Im Fernsehen vorgeführt

Chinesische Journalistin und Autorin der Deutschen Welle in Haft

Die chinesische Journalistin und Regimekritikerin Gao Yu wurde am 8. Mai im chinesischen Staatsfernsehen mit einem „Geständnis“ vorgeführt. Es sollte offensichtlich im Vorfeld des 25. Jahrestages der Niederschlagung der Demokratiebewegung in China am 4. Juni der Abschreckung dienen. Gao Yu ist am 24. April verschwunden. Nun wurde ihre Verhaftung bestätigt. Ihr wird „Geheimnisverrat“ vorgeworfen.

Screenshot: Youtube
Screenshot: Youtube

Sie habe ein hoch vertrauliches Dokument der Kommunistischen Partei auf ihren Computer kopiert und dann an eine ausländische Webseite weitergegeben, berichtete die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Um welches Papier es sich handeln soll, ist noch offen. Gao hatte im vergangenen Jahr über eine interne Denkschrift der Kommunistischen Partei berichtet, in der unter anderem für ein kompromissloses Unterbinden abweichender Meinungen plädiert wird. Ein Hongkonger Magazin hatte das Dokument im August 2013 in seiner vollen Länge veröffentlicht, wird auf der Website der Deutschen Welle berichtet.
Im staatlichen Fernsehen bedauerte die bekannte Autorin in dem „Geständnis“, dass ihr Verhalten „den nationalen Interessen geschadet“ und Gesetze verletzt habe. Sie werde „eine Strafe im Rahmen der chinesischen Rechtsprechung akzeptieren“. Es sei „menschenunwürdig, Gao Yu im chinesischen Fernsehen einem Millionenpublikum als geständige Kriminelle vorzuführen“, kritisierte der Intendant der Deutschen Welle Peter Limbourg die chinesischen Behörden. Limbourg sagte, Gao Yu habe „einen Anspruch auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren“. Er sei in großer Sorge um das Schicksal der 70-Jährigen, die seit vielen Jahren für die chinesische Redaktion des deutschen Auslandssenders arbeite. Dies habe er bereits vor einigen Tagen der chinesischen Botschaft in Berlin mitgeteilt und nach dem plötzlichen Verschwinden Gao Yus um Aufklärung gebeten.
Intendant Limbourg: „Die Deutsche Welle baut Brücken der Verständigung und steht für Dialog mit China. Das schließt ein, dass wir auch kritischen Autoren eine Stimme geben, die in China selbst nicht publizieren können.“ Es müsse möglich sein, trotz Meinungsunterschieden in manchen Bereichen den Dialog offen und respektvoll zu führen.
Zuletzt war am 23. April 2014 ein Beitrag der renommierten Journalistin Gao Yu auf der Webseite der Deutschen Welle erschienen. Thema war der Sturz des reformorientierten Parteichefs Hu Yaobang 1986. Sein Tod im April 1989 gilt als Ausgangspunkt für die Demokratiebewegung in Peking und ganz China. Gao Yu hatte in den 1990er-Jahren sieben Jahre wegen ihrer journalistischen Arbeit in Haft gesessen. Auch damals wurde ihr „Publizieren von Staatsgeheimnissen“ vorgeworfen. 1995 war sie mit dem „Courage in Journalism Award“ ausgezeichnet worden.

Weiterlesen

Hintergrund zum Thema – und ein Video mit Gao Yu unter: http://dw.de/p/1Br72

Weitere aktuelle Beiträge

Kriminalität nicht mit Migration verknüpfen

Kriminelle Migranten bedrohen die Sicherheit in Deutschland“ – dieses alte rechte Narrativ wird von der AfD neu belebt und verfestigt sich in der Mitte von Gesellschaft und Politik. Medien, die diese realitätsverzerrende Erzählung bedienen, weil sie meinen, die laute Minderheit repräsentiere ein öffentliches Interesse, spielen mit dem Feuer.
mehr »

Mit BigTech gegen Pressefreiheit

Der Vogel ist frei“ twitterte der US-Milliardär und Big Tech-Unternehmer Elon Musk am 28. Oktober 2022, dem Tag seiner Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter, der damals noch den blauen Vogel als Logo hatte. Der reichste Mann der Welt wollte nach eigener Aussage den Dienst zu einer Plattform der absoluten Redefreiheit machen: „Freie Meinungsäußerung ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden“, hatte Musk vor der Übernahme erklärt.
mehr »

Neue Nachrichten für Russland

Reporter ohne Grenzen (RSF) hat in Paris gemeinsam mit der Witwe von Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, den neuen Fernsehsender Russia’s Future  vorgestellt. Der Sender soll das Vermächtnis des in russischer Haft ermordeten Oppositionsführers bewahren und die Pressefreiheit in Russland stärken. Ausgestrahlt wird er über das von RSF initiierte Svoboda Satellite Package, das unabhängigen, russischsprachigen Journalismus sendet.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »