Mehr als 150 Delegierte und Beobachter*innen der 60 in der EJF zusammengeschlossenen Journalistengewerkschaften und -verbände trafen sich zwei Tage lang im estnischen Parlament in der Hauptstadt Tallinn, um die Weichen für die Arbeit der Europäischen Journalisten Föderation (EJF) in den nächsten drei Jahren zu stellen und eine neue Führung zu wählen. Dabei wurde der seit sechs Jahren amtierende EJF-Präsident Mogens Blicher Bjerregård im Amt bestätigt. Der Däne setzte sich klar gegen seine Herausforderin Anna Del Freo von der italienischen Journalistengewerkschaft FNSI durch.
Neue Vizepräsidentin der EJF ist die Spanierin Marta Barcenilla (CCOO). In das siebenköpfige Steering Comittee neu gewählt wurde auch Joachim Kreibich. Er ist Mitglied im Bundesvorstand der dju in ver.di und bislang Vizepräsident der Internationalen Journalisten Föderation (IJF). Weitere Mitglieder des Lenkungsausschusses sind Anna Del Freo, Marijana Camovic (TUMM, Montenegro), Yannis Kotsifos (ESIEMTH, Griechenland), Martine Simonis (AJP, Belgien), Sergiy Tomilenko (NUJU, Ukraine) sowie Mustafa Kuleli (TGS, Türkei), der mit 151 Stimmen das beste Ergebnis aller Gewählten erzielte – ein deutliches Signal in Richtung Türkei, die unter dem Regime von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan weiterhin das größte Journalisten-Gefängnis der Welt ist.
Einstimmig verabschiedeten die Teilnehmer*innen des General Meetings das Arbeitsprogramm der EJF und ihrer fünf Expert Groups für die Jahre 2019 bis 2022. Ganz oben auf der Agenda stehen der Kampf für faire und angemessene Tarifverträge sowie für kollektive Honorar-Regelungen freier Journalistinnen und Journalisten, die Beseitigung des Gender Pay Gaps im Journalismus, der Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit in Redaktionsbetrieben sowie die kritische Begleitung der Umsetzung der EU-Urheberrechtsdirektive in nationales Recht der Mitgliedsstaaten. Die Gender-Thematik soll künftig auch in allen Expert Groups einen breiteren Raum einnehmen.
Zu den großen Herausforderungen der EJF gehört weiterhin das Engagement für den Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der sich in vielen EU-Staaten Angriffen aus unterschiedlichen politischen Richtungen ausgesetzt sieht. Antworten müssen die EJF und ihre Mitgliedsgewerkschaften auch auf die Frage finden, wie sie in digitalen Newsrooms und journalistischen Startups ihre Durchsetzungsfähigkeit verbessern und unter den dort beschäftigten jungen Journalistinnen und Journalisten neue Mitglieder gewinnen können.
Jenseits der gewerkschaftlichen Kernthemen bleibt die Verteidigung der Pressefreiheit und der Schutz von Journalistinnen und Journalisten vor Verfolgung die wichtigste Aufgabe der EJF. Das General Meeting in Tallinn verabschiedete in diesem Zusammenhang zahlreiche Resolutionen und Erklärungen, etwa zur Sicherheit von freien Journalistinnen und Journalisten in Weißrussland, gegen gewaltsame Übergriffe gegen Medienschaffende am Rande der Gelbwesten-Demonstrationen in Frankreich und für die Freilassung zahlreicher inhaftierter Kolleginnen und Kollegen.
Besorgt zeigten sich die EJF-Delegierten auch von den jüngsten Entwicklungen in Estland. Dort mehren sich seit der Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen Partei EKRE die verbalen Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten. Im Visier der Rechtsextremisten sind unter anderem die beiden großen Tageszeitungen des Landes, vor allem aber der öffentlich-rechtliche Sender ERR, wie Helle Tiikmaa, die Vorsitzende der gastgebenden estnischen Journalistengewerkschaft EAL berichtete. Wenige Tage vor dem General Meeting hatte deshalb die estnische Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid mit einem demonstrativen Auftritt für Aufsehen gesorgt. Bei der Vereidigung eines Ministers der Rechtsextremisten erschien sie mit einem Sweatshirt mit dem Aufdruck „Sona on vaba“ (Das Wort ist frei).
Ihr Bekenntnis zur Pressefreiheit wiederholte die Präsidentin bei einer Rede vor den Teilnehmer*innen des General Meetings der EJF. „Es ist die Aufgabe einer freien Presse, auf der Grundlage von Fakten und Analysen darauf hinzuweisen, wenn Politiker lügen, wenn sie nicht kompetent sind. Es ist ihre Aufgabe diejenigen zu kontrollieren, die an der Spitze großer Unternehmen, staatlicher Institutionen oder großer Parteien stehen“, sagte Kaljulaid.