Haltung im Journalismus – ein Thema, das umtreibt. Wie ordnet sie sich ein in die Pflicht zu Objektivität, Tendenzlosigkeit, Differenziertheit der Berichterstattung – Professionalität des Berufes? Oder ist es gerade die Haltung, die guten Journalismus ausmacht? Was heißt das überhaupt: Haltung bei der Ausübung des journalistischen Berufs?
Im Duden findet sich unter Haltung die Definition: „Innere [Grund]einstellung, die jemandes Denken und Handeln prägt“. Demzufolge gibt es niemanden ohne Haltung. Mit Blick auf die öffentliche Aufgabe der Medien in einer Demokratie tragen Journalist*innen jedoch an dieser Stelle eine besondere Verantwortung. Sie sind maßgeblich an der politischen Meinungsbildung in der Gesellschaft beteiligt.
Wer den Beruf einer Journalistin, eines Journalisten ausübt, ist angetreten, mit ihrer, seiner Arbeit demokratische Werte zu verteidigen. Oberste Gebote nach dem Pressekodex sind: „Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit“. Das impliziert die Auseinandersetzung mit Kräften, die die Menschenwürde mit Füßen treten und die historische Wahrheiten wie die Grausamkeiten des Naziregimes verfälschen oder gar leugnen. Sprich, sich gegen rechts zu positionieren. Verdient geht deshalb der diesjährige Grimme-Preis für die „Besondere Journalistische Leistung“ an Georg Restle, stellvertretend für die Redaktion von „Monitor”. Begründung: Das WDR-Magazin zeichne sich durch eine „kontinuierliche und haltungsstarke Berichterstattung über Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus” aus.
Wenn der diesjährige ver.di-Journalismustag die These aufgeworfen hat „Hinschauen, Weghören, Einstehen? Alles eine Frage der Haltung“ – dann hat er damit den Kern journalistischer Arbeit getroffen. Denn Haltung „zeigen“ hat sehr viel mit Handwerk zu tun. „Hinschauen“ oder Hin- und nicht „Weghören“ heißt: Ereignisse, Fakten sehen; hören was läuft, was Menschen sagen; analysieren; die Kamera draufhalten, den Finger in die Wunde legen. Es heißt auch, in der Öffentlichkeit sichtbar als Journalist*in aufzutreten, so wie es Kolleg*innen tun, wenn sie über Demonstrationen, vor allem über rechtsextreme, berichten. Besonders Lokaljournalist*innen, die sich dieser Aufgabe stellen, verdienen dafür unsere Hochachtung! Sie werden oft an vorderster Linie mit gegensätzlichen aufeinandertreffenden Meinungen konfrontiert: Nicht selten werden sie direkt, mitunter körperlich, angegriffen.
Keine völlige Objektivität
Auch in der Gewichtung der Informationen für einen journalistischen Bericht dokumentiert sich bereits eine Haltung. Das heißt nicht, nur jene Informationen zuzulassen, die eigene Ansichten (Haltungen) stützen. Im Gegenteil, alle recherchierten Fakten und Hintergründe zu einem Thema gehören veröffentlicht. Umfassende, kritische und investigative Recherche sind das A und O. Nur dann haben Rezipient*innen die Möglichkeit, sich ihre Meinung zum jeweiligen Stoff zu bilden. Dennoch ist von einer durchaus subjektiven Bewertung bei der Informationsauswahl auszugehen. Denn auch Journalist*innen haben wie alle Menschen eine innere Einstellung, eine Grundüberzeugung, die sie aus ihrem Wissen beziehen, die durch eigene Lebenserfahrungen geprägt ist. Völlige Objektivität gibt es nicht, kann es nicht geben.
Nicht außer Acht lassen sollte man in diesem Zusammenhang die Tendenz des jeweiligen Mediums. Denn die Presse unterliegt dem Tendenzschutzparagraphen aus dem deutschen Betriebsverfassungsrecht. Danach kann ein Verleger die politische Meinungstendenz seines Blattes festlegen. Er lässt also nicht ausnahmslos jede Meinung von Autor*innen zu. Zudem schränkt der Tendenzschutzparagraph die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ein. Darauf beruft man sich gern bei der Weigerung, Unternehmensinformationen herauszugeben. Die Deutsche Journalisten- und Journalistinnen-Union (dju) fordert deshalb seit Jahrzehnten die Abschaffung dieses Paragraphen. Haltung zeigen könnten Journalist*innen an dieser Stelle zum Beispiel, indem sie ihrem Arbeitgeber ein Redaktionsstatut abtrotzen. Das Statut dient der inneren Pressefreiheit. Es umfasst unter anderem die Einrichtung von Redakteursvertretungen (Redakteursausschüssen) und Regelungen zur Beilegung von inhaltlichen Streitigkeiten. Redakteur*innen haben damit ein Instrument in der Hand beispielsweise, wenn sie einen Artikel, ein Thema, im jeweiligen Haus verteidigen bzw. durchsetzen wollen. Herausgeber und Redaktionen sind sicher gut beraten, eine solche konstruktive Streitkultur vorzuhalten.
Für eigene Argumente, mit der man eine These untermauert und sich öffentlich positioniert, ist im Journalismus auch der klar gekennzeichnete Meinungsbeitrag – der Kommentar, die Kolumne, dass Essay – ein gutes Format. Hier kann man rechtsextremer Hetze, Gewaltphantasien jeglicher Coleur, falschen Informationen, Verunglimpfungen, kriminellen Machenschaften auch in Politik und Wirtschaft … meinungsstark entgegentreten – Haltung zeigen.
Doch müssen sich Journalist*innen bewusst sein: Ihr Beitrag, wenn man so will, die dargelegte Haltung zu einem Thema, hat für viele Menschen eine hohe Relevanz. Das gilt zunehmend auch für die digitalen Medien, wenn Journalist*innen zusätzlich in Blogs, eigenen Facebook-Accounts, Podcasts und anderem mehr unterwegs sind.
Eintreten für eigene Rechte
Auch Solidarität mit Kolleginnen und Kollegen, die in einen Shitstorm geraten und diskreditiert werden, ist eine Haltungsfrage, ebenso wie Solidarität mit Journalist*innen weltweit, die wegen ihrer Arbeit verfolgt werden. Engagement ist möglich in Organisationen wie „Reporter ohne Grenzen“ oder „Journalisten helfen Journalisten“ oder in Gewerkschaften wie ver.di, die als Mediengewerkschaft auch in der Europäischen und in der Internationalen Föderation von Journalistinnen und Journalisten (FJF/IJF) aktiv ist.
„Einstehen“ für die eigene Haltung ist auch angesagt, wenn es um die Durchsetzung der Rechte von Journalistinnen und Journalisten geht – gegenüber Angriffen etwa auf Demonstrationen oder gegenüber staatlichen Behörden. Die Freiheit der Presse ist in Deutschland im Grundgesetz garantiert. Trotzdem werden Medienschaffende von Polizei und Justiz nicht ausreichend geschützt. Oft hindert die Polizei Journalist*innen an ihrer Arbeit, wie auf dem Journalismustag an Beispielen geschildert wurde. Kolleg*innen berichteten, wie sie sich vor Ort mit der Polizei auseinandersetzen müssen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Seminare und andere Zusammenkünfte zum Austausch über Presserecht und Polizeiarbeit.
Die Ereignisse um die zurückgezogenen Akkreditierungen beim G20 Gipfel in Hamburg 2017 dokumentieren Behördenversagen. Mit Unterstützung von ver.di bewiesen Betroffene Haltung und gingen juristisch dagegen vor. Die ersten Erfolge konnten Ende Februar verzeichnet werden. Zwei Urteile, die die Rechtswidrigkeit der Vorgänge bescheinigen, sind rechtskräftig. Noch immer gibt es kein Presseauskunftsrecht für Journalist*innen auf Bundesebene – eine weitere Baustelle für die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, die gerade gemeinsam mit anderen Medienverbänden die Politik aufgefordert hat, endlich diesen Rechtsanspruch auf Informationen von Bundesbehörden mit einem Gesetz zu sichern. Mehr Berichterstattung über diese Themen ist notwendig.
Haltung sollten Gewerkschafter*innen aber auch da beweisen, wo es um die eigenen Arbeitsbedingungen geht. Das heißt, selbst aktiv sein in Auseinandersetzungen um Tarife und Honorare, mitbestimmen bei digital bedingten Veränderungen im Arbeitsprozess.
Wie professionell und verantwortungsbewusst Journalist*innen ihren Job machen, ist also eine Frage der Haltung! Wir brauchen mehr Mut, sie zu zeigen!