Podcasts haben in Deutschland den Durchbruch geschafft. Immer mehr Verlage und Streaming-Dienste gönnen sich ihre eigenen, manchmal auch kostspieligen Audio-Formate: für intensive Recherchen, ausführliches Storytelling oder als vertrauensbildende Maßnahme für ihr Publikum. Ein Medienjournalist regt zur Diskussion darüber an, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei diesem „Podcast-Boom“ eine größere Rolle spielen sollte.
Der Erfolg von Podcasts in Deutschland ist unumstritten. Das bedeutet aber noch längst nicht, dass jeder weiß, was ein Podcast ist – oder wie die Sache funktioniert. Letztens, da habe sie wieder eine E-Mail bekommen, sagt Spiegel-Journalistin Sandra Sperber beim Mediensalon am 5. Juni in der taz-Kantine in Berlin. „Ich habe den Play-Button nicht gefunden“, habe in der Mail gestanden.
„Rettet der Podcast-Boom den Journalismus?“ war das Thema dieses Mediensalons, der in Kooperation mit „M Menschen Machen Medien“ und dem Hörbuch- und Podcast-Anbieter Audible stattfand. Diese Frage war für die Runde schnell geklärt: im Alleingang sicher nicht. Doch für Verlage und freie Journalist*innen böten Podcasts zusätzliche Möglichkeiten, Themen nachzugehen, Recherchen zu präsentieren und den Hörer*innen Einblicke in die eigene Arbeit zu geben.
Sandra Sperber, die gemeinsam mit einer Kollegin den Spiegel Online-Podcast „Stimmfang“ verantwortet, sagte, die Podcasts beim „Spiegel“ seien auch eine Reaktion auf den Aufstieg der AfD und das zunehmende Misstrauen gegenüber den Medien. Man wolle die Möglichkeit des gesprochenen Worts nutzen, um die eigene Berichterstattung besser zu erklären und um „unseren Leuten und dem Spiegel eine Stimme zu geben“.
In manchen Fällen erlauben Podcasts eine sehr aufwendige Recherche – wie im Falle von Patrizia Schlosser. Die Journalistin hat sich für ihren Audible-Podcast „Im Untergrund“ gemeinsam mit ihrem Vater, einem früheren Streifenpolizisten, auf die Suche nach drei untergetauchten, mutmaßlichen RAF-Mitgliedern begeben. Über ein Jahr hat sie an der investigativen Audio-Serie gearbeitet, sechs Folgen sind entstanden. Für „Im Untergrund“ reiste sie sogar nach Jordanien, wie Schlosser im Mediensalon berichtete.
Möglich war das, weil Audible die Kosten übernahm. Wie teuer so eine Produktion sei, wollte Moderator Johannes Altmeyer ( Die Welt) von Patrizia Schlosser und Audible-Redakteur Tim Kehl wissen. Der hielt sich bedeckt, sprach aber von Kosten, die auf die Minute umgerechnet „absurd hoch“ seien.
Neben Audible setzt auch der Streaming-Dienst Spotify stark auf Podcasts – ebenso wie die großen Zeitungsverlage in Deutschland. Medienjournalist Daniel Bouhs (u.a. Zapp) brachte hier die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins Gespräch: „Warum müssen Verlage immer eigenständig Angebote machen?“, fragte Bouhs. Es sei durchaus denkbar, dass öffentlich-rechtliche Sender als Plattform fungieren – etwa, indem sie einen „Sendeplatz freiräumen“ für ein Best-of externer Podcasts.
Es sei nicht so einfach, private und öffentlich-rechtliche Medien zusammenzubringen, sagte darauf Anja Pasquay, Sprecherin des Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV). Eine Kooperation, wie Bouhs sie vorschlage, funktioniere durchaus in manchen Fällen. Aber: Eine gemeinsame Plattform, an der „auch der ARD-Intendant herum operiert: Das wird spannend, aber einfach wird es nicht“, so Pasquay.
Die BDZV-Sprecherin und Medienjournalist Bouhs betonten, es sei entscheidend, dass Inhalte für die Nutzer*innen leicht erreichbar seien. Pasquay bezog sich damit vor allem auf die Bezahlung. Diese sei bislang leider oft sehr umständlich, wenn Paywalls im Spiel seien. Bouhs hingegen verwies auf technische Aspekte, etwa RSS-Feeds, die die Sache verkomplizieren können. Für ihn sei eine entscheidende Frage für die Marktfähigkeit eines Podcasts: Wie einfach ist er zugänglich? Der Streamingdienst Spotify habe das bereits erkannt. Mit einem unkomplizierten Zugang zu ihren Inhalten dürften Podcast-Macher*innen deshalb nicht nur, aber besonders jenen das Leben erleichtern, die den Podcast gerade erst für sich entdecken. Dann bleibt als Hürde allerdings immer noch der Play-Button.
Hören Sie auch in unseren aktuellen Medienpodcast rein! Wir sprechen mit Robert Schneider, Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Focus und von 2011 bis 2016 Chefredakteur der Superillu, über den Osten und die Medien: Wie stark beschäftigen sich deutsche Medien mit Nachrichten und Problemen aus dem Osten Deutschlands? Sind die Themen ausgewogen und vor allem: sind die ostdeutschen Sichtweisen ausreichend repräsentiert?