen die Medien durch den Aufschwung der rechtspopulistischen FPÖ vor ähnlichen Herausforderungen. Aus den Gesprächen mit dem „Zeit im Bild“-Moderator Armin Wolf hat Frey gelernt, dass gerade bei Interviews mit AfD-Vertretern eine perfekte Vorbereitung nötig sei. „Wenn man populistische Politiker auf bestimmte Zitate anspricht, muss man immer mit Widerspruch rechnen: „Das habe ich nie gesagt“ oder „Das ist aus dem Zusammenhang gerissen worden.“ Es sei daher unabdingbar, seine Behauptungen hieb- und stichfest belegen zu können. Ansonsten gelte die Maxime: „Nüchtern, sachlich, ohne Schaum vor dem Mund.“ Grundsätzlich genieße die Partei im SWR jedoch keine Sonderhandlung: „Es gibt keine Lex AfD.“

Bei den anderen ARD-Sendern sowie beim ZDF teilt man diese Haltung, wie die Chefredakteure unisono bestätigen. Peter Frey (ZDF) schränkt allerdings ein, die Demonstrationen in Chemnitz, „wo sich AfD-Funktionäre mit Neonazis zeigten“, seien in der Wahrnehmung der Partei ein Wendepunkt gewesen: „Dass Journalisten ihre Aufgabe dort nur mit Schutzhelm ausüben konnten, das darf nicht sein. Die Verunglimpfung auch einzelner Kollegen geht bis in höchste Parteikreise. Von solchen direkten und verbalen Angriffen auf Journalisten muss sich die AfD distanzieren, wenn sie wie die anderen Parteien behandelt werden will.“ Der ZDF-Chefredakteur verweist zudem auf die Verpflichtung, auch den im Grundgesetz verankerten Werten wie Rechtsstaatlichkeit, Meinungsvielfalt und vor allem der Würde des Einzelnen Rechnung zu tragen: „Deshalb können wir Äußerungen mit ausländerfeindlichem, antisemitischem oder diskriminierendem Charakter nicht ohne Einordnung stehen lassen.“

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